Lasst uns den Fortgang unsrer Zeiten, Die so veränderlich, erwegen. Wir wollen erstlich überlegen Des holden Frühlings Lieblichkeiten, Der die Natur verjünget und sie schmückt, Wann uns des Himmels Gunst den Seegens-Regen schickt: Wann unsres Tages Fürst, in unsre Welt verliebet, Durch warme Lauigkeit den strengen Frost verjagt, Der sie bisher gefesselt und geplagt, Da sie uns dann so zarte Blumen giebet, Da man so dann, auf Wiesen, fruchtbar Kraut, Auf Bäumen, dichte Blätter schaut, Und sie der Frücht' und Pflantzen Nahrungs-Krafft, Aus ihrem fenchten Schooß hervor bringt, sanfft beweget, Als den so schätzbarn Safft, Den sie in sich verborgen heget. Durch solche glückliche Veränderung entsteht, Entspriesst, erhält und blüht nun alles, was ihr seht. Das Feld hat seine Schätz', es hat der Wald Hiedurch die liebliche Gestallt. Hierdurch wächst alles fort und wird vermehrt, Hierdurch sind alle Ding'ernährt.
Wenn nun die Erde noch die Sonne näher spüret, Und sich mit reiffen Aehren zieret; Wenn Ceres, durch der langen Tage Gunst, Den gelben Schatz der Furchen reiffen sieht;
So
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Von den Jahrs-Zeiten.
Laſſt uns den Fortgang unſrer Zeiten, Die ſo veraͤnderlich, erwegen. Wir wollen erſtlich uͤberlegen Des holden Fruͤhlings Lieblichkeiten, Der die Natur verjuͤnget und ſie ſchmuͤckt, Wann uns des Himmels Gunſt den Seegens-Regen ſchickt: Wann unſres Tages Fuͤrſt, in unſre Welt verliebet, Durch warme Lauigkeit den ſtrengen Froſt verjagt, Der ſie bisher gefeſſelt und geplagt, Da ſie uns dann ſo zarte Blumen giebet, Da man ſo dann, auf Wieſen, fruchtbar Kraut, Auf Baͤumen, dichte Blaͤtter ſchaut, Und ſie der Fruͤcht’ und Pflantzen Nahrungs-Krafft, Aus ihrem fenchten Schooß hervor bringt, ſanfft beweget, Als den ſo ſchaͤtzbarn Safft, Den ſie in ſich verborgen heget. Durch ſolche gluͤckliche Veraͤnderung entſteht, Entſprieſſt, erhaͤlt und bluͤht nun alles, was ihr ſeht. Das Feld hat ſeine Schaͤtz’, es hat der Wald Hiedurch die liebliche Geſtallt. Hierdurch waͤchſt alles fort und wird vermehrt, Hierdurch ſind alle Ding’ernaͤhrt.
Wenn nun die Erde noch die Sonne naͤher ſpuͤret, Und ſich mit reiffen Aehren zieret; Wenn Ceres, durch der langen Tage Gunſt, Den gelben Schatz der Furchen reiffen ſieht;
So
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Von den Jahrs-Zeiten.
Laſſt uns den Fortgang unſrer Zeiten,
Die ſo veraͤnderlich, erwegen.
Wir wollen erſtlich uͤberlegen
Des holden Fruͤhlings Lieblichkeiten,
Der die Natur verjuͤnget und ſie ſchmuͤckt,
Wann uns des Himmels Gunſt den Seegens-Regen ſchickt:
Wann unſres Tages Fuͤrſt, in unſre Welt verliebet,
Durch warme Lauigkeit den ſtrengen Froſt verjagt,
Der ſie bisher gefeſſelt und geplagt,
Da ſie uns dann ſo zarte Blumen giebet,
Da man ſo dann, auf Wieſen, fruchtbar Kraut,
Auf Baͤumen, dichte Blaͤtter ſchaut,
Und ſie der Fruͤcht’ und Pflantzen Nahrungs-Krafft,
Aus ihrem fenchten Schooß hervor bringt, ſanfft beweget,
Als den ſo ſchaͤtzbarn Safft,
Den ſie in ſich verborgen heget.
Durch ſolche gluͤckliche Veraͤnderung entſteht,
Entſprieſſt, erhaͤlt und bluͤht nun alles, was ihr ſeht.
Das Feld hat ſeine Schaͤtz’, es hat der Wald
Hiedurch die liebliche Geſtallt.
Hierdurch waͤchſt alles fort und wird vermehrt,
Hierdurch ſind alle Ding’ernaͤhrt.
Wenn nun die Erde noch die Sonne naͤher ſpuͤret,
Und ſich mit reiffen Aehren zieret;
Wenn Ceres, durch der langen Tage Gunſt,
Den gelben Schatz der Furchen reiffen ſieht;
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Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/289>, abgerufen am 13.05.2024.
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