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Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730.

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Hier reitzt der Erden prächtger Bau,
Der Widerschein der bunten Felder,
Die grüne Nacht der dicken Wälder,
Der Bluhmen Perlen-Tranck, der Thau,
Der Morgen-Röthe süsse Wonne,
Das Stern-Licht und der blasse Mond,
Der Haupt-Planeten Fürst, die Sonne,
Die in dem göldnen Schimmer thront.
Dieß scheint auf dem Papier zu stehn
Und hier zu blenden, hier zu strahlen,
So teuschet uns Dein dichtend Mahlen,
Man glaubt, was Du erzehlst, zu sehn.
Doch nur zu sehn? Nein; auch zu hören,
(Wo hat der Pinsel dieß erregt?)
Wann in der Nachtigallen Chören
Der Reim fast zwitschert, lockt und schlägt.
Mich deucht, ich seh das Firmament,
Mich deucht, ich hör der Winde Blasen,
Der Schloßen Sturtz, der Wetter Rasen,
Das Wolcken bricht und Aeste trennt.
Mich schreckt das donnernde Gebrülle,
Das Deiner Worte Schwall beschreibt,
Bis bald des Reimes sanfte Stille
Mein Hertz zur sichern Ruhe treibt.
Jch führe keine Tichter an,
Dich über sie hinauf zu rücken;
Dein Vers kan uns so sehr entzücken,
Daß man an sie kaum dencken kan.
Man muß Dich ungetheilet lieben,
Weil man Dich unvergleichlich findt,
Und, daß auch andre schon geschrieben,
Der, so Dich liest, sich kaum besinnt.
Ein
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Hier reitzt der Erden praͤchtger Bau,
Der Widerſchein der bunten Felder,
Die gruͤne Nacht der dicken Waͤlder,
Der Bluhmen Perlen-Tranck, der Thau,
Der Morgen-Roͤthe ſuͤſſe Wonne,
Das Stern-Licht und der blaſſe Mond,
Der Haupt-Planeten Fuͤrſt, die Sonne,
Die in dem goͤldnen Schimmer thront.
Dieß ſcheint auf dem Papier zu ſtehn
Und hier zu blenden, hier zu ſtrahlen,
So teuſchet uns Dein dichtend Mahlen,
Man glaubt, was Du erzehlſt, zu ſehn.
Doch nur zu ſehn? Nein; auch zu hoͤren,
(Wo hat der Pinſel dieß erregt?)
Wann in der Nachtigallen Choͤren
Der Reim faſt zwitſchert, lockt und ſchlaͤgt.
Mich deucht, ich ſeh das Firmament,
Mich deucht, ich hoͤr der Winde Blaſen,
Der Schloßen Sturtz, der Wetter Raſen,
Das Wolcken bricht und Aeſte trennt.
Mich ſchreckt das donnernde Gebruͤlle,
Das Deiner Worte Schwall beſchreibt,
Bis bald des Reimes ſanfte Stille
Mein Hertz zur ſichern Ruhe treibt.
Jch fuͤhre keine Tichter an,
Dich uͤber ſie hinauf zu ruͤcken;
Dein Vers kan uns ſo ſehr entzuͤcken,
Daß man an ſie kaum dencken kan.
Man muß Dich ungetheilet lieben,
Weil man Dich unvergleichlich findt,
Und, daß auch andre ſchon geſchrieben,
Der, ſo Dich lieſt, ſich kaum beſinnt.
Ein
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[0027] Hier reitzt der Erden praͤchtger Bau, Der Widerſchein der bunten Felder, Die gruͤne Nacht der dicken Waͤlder, Der Bluhmen Perlen-Tranck, der Thau, Der Morgen-Roͤthe ſuͤſſe Wonne, Das Stern-Licht und der blaſſe Mond, Der Haupt-Planeten Fuͤrſt, die Sonne, Die in dem goͤldnen Schimmer thront. Dieß ſcheint auf dem Papier zu ſtehn Und hier zu blenden, hier zu ſtrahlen, So teuſchet uns Dein dichtend Mahlen, Man glaubt, was Du erzehlſt, zu ſehn. Doch nur zu ſehn? Nein; auch zu hoͤren, (Wo hat der Pinſel dieß erregt?) Wann in der Nachtigallen Choͤren Der Reim faſt zwitſchert, lockt und ſchlaͤgt. Mich deucht, ich ſeh das Firmament, Mich deucht, ich hoͤr der Winde Blaſen, Der Schloßen Sturtz, der Wetter Raſen, Das Wolcken bricht und Aeſte trennt. Mich ſchreckt das donnernde Gebruͤlle, Das Deiner Worte Schwall beſchreibt, Bis bald des Reimes ſanfte Stille Mein Hertz zur ſichern Ruhe treibt. Jch fuͤhre keine Tichter an, Dich uͤber ſie hinauf zu ruͤcken; Dein Vers kan uns ſo ſehr entzuͤcken, Daß man an ſie kaum dencken kan. Man muß Dich ungetheilet lieben, Weil man Dich unvergleichlich findt, Und, daß auch andre ſchon geſchrieben, Der, ſo Dich lieſt, ſich kaum beſinnt. Ein ):( ):( 5

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Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/27>, abgerufen am 23.11.2024.