Der gleichsam weinenden Natur Selbst zu bedauren. Denn alles, was man sah, war schlackrig, alles naß. Beschmutzt, besprützt war Kraut und Gras, Morastig, schlüpfrich, tief der Weg, Unbrauchbar fast von Glätte Pfad und Steg.
Des nassen Wand'rers Fuß bekleb'te; Oft löset' er sich kaum, wie sehr er sich bestreb'te, Dem Sumpf sich zu entziehn. Wie oft war sein Bemühn Umsonst, wenn sein betrog'ner Schritt Jhm glitscht' und wieder dahin glitt, Wo er ihn kurz vorher mit Müh' heraus gezogen? Wodurch denn aus der Spur, von der gedrängten Flut, Die, seit sie sich darin vereint, noch nicht geruht, Viel kleine Tropfen zischend flogen.
Bey dieser widrigen Gestalt der Welt Empfindet man jedoch ein Etwas, das uns eben Nicht mißgefällt; Und das uns durch die Haut sanft an die Nerven geht. Wir finden etwas um uns schweben, Zumal wenn man gedeckt am off'nen Fenster steht, Das uns, wenn wir drauf Achtung geben, Ein schaudrigtes Vergnügen bringet. Noch mehr, es zeig't sich dem Gesicht Selbst in der trüben Zeit ein Licht, Das itzt fast überall entspringet, Und dessen man auf Erden ganz und gar, Wann's trocken, nimmer wird gewahr.
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Der gleichſam weinenden Natur Selbſt zu bedauren. Denn alles, was man ſah, war ſchlackrig, alles naß. Beſchmutzt, beſpruͤtzt war Kraut und Gras, Moraſtig, ſchluͤpfrich, tief der Weg, Unbrauchbar faſt von Glaͤtte Pfad und Steg.
Des naſſen Wand’rers Fuß bekleb’te; Oft loͤſet’ er ſich kaum, wie ſehr er ſich beſtreb’te, Dem Sumpf ſich zu entziehn. Wie oft war ſein Bemuͤhn Umſonſt, wenn ſein betrog’ner Schritt Jhm glitſcht’ und wieder dahin glitt, Wo er ihn kurz vorher mit Muͤh’ heraus gezogen? Wodurch denn aus der Spur, von der gedraͤngten Flut, Die, ſeit ſie ſich darin vereint, noch nicht geruht, Viel kleine Tropfen ziſchend flogen.
Bey dieſer widrigen Geſtalt der Welt Empfindet man jedoch ein Etwas, das uns eben Nicht mißgefaͤllt; Und das uns durch die Haut ſanft an die Nerven geht. Wir finden etwas um uns ſchweben, Zumal wenn man gedeckt am off’nen Fenſter ſteht, Das uns, wenn wir drauf Achtung geben, Ein ſchaudrigtes Vergnuͤgen bringet. Noch mehr, es zeig’t ſich dem Geſicht Selbſt in der truͤben Zeit ein Licht, Das itzt faſt uͤberall entſpringet, Und deſſen man auf Erden ganz und gar, Wann’s trocken, nimmer wird gewahr.
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Der gleichſam weinenden Natur
Selbſt zu bedauren.
Denn alles, was man ſah, war ſchlackrig, alles naß.
Beſchmutzt, beſpruͤtzt war Kraut und Gras,
Moraſtig, ſchluͤpfrich, tief der Weg,
Unbrauchbar faſt von Glaͤtte Pfad und Steg.
Des naſſen Wand’rers Fuß bekleb’te;
Oft loͤſet’ er ſich kaum, wie ſehr er ſich beſtreb’te,
Dem Sumpf ſich zu entziehn.
Wie oft war ſein Bemuͤhn
Umſonſt, wenn ſein betrog’ner Schritt
Jhm glitſcht’ und wieder dahin glitt,
Wo er ihn kurz vorher mit Muͤh’ heraus gezogen?
Wodurch denn aus der Spur, von der gedraͤngten Flut,
Die, ſeit ſie ſich darin vereint, noch nicht geruht,
Viel kleine Tropfen ziſchend flogen.
Bey dieſer widrigen Geſtalt der Welt
Empfindet man jedoch ein Etwas, das uns eben
Nicht mißgefaͤllt;
Und das uns durch die Haut ſanft an die Nerven geht.
Wir finden etwas um uns ſchweben,
Zumal wenn man gedeckt am off’nen Fenſter ſteht,
Das uns, wenn wir drauf Achtung geben,
Ein ſchaudrigtes Vergnuͤgen bringet.
Noch mehr, es zeig’t ſich dem Geſicht
Selbſt in der truͤben Zeit ein Licht,
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727, S. 403. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727/439>, abgerufen am 28.07.2024.
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