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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838.

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Der erwachte Sonnenstrahl,
Unten lag die Nacht im Thal.
Unten zwischen finstern Mauern
Sah ich Katzenaugen lauern,
Und ich dankte Gott vertraut,
Daß ich hoch mein Nest gebaut.
Und ich sah die Katze schleichen,
Mit den Kätzchen unten streichen
In den Stall, und hört Geschrei,
Wußt' bald, was geschehen sey;
Denn sie und die Kätzchen alle
Sprangen blutig aus dem Stalle,
Trugen Hühnchen in dem Maul
Und zerrissen sie nicht faul.
Ach, da war ich sehr erschrecket,
Hab' die Flügel ausgestrecket,
Flog ins Nest und deckt' in Ruh
Meine lieben Jungen zu.
Ja ich muß es eingestehen,
Hab' den bösen Mord gesehen,
Und mein kleines Mutterherz
Brach mir schier vor Leid und Schmerz!

Nach diesen Worten krähte Alektryo wieder:

Zeter über Schurrimurri und Gog,
Mack, Venack, Magog und Demagog!
Zeter und Weh und aber Weh!
Und immer und ewig, Herr Jemine!

Nun hörte Gockel noch viele andere Vögel als Zeugen
ab, und alle, vom Storch bis zur Grasmücke, erzählten,
wie sie den Mord durch die Katze gesehen.

Als aber Gockel sich nun zu Frau Hinkel und Gackeleia
wendete und sie beide fragte, wie sie das hätten können ge¬
schehen lassen, da die Gallina doch dicht neben ihrem Ruhe¬
lager gebrütet habe, und wie sie Alles auf den edlen Alektryo

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Der erwachte Sonnenſtrahl,
Unten lag die Nacht im Thal.
Unten zwiſchen finſtern Mauern
Sah ich Katzenaugen lauern,
Und ich dankte Gott vertraut,
Daß ich hoch mein Neſt gebaut.
Und ich ſah die Katze ſchleichen,
Mit den Kaͤtzchen unten ſtreichen
In den Stall, und hoͤrt Geſchrei,
Wußt' bald, was geſchehen ſey;
Denn ſie und die Kaͤtzchen alle
Sprangen blutig aus dem Stalle,
Trugen Huͤhnchen in dem Maul
Und zerriſſen ſie nicht faul.
Ach, da war ich ſehr erſchrecket,
Hab' die Fluͤgel ausgeſtrecket,
Flog ins Neſt und deckt' in Ruh
Meine lieben Jungen zu.
Ja ich muß es eingeſtehen,
Hab' den boͤſen Mord geſehen,
Und mein kleines Mutterherz
Brach mir ſchier vor Leid und Schmerz!

Nach dieſen Worten kraͤhte Alektryo wieder:

Zeter uͤber Schurrimurri und Gog,
Mack, Venack, Magog und Demagog!
Zeter und Weh und aber Weh!
Und immer und ewig, Herr Jemine!

Nun hoͤrte Gockel noch viele andere Voͤgel als Zeugen
ab, und alle, vom Storch bis zur Grasmuͤcke, erzaͤhlten,
wie ſie den Mord durch die Katze geſehen.

Als aber Gockel ſich nun zu Frau Hinkel und Gackeleia
wendete und ſie beide fragte, wie ſie das haͤtten koͤnnen ge¬
ſchehen laſſen, da die Gallina doch dicht neben ihrem Ruhe¬
lager gebruͤtet habe, und wie ſie Alles auf den edlen Alektryo

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[65/0091] Der erwachte Sonnenſtrahl, Unten lag die Nacht im Thal. Unten zwiſchen finſtern Mauern Sah ich Katzenaugen lauern, Und ich dankte Gott vertraut, Daß ich hoch mein Neſt gebaut. Und ich ſah die Katze ſchleichen, Mit den Kaͤtzchen unten ſtreichen In den Stall, und hoͤrt Geſchrei, Wußt' bald, was geſchehen ſey; Denn ſie und die Kaͤtzchen alle Sprangen blutig aus dem Stalle, Trugen Huͤhnchen in dem Maul Und zerriſſen ſie nicht faul. Ach, da war ich ſehr erſchrecket, Hab' die Fluͤgel ausgeſtrecket, Flog ins Neſt und deckt' in Ruh Meine lieben Jungen zu. Ja ich muß es eingeſtehen, Hab' den boͤſen Mord geſehen, Und mein kleines Mutterherz Brach mir ſchier vor Leid und Schmerz! Nach dieſen Worten kraͤhte Alektryo wieder: Zeter uͤber Schurrimurri und Gog, Mack, Venack, Magog und Demagog! Zeter und Weh und aber Weh! Und immer und ewig, Herr Jemine! Nun hoͤrte Gockel noch viele andere Voͤgel als Zeugen ab, und alle, vom Storch bis zur Grasmuͤcke, erzaͤhlten, wie ſie den Mord durch die Katze geſehen. Als aber Gockel ſich nun zu Frau Hinkel und Gackeleia wendete und ſie beide fragte, wie ſie das haͤtten koͤnnen ge¬ ſchehen laſſen, da die Gallina doch dicht neben ihrem Ruhe¬ lager gebruͤtet habe, und wie ſie Alles auf den edlen Alektryo 5

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Zitationshilfe: Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/91>, abgerufen am 26.04.2024.