Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730.

Bild:
<< vorherige Seite
Von den Eigenschafften der Materie.


Da nun der Stoff ohn' Ende theilbar ist;
So muß das Leere ja, wenn man es recht ermisst,
So unnütz-als unmöglich seyn.
Man fasset sonder dieß ja die Bewegung wol:
Es ist und bleibet alles voll,
Und alles kan sich doch bewegen.
Die Weisen aus Athen,
Woselbst wir von Vernunfft so manches Merckmal sehn,
Erwiesen, daß, (wie wir dieselbe Meinung hegen)
Die Welt erfüllet sey: sie zeigten, wie so schnelle
Ein Fisch das Wasser theil', ohn daß auf einer Stelle
Ein leerer Ort entstünd'; ihn halte nichts zurück,
Dieweil die Fluht sich von ihm lencket;
Und daß dieselbe Fluht in selbem Augenblick
Sich wieder in den Ort, den er verlassen, sencket.


Allein, sprach Epieur; wo soll das Wesen hin,
Das euer Fisch zertheilt und drückt?
Jst es durch einen Leib zu dringen wol geschickt,
Wenn ihm blos durch das Leere
Der Durchgang nicht gestattet wäre?


Weshalben seine Folger sprechen:
Ohnmöglich könn' ein Cörper, ohn' ein Leer,
Sich rühren und durch Cörper brechen;
Weil durch den ersteren, der einst gerühret wär,
Bis ins unendliche, sich andre rühren müssen;
Und dieß, wie wir es alle wissen,
Geschehe ja wol nimmermehr.
Je-
G 2
Von den Eigenſchafften der Materie.


Da nun der Stoff ohn’ Ende theilbar iſt;
So muß das Leere ja, wenn man es recht ermiſſt,
So unnuͤtz-als unmoͤglich ſeyn.
Man faſſet ſonder dieß ja die Bewegung wol:
Es iſt und bleibet alles voll,
Und alles kan ſich doch bewegen.
Die Weiſen aus Athen,
Woſelbſt wir von Vernunfft ſo manches Merckmal ſehn,
Erwieſen, daß, (wie wir dieſelbe Meinung hegen)
Die Welt erfuͤllet ſey: ſie zeigten, wie ſo ſchnelle
Ein Fiſch das Waſſer theil’, ohn daß auf einer Stelle
Ein leerer Ort entſtuͤnd’; ihn halte nichts zuruͤck,
Dieweil die Fluht ſich von ihm lencket;
Und daß dieſelbe Fluht in ſelbem Augenblick
Sich wieder in den Ort, den er verlaſſen, ſencket.


Allein, ſprach Epieur; wo ſoll das Weſen hin,
Das euer Fiſch zertheilt und druͤckt?
Jſt es durch einen Leib zu dringen wol geſchickt,
Wenn ihm blos durch das Leere
Der Durchgang nicht geſtattet waͤre?


