Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727.

Bild:
<< vorherige Seite

Auf einem jeden Holz', auf einem jeden Stein'
Entdeckt sich, wenn sie feucht, ein sanfter Schein.
Die Pfützen, die voll Wasser stehn,
Die lassen uns das Licht noch stärker sehn,
Jndem so gar die Wagen-Gleis- und Lachen,
Samt jeder Fuß-Spur, sich zu kleinen Spiegeln machen,
Worin nicht nur ein Licht in weissem Schimmer fäll't,
Nein auch manch Schatten-Bild von Häusern, Sträuchen,
Zweigen,
Die sich recht eigentlich auf nassen Stellen zeigen,
Jm Wider-Schein sich uns vor Augen stell't.
Jedoch ist alles teüb' und ungewiß
Jn einer Dämmerung und lichten Finsterniß.

Jndem ich nun des Nebels duftig Grau,
Womit die Luft annoch erfüllet war, beschau;
Gedenk' ich hin und her, und endlich fällt mir ein,
Was für ein heller Wunder-Schein
Doch hinter diesem Nebel stecke,
Und welche Herrlichkeit der dunk'le Duft verdecke.
Wer, dacht' ich, sollte glauben,
Daß solchen Glanz, der in dem ganzen Firmament
Jn solcher heitern Klarheit brenn't,
Ein Nebel und ein Dust uns könnte rauben?
Ein Dunst, der ein unfehlbar Nichts,
Jst mächtig, uns vom hellen Born des Lichts,
Vom güld'nen Sonnen-Feur, dem Ursprung aller Freuden,
Als wär' er nicht mehr da, zu scheiden.
Auf gleiche Weise raub't des Unglücks Nebel-Duft
Uns, auf der Sonnen Sonn' und HErrn, oft das Vertrauen,

Daß

Auf einem jeden Holz’, auf einem jeden Stein’
Entdeckt ſich, wenn ſie feucht, ein ſanfter Schein.
Die Pfuͤtzen, die voll Waſſer ſtehn,
Die laſſen uns das Licht noch ſtaͤrker ſehn,
Jndem ſo gar die Wagen-Gleiſ- und Lachen,
Samt jeder Fuß-Spur, ſich zu kleinen Spiegeln machen,
Worin nicht nur ein Licht in weiſſem Schimmer faͤll’t,
Nein auch manch Schatten-Bild von Haͤuſern, Straͤuchen,
Zweigen,
Die ſich recht eigentlich auf naſſen Stellen zeigen,
Jm Wider-Schein ſich uns vor Augen ſtell’t.
Jedoch iſt alles teuͤb’ und ungewiß
Jn einer Daͤmmerung und lichten Finſterniß.

Jndem ich nun des Nebels duftig Grau,
Womit die Luft annoch erfuͤllet war, beſchau;
Gedenk’ ich hin und her, und endlich faͤllt mir ein,
Was fuͤr ein heller Wunder-Schein
Doch hinter dieſem Nebel ſtecke,
Und welche Herrlichkeit der dunk’le Duft verdecke.
Wer, dacht’ ich, ſollte glauben,
Daß ſolchen Glanz, der in dem ganzen Firmament
Jn ſolcher heitern Klarheit brenn’t,
Ein Nebel und ein Duſt uns koͤnnte rauben?
Ein Dunſt, der ein unfehlbar Nichts,
Jſt maͤchtig, uns vom hellen Born des Lichts,
Vom guͤld’nen Sonnen-Feur, dem Urſprung aller Freuden,
Als waͤr’ er nicht mehr da, zu ſcheiden.
Auf gleiche Weiſe raub’t des Ungluͤcks Nebel-Duft
Uns, auf der Sonnen Sonn’ und HErrn, oft das Vertrauen,

