Es hat die Erde durch den Schatten Auch auf den Mond dieselbe Macht. Wenn sie sich zwischen ihm und unsrer Sonnen lencket; So wirfft der Erden Rund auch eine Schatten-Nacht. Wodurch der Mond so gleich bedecket, Und sich für uns verstecket. So bald die Sonn' ihm keinen Schein mehr schenckt, Jst er in Finsterniß und Dunckelheit versenckt.
Offt zeigt bey dunckler Nacht den Stern-Gelehrten sich Ein Vorwurf, der verwunderlich. Saturnus, Jupiter, Mars, Venus und Mereur, Die scheinen hin und her zu irren, Und unsre Blicke zu verwirren. Wie geht denn dieses zu, daß wir am Himmel sehn Dasselbige Gestirn itzt stille stehn, Jtzt vor-itzt rückwerts gehn? Daher: da unsre Erd' ohn Stillstand vorwerts rückt; Entsteht, daß man sie so verschiedentlich erblickt.
Wir seeglen, als im Schiff, auf unsrer Erd' herum Die andern Jrr-Geftirn, als Schiffe, gleicher Weise, So durch den Wind geführt, vollführen ihre Reise Jm dünnen Reich der Lufft. Ein jeder eilt Jn einem gantz besonderm Creise. Sie sind nach einerley Gesetz zu gehn bemüht. Doch wie ein Reisender, wenn er die Fluhten theilt, Jn Ruhe glaubt zu seyn, und alles lauffen siehet; So sehn wir auch das Lauffen dieser Sterne.
Ein
O 2
Von der Sonne, Planeten, Firmament.
Es hat die Erde durch den Schatten Auch auf den Mond dieſelbe Macht. Wenn ſie ſich zwiſchen ihm und unſrer Sonnen lencket; So wirfft der Erden Rund auch eine Schatten-Nacht. Wodurch der Mond ſo gleich bedecket, Und ſich fuͤr uns verſtecket. So bald die Sonn’ ihm keinen Schein mehr ſchenckt, Jſt er in Finſterniß und Dunckelheit verſenckt.
Offt zeigt bey dunckler Nacht den Stern-Gelehrten ſich Ein Vorwurf, der verwunderlich. Saturnus, Jupiter, Mars, Venus und Mereur, Die ſcheinen hin und her zu irren, Und unſre Blicke zu verwirren. Wie geht denn dieſes zu, daß wir am Himmel ſehn Daſſelbige Geſtirn itzt ſtille ſtehn, Jtzt vor-itzt ruͤckwerts gehn? Daher: da unſre Erd’ ohn Stillſtand vorwerts ruͤckt; Entſteht, daß man ſie ſo verſchiedentlich erblickt.
Wir ſeeglen, als im Schiff, auf unſrer Erd’ herum Die andern Jrr-Geftirn, als Schiffe, gleicher Weiſe, So durch den Wind gefuͤhrt, vollfuͤhren ihre Reiſe Jm duͤnnen Reich der Lufft. Ein jeder eilt Jn einem gantz beſonderm Creiſe. Sie ſind nach einerley Geſetz zu gehn bemuͤht. Doch wie ein Reiſender, wenn er die Fluhten theilt, Jn Ruhe glaubt zu ſeyn, und alles lauffen ſiehet; So ſehn wir auch das Lauffen dieſer Sterne.
Ein
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Von der Sonne, Planeten, Firmament.
Es hat die Erde durch den Schatten
Auch auf den Mond dieſelbe Macht.
Wenn ſie ſich zwiſchen ihm und unſrer Sonnen lencket;
So wirfft der Erden Rund auch eine Schatten-Nacht.
Wodurch der Mond ſo gleich bedecket,
Und ſich fuͤr uns verſtecket.
So bald die Sonn’ ihm keinen Schein mehr ſchenckt,
Jſt er in Finſterniß und Dunckelheit verſenckt.
Offt zeigt bey dunckler Nacht den Stern-Gelehrten ſich
Ein Vorwurf, der verwunderlich.
Saturnus, Jupiter, Mars, Venus und Mereur,
Die ſcheinen hin und her zu irren,
Und unſre Blicke zu verwirren.
Wie geht denn dieſes zu, daß wir am Himmel ſehn
Daſſelbige Geſtirn itzt ſtille ſtehn,
Jtzt vor-itzt ruͤckwerts gehn?
Daher: da unſre Erd’ ohn Stillſtand vorwerts ruͤckt;
Entſteht, daß man ſie ſo verſchiedentlich erblickt.
Wir ſeeglen, als im Schiff, auf unſrer Erd’ herum
Die andern Jrr-Geftirn, als Schiffe, gleicher Weiſe,
So durch den Wind gefuͤhrt, vollfuͤhren ihre Reiſe
Jm duͤnnen Reich der Lufft. Ein jeder eilt
Jn einem gantz beſonderm Creiſe.
Sie ſind nach einerley Geſetz zu gehn bemuͤht.
Doch wie ein Reiſender, wenn er die Fluhten theilt,
Jn Ruhe glaubt zu ſeyn, und alles lauffen ſiehet;
So ſehn wir auch das Lauffen dieſer Sterne.
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Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/241>, abgerufen am 20.07.2024.
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