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Brentano, Clemens: Geschichte vom braven Kasperl und dem schönen Annerl. Berlin, 1838.

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bestohlen; mein Herz brach mir, aber ich mußte sie ge¬
fangen nehmen und den Gerichten übergeben, denn ich
bin ein Soldat meines Fürsten, und meine Ehre erlaubt
mir keine Schonung. Ich habe meinen Vater und Bru¬
der der Rache übergeben um der Ehre willen; ach! bitte
doch Jedermann für mich, daß man mir hier, wo ich
gefallen bin, ein ehrliches Grab neben meiner Mutter
vergönne. Das Kränzlein, durch welches ich mich er¬
schossen, soll die Großmutter der schönen Annerl schicken
und sie von mir grüßen, ach! sie thut mir leid durch
Mark und Bein, aber sie soll doch den Sohn eines Die¬
bes nicht heirathen, denn sie hat immer viel auf Ehre
gehalten. Liebe schöne Annerl, mögest Du nicht so sehr
erschrecken über mich, gieb Dich zufrieden, und wenn
Du mir jemals ein wenig gut warst, so rede nicht schlecht
von mir. Ich kann ja nichts für meine Schande! Ich
hatte mir so viele Mühe gegeben, in Ehren zu bleiben
mein Leben lang, ich war schon Unteroffizier und hatte
den besten Ruf bei der Schwadron, ich wäre gewiß
noch einmal Offizier geworden, und Annerl, Dich hätte
ich doch nicht verlassen, und hätte keine Vornehmere ge¬
freit -- aber der Sohn eines Diebes, der seinen Vater
aus Ehre selbst fangen und richten lassen muß, kann

beſtohlen; mein Herz brach mir, aber ich mußte ſie ge¬
fangen nehmen und den Gerichten übergeben, denn ich
bin ein Soldat meines Fürſten, und meine Ehre erlaubt
mir keine Schonung. Ich habe meinen Vater und Bru¬
der der Rache übergeben um der Ehre willen; ach! bitte
doch Jedermann für mich, daß man mir hier, wo ich
gefallen bin, ein ehrliches Grab neben meiner Mutter
vergönne. Das Kränzlein, durch welches ich mich er¬
ſchoſſen, ſoll die Großmutter der ſchönen Annerl ſchicken
und ſie von mir grüßen, ach! ſie thut mir leid durch
Mark und Bein, aber ſie ſoll doch den Sohn eines Die¬
bes nicht heirathen, denn ſie hat immer viel auf Ehre
gehalten. Liebe ſchöne Annerl, mögeſt Du nicht ſo ſehr
erſchrecken über mich, gieb Dich zufrieden, und wenn
Du mir jemals ein wenig gut warſt, ſo rede nicht ſchlecht
von mir. Ich kann ja nichts für meine Schande! Ich
hatte mir ſo viele Mühe gegeben, in Ehren zu bleiben
mein Leben lang, ich war ſchon Unteroffizier und hatte
den beſten Ruf bei der Schwadron, ich wäre gewiß
noch einmal Offizier geworden, und Annerl, Dich hätte
ich doch nicht verlaſſen, und hätte keine Vornehmere ge¬
freit — aber der Sohn eines Diebes, der ſeinen Vater
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[40/0050] beſtohlen; mein Herz brach mir, aber ich mußte ſie ge¬ fangen nehmen und den Gerichten übergeben, denn ich bin ein Soldat meines Fürſten, und meine Ehre erlaubt mir keine Schonung. Ich habe meinen Vater und Bru¬ der der Rache übergeben um der Ehre willen; ach! bitte doch Jedermann für mich, daß man mir hier, wo ich gefallen bin, ein ehrliches Grab neben meiner Mutter vergönne. Das Kränzlein, durch welches ich mich er¬ ſchoſſen, ſoll die Großmutter der ſchönen Annerl ſchicken und ſie von mir grüßen, ach! ſie thut mir leid durch Mark und Bein, aber ſie ſoll doch den Sohn eines Die¬ bes nicht heirathen, denn ſie hat immer viel auf Ehre gehalten. Liebe ſchöne Annerl, mögeſt Du nicht ſo ſehr erſchrecken über mich, gieb Dich zufrieden, und wenn Du mir jemals ein wenig gut warſt, ſo rede nicht ſchlecht von mir. Ich kann ja nichts für meine Schande! Ich hatte mir ſo viele Mühe gegeben, in Ehren zu bleiben mein Leben lang, ich war ſchon Unteroffizier und hatte den beſten Ruf bei der Schwadron, ich wäre gewiß noch einmal Offizier geworden, und Annerl, Dich hätte ich doch nicht verlaſſen, und hätte keine Vornehmere ge¬ freit — aber der Sohn eines Diebes, der ſeinen Vater aus Ehre ſelbſt fangen und richten laſſen muß, kann

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Zitationshilfe: Brentano, Clemens: Geschichte vom braven Kasperl und dem schönen Annerl. Berlin, 1838, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_kasperl_1838/50>, abgerufen am 16.04.2024.