Wir halten denn, was man vom Leeren Und eingebildten Raum erzehlet, vor Chimeren. Die Welt nimmt alles ein. Man findet ausser ihr Nicht einen Zwischen-Stand, der leer, Auch keinen Raum, worinn kein Cörper wär. Ein Nichts entstünde sonst. Dies kommet unserm Geist Ganz falsch und unwahrscheinlich für. Lasst uns der Himmel Kreyß mit keinem Nichts umschräncken! An statt von selben zu gedencken, Daß etwas leeres ihn umgäbe; glaub man frey, Daß seine Größ' ohn alle Schrancken sey. Denn wenn man um die Welt will einen Umstrich schreiben; Kan unser Geist sodann wol in den Gräntzen bleiben? Hingegen bildet man sie sich uuendlich ein: So werden Schrancken doch von uns gesuchet seyn. Man muß das Grübeln unterlassen, Sie weder eingeschränckt, noch unumschränckt zu fassen.
Darum, weil man nichts merckt, den Raum für leer zu achten; Jst gar ein kindischer und grober Unverstand. Man muß die Cörper nicht betrachten Als fühlbar, als gefärbt, nur blos, als Ausgespannt; Nicht ob sie von Natur, groß oder klein, Grob, oder zart, und dünne, seyn. Es hält die Lufft, die sich so schnell beweget, Die unsichtbar, und die von solcher Leichtigkeit, Jn einem Raum, der eines Fußes breit, Nicht weniger Materie, Als wie ein Klumpen Bley von gleicher Grösse heget.
Auf
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Von den Eigenſchafften der Materie.
Wir halten denn, was man vom Leeren Und eingebildten Raum erzehlet, vor Chimeren. Die Welt nimmt alles ein. Man findet auſſer ihr Nicht einen Zwiſchen-Stand, der leer, Auch keinen Raum, worinn kein Coͤrper waͤr. Ein Nichts entſtuͤnde ſonſt. Dies kommet unſerm Geiſt Ganz falſch und unwahrſcheinlich fuͤr. Laſſt uns der Himmel Kreyß mit keinem Nichts umſchraͤncken! An ſtatt von ſelben zu gedencken, Daß etwas leeres ihn umgaͤbe; glaub man frey, Daß ſeine Groͤß’ ohn alle Schrancken ſey. Denn wenn man um die Welt will einen Umſtrich ſchreiben; Kan unſer Geiſt ſodann wol in den Graͤntzen bleiben? Hingegen bildet man ſie ſich uuendlich ein: So werden Schrancken doch von uns geſuchet ſeyn. Man muß das Gruͤbeln unterlaſſen, Sie weder eingeſchraͤnckt, noch unumſchraͤnckt zu faſſen.
Darum, weil man nichts merckt, den Raum fuͤr leer zu achten; Jſt gar ein kindiſcher und grober Unverſtand. Man muß die Coͤrper nicht betrachten Als fuͤhlbar, als gefaͤrbt, nur blos, als Ausgeſpannt; Nicht ob ſie von Natur, groß oder klein, Grob, oder zart, und duͤnne, ſeyn. Es haͤlt die Lufft, die ſich ſo ſchnell beweget, Die unſichtbar, und die von ſolcher Leichtigkeit, Jn einem Raum, der eines Fußes breit, Nicht weniger Materie, Als wie ein Klumpen Bley von gleicher Groͤſſe heget.
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Von den Eigenſchafften der Materie.
Wir halten denn, was man vom Leeren
Und eingebildten Raum erzehlet, vor Chimeren.
Die Welt nimmt alles ein. Man findet auſſer ihr
Nicht einen Zwiſchen-Stand, der leer,
Auch keinen Raum, worinn kein Coͤrper waͤr.
Ein Nichts entſtuͤnde ſonſt. Dies kommet unſerm Geiſt
Ganz falſch und unwahrſcheinlich fuͤr.
Laſſt uns der Himmel Kreyß mit keinem Nichts umſchraͤncken!
An ſtatt von ſelben zu gedencken,
Daß etwas leeres ihn umgaͤbe; glaub man frey,
Daß ſeine Groͤß’ ohn alle Schrancken ſey.
Denn wenn man um die Welt will einen Umſtrich ſchreiben;
Kan unſer Geiſt ſodann wol in den Graͤntzen bleiben?
Hingegen bildet man ſie ſich uuendlich ein:
So werden Schrancken doch von uns geſuchet ſeyn.
Man muß das Gruͤbeln unterlaſſen,
Sie weder eingeſchraͤnckt, noch unumſchraͤnckt zu faſſen.
Darum, weil man nichts merckt, den Raum fuͤr leer zu
achten;
Jſt gar ein kindiſcher und grober Unverſtand.
Man muß die Coͤrper nicht betrachten
Als fuͤhlbar, als gefaͤrbt, nur blos, als Ausgeſpannt;
Nicht ob ſie von Natur, groß oder klein,
Grob, oder zart, und duͤnne, ſeyn.
Es haͤlt die Lufft, die ſich ſo ſchnell beweget,
Die unſichtbar, und die von ſolcher Leichtigkeit,
Jn einem Raum, der eines Fußes breit,
Nicht weniger Materie,
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Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/117>, abgerufen am 17.02.2025.
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