Da nun der Stoff ohn' Ende theilbar ist; So muß das Leere ja, wenn man es recht ermisst, So unnütz-als unmöglich seyn. Man fasset sonder dieß ja die Bewegung wol: Es ist und bleibet alles voll, Und alles kan sich doch bewegen. Die Weisen aus Athen, Woselbst wir von Vernunfft so manches Merckmal sehn, Erwiesen, daß, (wie wir dieselbe Meinung hegen) Die Welt erfüllet sey: sie zeigten, wie so schnelle Ein Fisch das Wasser theil', ohn daß auf einer Stelle Ein leerer Ort entstünd'; ihn halte nichts zurück, Dieweil die Fluht sich von ihm lencket; Und daß dieselbe Fluht in selbem Augenblick Sich wieder in den Ort, den er verlassen, sencket.
Allein, sprach Epieur; wo soll das Wesen hin, Das euer Fisch zertheilt und drückt? Jst es durch einen Leib zu dringen wol geschickt, Wenn ihm blos durch das Leere Der Durchgang nicht gestattet wäre?
Weshalben seine Folger sprechen: Ohnmöglich könn' ein Cörper, ohn' ein Leer, Sich rühren und durch Cörper brechen; Weil durch den ersteren, der einst gerühret wär, Bis ins unendliche, sich andre rühren müssen; Und dieß, wie wir es alle wissen, Geschehe ja wol nimmermehr.
Je-
G 2
Von den Eigenſchafften der Materie.
Da nun der Stoff ohn’ Ende theilbar iſt; So muß das Leere ja, wenn man es recht ermiſſt, So unnuͤtz-als unmoͤglich ſeyn. Man faſſet ſonder dieß ja die Bewegung wol: Es iſt und bleibet alles voll, Und alles kan ſich doch bewegen. Die Weiſen aus Athen, Woſelbſt wir von Vernunfft ſo manches Merckmal ſehn, Erwieſen, daß, (wie wir dieſelbe Meinung hegen) Die Welt erfuͤllet ſey: ſie zeigten, wie ſo ſchnelle Ein Fiſch das Waſſer theil’, ohn daß auf einer Stelle Ein leerer Ort entſtuͤnd’; ihn halte nichts zuruͤck, Dieweil die Fluht ſich von ihm lencket; Und daß dieſelbe Fluht in ſelbem Augenblick Sich wieder in den Ort, den er verlaſſen, ſencket.
Allein, ſprach Epieur; wo ſoll das Weſen hin, Das euer Fiſch zertheilt und druͤckt? Jſt es durch einen Leib zu dringen wol geſchickt, Wenn ihm blos durch das Leere Der Durchgang nicht geſtattet waͤre?
Weshalben ſeine Folger ſprechen: Ohnmoͤglich koͤnn’ ein Coͤrper, ohn’ ein Leer, Sich ruͤhren und durch Coͤrper brechen; Weil durch den erſteren, der einſt geruͤhret waͤr, Bis ins unendliche, ſich andre ruͤhren muͤſſen; Und dieß, wie wir es alle wiſſen, Geſchehe ja wol nimmermehr.
Je-
G 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0129"n="99"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Von den Eigenſchafften der Materie.</hi></fw><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><lgtype="poem"><l><hirendition="#in">D</hi>a nun der Stoff ohn’ Ende theilbar iſt;</l><lb/><l>So muß das <hirendition="#fr">Leere</hi> ja, wenn man es recht ermiſſt,</l><lb/><l>So unnuͤtz-als unmoͤglich ſeyn.</l><lb/><l>Man faſſet ſonder dieß ja die Bewegung wol:</l><lb/><l>Es iſt und bleibet alles voll,</l><lb/><l>Und alles kan ſich doch bewegen.</l><lb/><l>Die Weiſen aus Athen,</l><lb/><l>Woſelbſt wir von Vernunfft ſo manches Merckmal ſehn,</l><lb/><l>Erwieſen, daß, (wie wir dieſelbe Meinung hegen)</l><lb/><l>Die Welt erfuͤllet ſey: ſie zeigten, wie ſo ſchnelle</l><lb/><l>Ein Fiſch das Waſſer theil’, ohn daß auf einer Stelle</l><lb/><l>Ein leerer Ort entſtuͤnd’; ihn halte nichts zuruͤck,</l><lb/><l>Dieweil die Fluht ſich von ihm lencket;</l><lb/><l>Und daß dieſelbe Fluht in ſelbem Augenblick</l><lb/><l>Sich wieder in den Ort, den er verlaſſen, ſencket.</l></lg><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><lgtype="poem"><l><hirendition="#in">A</hi>llein, ſprach Epieur; wo ſoll das Weſen hin,</l><lb/><l>Das euer Fiſch zertheilt und druͤckt?</l><lb/><l>Jſt es durch einen Leib zu dringen wol geſchickt,</l><lb/><l>Wenn ihm blos durch das Leere</l><lb/><l>Der Durchgang nicht geſtattet waͤre?</l></lg><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><lgtype="poem"><l><hirendition="#in">W</hi>eshalben ſeine Folger ſprechen:</l><lb/><l>Ohnmoͤglich koͤnn’ ein Coͤrper, ohn’ ein Leer,</l><lb/><l>Sich ruͤhren und durch Coͤrper brechen;</l><lb/><l>Weil durch den erſteren, der einſt geruͤhret waͤr,</l><lb/><l>Bis ins unendliche, ſich andre ruͤhren muͤſſen;</l><lb/><l>Und dieß, wie wir es alle wiſſen,</l><lb/><l>Geſchehe ja wol nimmermehr.</l></lg><lb/><fwplace="bottom"type="sig">G 2</fw><fwplace="bottom"type="catch">Je-</fw><lb/></div></div></div></div></body></text></TEI>
[99/0129]
Von den Eigenſchafften der Materie.
Da nun der Stoff ohn’ Ende theilbar iſt;
So muß das Leere ja, wenn man es recht ermiſſt,
So unnuͤtz-als unmoͤglich ſeyn.
Man faſſet ſonder dieß ja die Bewegung wol:
Es iſt und bleibet alles voll,
Und alles kan ſich doch bewegen.
Die Weiſen aus Athen,
Woſelbſt wir von Vernunfft ſo manches Merckmal ſehn,
Erwieſen, daß, (wie wir dieſelbe Meinung hegen)
Die Welt erfuͤllet ſey: ſie zeigten, wie ſo ſchnelle
Ein Fiſch das Waſſer theil’, ohn daß auf einer Stelle
Ein leerer Ort entſtuͤnd’; ihn halte nichts zuruͤck,
Dieweil die Fluht ſich von ihm lencket;
Und daß dieſelbe Fluht in ſelbem Augenblick
Sich wieder in den Ort, den er verlaſſen, ſencket.
Allein, ſprach Epieur; wo ſoll das Weſen hin,
Das euer Fiſch zertheilt und druͤckt?
Jſt es durch einen Leib zu dringen wol geſchickt,
Wenn ihm blos durch das Leere
Der Durchgang nicht geſtattet waͤre?
Weshalben ſeine Folger ſprechen:
Ohnmoͤglich koͤnn’ ein Coͤrper, ohn’ ein Leer,
Sich ruͤhren und durch Coͤrper brechen;
Weil durch den erſteren, der einſt geruͤhret waͤr,
Bis ins unendliche, ſich andre ruͤhren muͤſſen;
Und dieß, wie wir es alle wiſſen,
Geſchehe ja wol nimmermehr.
Je-
G 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/129>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.