Weshalben ſeine Folger ſprechen:
Ohnmoͤglich koͤnn’ ein Coͤrper, ohn’ ein Leer,
Sich ruͤhren und durch Coͤrper brechen;
Weil durch den erſteren, der einſt geruͤhret waͤr,
Bis ins unendliche, ſich andre ruͤhren muͤſſen;
Und dieß, wie wir es alle wiſſen,
Geſchehe ja wol nimmermehr.
Je-
G 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="1">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <pb facs="#f0129" n="99"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Von den Eigen&#x017F;chafften der Materie.</hi> </fw><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
              <lg type="poem">
                <l><hi rendition="#in">D</hi>a nun der Stoff ohn&#x2019; Ende theilbar i&#x017F;t;</l><lb/>
                <l>So muß das <hi rendition="#fr">Leere</hi> ja, wenn man es recht ermi&#x017F;&#x017F;t,</l><lb/>
                <l>So unnu&#x0364;tz-als unmo&#x0364;glich &#x017F;eyn.</l><lb/>
                <l>Man fa&#x017F;&#x017F;et &#x017F;onder dieß ja die Bewegung wol:</l><lb/>
                <l>Es i&#x017F;t und bleibet alles voll,</l><lb/>
                <l>Und alles kan &#x017F;ich doch bewegen.</l><lb/>
                <l>Die Wei&#x017F;en aus Athen,</l><lb/>
                <l>Wo&#x017F;elb&#x017F;t wir von Vernunfft &#x017F;o manches Merckmal &#x017F;ehn,</l><lb/>
                <l>Erwie&#x017F;en, daß, (wie wir die&#x017F;elbe Meinung hegen)</l><lb/>
                <l>Die Welt erfu&#x0364;llet &#x017F;ey: &#x017F;ie zeigten, wie &#x017F;o &#x017F;chnelle</l><lb/>
                <l>Ein Fi&#x017F;ch das Wa&#x017F;&#x017F;er theil&#x2019;, ohn daß auf einer Stelle</l><lb/>
                <l>Ein leerer Ort ent&#x017F;tu&#x0364;nd&#x2019;; ihn halte nichts zuru&#x0364;ck,</l><lb/>
                <l>Dieweil die Fluht &#x017F;ich von ihm lencket;</l><lb/>
                <l>Und daß die&#x017F;elbe Fluht in &#x017F;elbem Augenblick</l><lb/>
                <l>Sich wieder in den Ort, den er verla&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;encket.</l>
              </lg><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
              <lg type="poem">
                <l><hi rendition="#in">A</hi>llein, &#x017F;prach Epieur; wo &#x017F;oll das We&#x017F;en hin,</l><lb/>
                <l>Das euer Fi&#x017F;ch zertheilt und dru&#x0364;ckt?</l><lb/>
                <l>J&#x017F;t es durch einen Leib zu dringen wol ge&#x017F;chickt,</l><lb/>
                <l>Wenn ihm blos durch das Leere</l><lb/>
                <l>Der Durchgang nicht ge&#x017F;tattet wa&#x0364;re?</l>
              </lg><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
              <lg type="poem">
                <l><hi rendition="#in">W</hi>eshalben &#x017F;eine Folger &#x017F;prechen:</l><lb/>
                <l>Ohnmo&#x0364;glich ko&#x0364;nn&#x2019; ein Co&#x0364;rper, ohn&#x2019; ein Leer,</l><lb/>
                <l>Sich ru&#x0364;hren und durch Co&#x0364;rper brechen;</l><lb/>
                <l>Weil durch den er&#x017F;teren, der ein&#x017F;t geru&#x0364;hret wa&#x0364;r,</l><lb/>
                <l>Bis ins unendliche, &#x017F;ich andre ru&#x0364;hren mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en;</l><lb/>
                <l>Und dieß, wie wir es alle wi&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
                <l>Ge&#x017F;chehe ja wol nimmermehr.</l>
              </lg><lb/>
              <fw place="bottom" type="sig">G 2</fw>
              <fw place="bottom" type="catch">Je-</fw><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[99/0129] Von den Eigenſchafften der Materie. Da nun der Stoff ohn’ Ende theilbar iſt; So muß das Leere ja, wenn man es recht ermiſſt, So unnuͤtz-als unmoͤglich ſeyn. Man faſſet ſonder dieß ja die Bewegung wol: Es iſt und bleibet alles voll, Und alles kan ſich doch bewegen. Die Weiſen aus Athen, Woſelbſt wir von Vernunfft ſo manches Merckmal ſehn, Erwieſen, daß, (wie wir dieſelbe Meinung hegen) Die Welt erfuͤllet ſey: ſie zeigten, wie ſo ſchnelle Ein Fiſch das Waſſer theil’, ohn daß auf einer Stelle Ein leerer Ort entſtuͤnd’; ihn halte nichts zuruͤck, Dieweil die Fluht ſich von ihm lencket; Und daß dieſelbe Fluht in ſelbem Augenblick Sich wieder in den Ort, den er verlaſſen, ſencket. Allein, ſprach Epieur; wo ſoll das Weſen hin, Das euer Fiſch zertheilt und druͤckt? Jſt es durch einen Leib zu dringen wol geſchickt, Wenn ihm blos durch das Leere Der Durchgang nicht geſtattet waͤre? Weshalben ſeine Folger ſprechen: Ohnmoͤglich koͤnn’ ein Coͤrper, ohn’ ein Leer, Sich ruͤhren und durch Coͤrper brechen; Weil durch den erſteren, der einſt geruͤhret waͤr, Bis ins unendliche, ſich andre ruͤhren muͤſſen; Und dieß, wie wir es alle wiſſen, Geſchehe ja wol nimmermehr. Je- G 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/129
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/129>, abgerufen am 06.05.2024.