Daß
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg n="12">
            <l><pb facs="#f0440" n="404"/>
Auf einem jeden Holz&#x2019;, auf einem jeden Stein&#x2019;</l><lb/>
            <l>Entdeckt &#x017F;ich, wenn &#x017F;ie feucht, ein &#x017F;anfter Schein.</l><lb/>
            <l>Die Pfu&#x0364;tzen, die voll Wa&#x017F;&#x017F;er &#x017F;tehn,</l><lb/>
            <l>Die la&#x017F;&#x017F;en uns das Licht noch &#x017F;ta&#x0364;rker &#x017F;ehn,</l><lb/>
            <l>Jndem &#x017F;o gar die Wagen-Glei&#x017F;- und Lachen,</l><lb/>
            <l>Samt jeder Fuß-Spur, &#x017F;ich zu kleinen Spiegeln machen,</l><lb/>
            <l>Worin nicht nur ein Licht in wei&#x017F;&#x017F;em Schimmer fa&#x0364;ll&#x2019;t,</l><lb/>
            <l>Nein auch manch Schatten-Bild von Ha&#x0364;u&#x017F;ern, Stra&#x0364;uchen,</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">Zweigen,</hi> </l><lb/>
            <l>Die &#x017F;ich recht eigentlich auf na&#x017F;&#x017F;en Stellen zeigen,</l><lb/>
            <l>Jm Wider-Schein &#x017F;ich uns vor Augen &#x017F;tell&#x2019;t.</l><lb/>
            <l>Jedoch i&#x017F;t alles teu&#x0364;b&#x2019; und ungewiß</l><lb/>
            <l>Jn einer Da&#x0364;mmerung und lichten Fin&#x017F;terniß.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="13">
            <l>Jndem ich nun des Nebels duftig Grau,</l><lb/>
            <l>Womit die Luft annoch erfu&#x0364;llet war, be&#x017F;chau;</l><lb/>
            <l>Gedenk&#x2019; ich hin und her, und endlich fa&#x0364;llt mir ein,</l><lb/>
            <l>Was fu&#x0364;r ein heller Wunder-Schein</l><lb/>
            <l>Doch hinter die&#x017F;em Nebel &#x017F;tecke,</l><lb/>
            <l>Und welche Herrlichkeit der dunk&#x2019;le Duft verdecke.</l><lb/>
            <l>Wer, dacht&#x2019; ich, &#x017F;ollte glauben,</l><lb/>
            <l>Daß &#x017F;olchen Glanz, der in dem ganzen Firmament</l><lb/>
            <l>Jn &#x017F;olcher heitern Klarheit brenn&#x2019;t,</l><lb/>
            <l>Ein Nebel und ein Du&#x017F;t uns ko&#x0364;nnte rauben?</l><lb/>
            <l>Ein Dun&#x017F;t, der ein unfehlbar Nichts,</l><lb/>
            <l>J&#x017F;t ma&#x0364;chtig, uns vom hellen Born des Lichts,</l><lb/>
            <l>Vom gu&#x0364;ld&#x2019;nen Sonnen-Feur, dem Ur&#x017F;prung aller Freuden,</l><lb/>
            <l>Als wa&#x0364;r&#x2019; er nicht mehr da, zu &#x017F;cheiden.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="14">
            <l>Auf gleiche Wei&#x017F;e raub&#x2019;t des Unglu&#x0364;cks Nebel-Duft</l><lb/>
            <l>Uns, auf der Sonnen Sonn&#x2019; und HErrn, oft das Vertrauen,</l><lb/>
            <l>
              <fw place="bottom" type="catch">Daß</fw><lb/>
            </l>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[404/0440] Auf einem jeden Holz’, auf einem jeden Stein’ Entdeckt ſich, wenn ſie feucht, ein ſanfter Schein. Die Pfuͤtzen, die voll Waſſer ſtehn, Die laſſen uns das Licht noch ſtaͤrker ſehn, Jndem ſo gar die Wagen-Gleiſ- und Lachen, Samt jeder Fuß-Spur, ſich zu kleinen Spiegeln machen, Worin nicht nur ein Licht in weiſſem Schimmer faͤll’t, Nein auch manch Schatten-Bild von Haͤuſern, Straͤuchen, Zweigen, Die ſich recht eigentlich auf naſſen Stellen zeigen, Jm Wider-Schein ſich uns vor Augen ſtell’t. Jedoch iſt alles teuͤb’ und ungewiß Jn einer Daͤmmerung und lichten Finſterniß. Jndem ich nun des Nebels duftig Grau, Womit die Luft annoch erfuͤllet war, beſchau; Gedenk’ ich hin und her, und endlich faͤllt mir ein, Was fuͤr ein heller Wunder-Schein Doch hinter dieſem Nebel ſtecke, Und welche Herrlichkeit der dunk’le Duft verdecke. Wer, dacht’ ich, ſollte glauben, Daß ſolchen Glanz, der in dem ganzen Firmament Jn ſolcher heitern Klarheit brenn’t, Ein Nebel und ein Duſt uns koͤnnte rauben? Ein Dunſt, der ein unfehlbar Nichts, Jſt maͤchtig, uns vom hellen Born des Lichts, Vom guͤld’nen Sonnen-Feur, dem Urſprung aller Freuden, Als waͤr’ er nicht mehr da, zu ſcheiden. Auf gleiche Weiſe raub’t des Ungluͤcks Nebel-Duft Uns, auf der Sonnen Sonn’ und HErrn, oft das Vertrauen, Daß

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727/440
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727, S. 404. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727/440>, abgerufen am 24.11.2024.