Die Glandul sondert hier von Dingen ohne Zahl, Woraus die Drück' entstehn, den Eindruck auf einmal Schnell von einander ab. Durch Striche des Gesichts, Die ins Gehirn gedrückt, Sind die von dem Gehör auch im geringsten nichts Verhindert noch verrückt. Zween Sinnen sind durch gleiche Krafft gerühret, Ohn daß man einen Raum der Zeit darin verspüret: Durch einen süssen Dunst wird unsre Nas' ergötzt, Jndem das Podagra den Fuß in Schmertzen setzt.
Wer aber fasset doch, mit welcher Schnelligkeit, Von so verschiedener Beschaffenheit, Die Vorwürff, die die Sinnen rühreu, Durch unterschiednen Druck sich im Gehirn formiren, Jn dieser Cörper Meng', die ohne Zahl sich häufft? Wo ist ein Witz, ein Meister, der begreifft, Wie sie in einem Puct sich so vereinen köunen, Auch in demselben Punct so ordentlich sich trennen?
Die Seele, die hiermit durchs Werckzeug sich beschäfftigt, Will, daß die Sinnlichkeit in unserm Cörper sey, Statt daß sie von dem Fehl der dummen Kindheit frey Und sich entfernen sollt, wird sie darin bekräfftigt. Und da sie alles glaubt von aussen her zu kriegen, Hält sie sich stets gerührt von äusserlichen Zügen. Jndem man fühlt, daß uns des tieffen Himmels Zelt, Zusammt dem weiten Reich der flüssenden Crystallen, Gebürge, Thäler, Wald und Feld, Auf einmal in die Augen fallen;
Bere-
Von dem Sitz der Sinnlichkeiten.
Die Glandul ſondert hier von Dingen ohne Zahl, Woraus die Druͤck’ entſtehn, den Eindruck auf einmal Schnell von einander ab. Durch Striche des Geſichts, Die ins Gehirn gedruͤckt, Sind die von dem Gehoͤr auch im geringſten nichts Verhindert noch verruͤckt. Zween Sinnen ſind durch gleiche Krafft geruͤhret, Ohn daß man einen Raum der Zeit darin verſpuͤret: Durch einen ſuͤſſen Dunſt wird unſre Naſ’ ergoͤtzt, Jndem das Podagra den Fuß in Schmertzen ſetzt.
Wer aber faſſet doch, mit welcher Schnelligkeit, Von ſo verſchiedener Beſchaffenheit, Die Vorwuͤrff, die die Sinnen ruͤhreu, Durch unterſchiednen Druck ſich im Gehirn formiren, Jn dieſer Coͤrper Meng’, die ohne Zahl ſich haͤufft? Wo iſt ein Witz, ein Meiſter, der begreifft, Wie ſie in einem Puct ſich ſo vereinen koͤunen, Auch in demſelben Punct ſo ordentlich ſich trennen?
Die Seele, die hiermit durchs Werckzeug ſich beſchaͤfftigt, Will, daß die Sinnlichkeit in unſerm Coͤrper ſey, Statt daß ſie von dem Fehl der dummen Kindheit frey Und ſich entfernen ſollt, wird ſie darin bekraͤfftigt. Und da ſie alles glaubt von auſſen her zu kriegen, Haͤlt ſie ſich ſtets geruͤhrt von aͤuſſerlichen Zuͤgen. Jndem man fuͤhlt, daß uns des tieffen Himmels Zelt, Zuſammt dem weiten Reich der fluͤſſenden Cryſtallen, Gebuͤrge, Thaͤler, Wald und Feld, Auf einmal in die Augen fallen;
Bere-
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Von dem Sitz der Sinnlichkeiten.
Die Glandul ſondert hier von Dingen ohne Zahl,
Woraus die Druͤck’ entſtehn, den Eindruck auf einmal
Schnell von einander ab.
Durch Striche des Geſichts,
Die ins Gehirn gedruͤckt,
Sind die von dem Gehoͤr auch im geringſten nichts
Verhindert noch verruͤckt.
Zween Sinnen ſind durch gleiche Krafft geruͤhret,
Ohn daß man einen Raum der Zeit darin verſpuͤret:
Durch einen ſuͤſſen Dunſt wird unſre Naſ’ ergoͤtzt,
Jndem das Podagra den Fuß in Schmertzen ſetzt.
Wer aber faſſet doch, mit welcher Schnelligkeit,
Von ſo verſchiedener Beſchaffenheit,
Die Vorwuͤrff, die die Sinnen ruͤhreu,
Durch unterſchiednen Druck ſich im Gehirn formiren,
Jn dieſer Coͤrper Meng’, die ohne Zahl ſich haͤufft?
Wo iſt ein Witz, ein Meiſter, der begreifft,
Wie ſie in einem Puct ſich ſo vereinen koͤunen,
Auch in demſelben Punct ſo ordentlich ſich trennen?
Die Seele, die hiermit durchs Werckzeug ſich beſchaͤfftigt,
Will, daß die Sinnlichkeit in unſerm Coͤrper ſey,
Statt daß ſie von dem Fehl der dummen Kindheit frey
Und ſich entfernen ſollt, wird ſie darin bekraͤfftigt.
Und da ſie alles glaubt von auſſen her zu kriegen,
Haͤlt ſie ſich ſtets geruͤhrt von aͤuſſerlichen Zuͤgen.
Jndem man fuͤhlt, daß uns des tieffen Himmels Zelt,
Zuſammt dem weiten Reich der fluͤſſenden Cryſtallen,
Gebuͤrge, Thaͤler, Wald und Feld,
Auf einmal in die Augen fallen;
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Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730, S. 511. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/541>, abgerufen am 29.06.2024.
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