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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838.

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geschoben hätten, sanken beide auf die Kniee, gestanden
ihr Unrecht unter bitteren Thränen, und versprachen, es niemals
wieder zu thun. Gockel hielt ihnen eine scharfe Ermahnung
und bat den Alektryo, ihnen selbst ihre Strafe zu bestimm¬
men. Der gute Alektryo aber bat für sie und verzieh ihnen
selbst. Gockel sagte nun: "deine Strafe, Frau Hinkel, soll
seyn, daß ich dir und deiner Tochter ein Hühnerbein und
einen Katzenellenbogen in das Wappen setze zum ewigen An¬
denken für eure böse Handlung, und außerdem soll Gacke¬
leia, weil sie die Katze Schurrimurri mit ihren verwegenen
Söhnen, Mack, Benack, Gog, Magog und Demagog sich
heimlich zum Spiele erzogen und durch diese ihre Spielerei
ein solches Unglück angestellt hat, nie eine Puppe besitzen,
nie mit einer Puppe spielen dürfen." Ach, da fiengen Frau
Hinkel und Gackeleia bitterlich zu weinen an.

Gockel befahl nun dem Hahn den Scharfrichter zu ho¬
len, damit die Katze mit ihren Jungen hingerichtet würde.
Da schrie der Hahn und alle Vögel: "das ist die Eule, die
große alte Eule, die dort draus in der hohlen dürren Eiche
mit ihren Jungen sitzt", und sogleich ward die Eule geru¬
fen. Als diese ernsthaft und finster wie ein verhaßtes, ge¬
fürchtetes, von allen andern Vögeln geflohenes Thier mit
ihren Jungen zu der Kapelle mit schweren Flügeln herein¬
rasselte und mit dem Schnabel knappte und hu hu schrie,
und die Augen verdrehte, versteckten sich die Vögel zitternd und
bebend in alle Löcher und Winkel; und Gackeleia verkroch sich
schreiend unter die Schürze ihrer Mutter, welche sich selbst
die Augen zuhielt. Gockel aber legte den Sack, worin die
böse Katze mit ihren Jungen stack, in die Kapelle und die
Eule trat mit ihren drei Jungen vor den Sack hin und
sprach:

Ich komm zu richten und zu rechten
Mit meinen drei Söhnen und Knechten;

geſchoben haͤtten, ſanken beide auf die Kniee, geſtanden
ihr Unrecht unter bitteren Thraͤnen, und verſprachen, es niemals
wieder zu thun. Gockel hielt ihnen eine ſcharfe Ermahnung
und bat den Alektryo, ihnen ſelbſt ihre Strafe zu beſtimm¬
men. Der gute Alektryo aber bat fuͤr ſie und verzieh ihnen
ſelbſt. Gockel ſagte nun: „deine Strafe, Frau Hinkel, ſoll
ſeyn, daß ich dir und deiner Tochter ein Huͤhnerbein und
einen Katzenellenbogen in das Wappen ſetze zum ewigen An¬
denken fuͤr eure boͤſe Handlung, und außerdem ſoll Gacke¬
leia, weil ſie die Katze Schurrimurri mit ihren verwegenen
Soͤhnen, Mack, Benack, Gog, Magog und Demagog ſich
heimlich zum Spiele erzogen und durch dieſe ihre Spielerei
ein ſolches Ungluͤck angeſtellt hat, nie eine Puppe beſitzen,
nie mit einer Puppe ſpielen duͤrfen.” Ach, da fiengen Frau
Hinkel und Gackeleia bitterlich zu weinen an.

Gockel befahl nun dem Hahn den Scharfrichter zu ho¬
len, damit die Katze mit ihren Jungen hingerichtet wuͤrde.
Da ſchrie der Hahn und alle Voͤgel: „das iſt die Eule, die
große alte Eule, die dort draus in der hohlen duͤrren Eiche
mit ihren Jungen sitzt”, und ſogleich ward die Eule geru¬
fen. Als dieſe ernſthaft und finſter wie ein verhaßtes, ge¬
fuͤrchtetes, von allen andern Voͤgeln geflohenes Thier mit
ihren Jungen zu der Kapelle mit ſchweren Fluͤgeln herein¬
raſſelte und mit dem Schnabel knappte und hu hu ſchrie,
und die Augen verdrehte, verſteckten ſich die Voͤgel zitternd und
bebend in alle Loͤcher und Winkel; und Gackeleia verkroch ſich
ſchreiend unter die Schuͤrze ihrer Mutter, welche ſich ſelbſt
die Augen zuhielt. Gockel aber legte den Sack, worin die
boͤſe Katze mit ihren Jungen ſtack, in die Kapelle und die
Eule trat mit ihren drei Jungen vor den Sack hin und
ſprach:

Ich komm zu richten und zu rechten
Mit meinen drei Soͤhnen und Knechten;
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[66/0092] geſchoben haͤtten, ſanken beide auf die Kniee, geſtanden ihr Unrecht unter bitteren Thraͤnen, und verſprachen, es niemals wieder zu thun. Gockel hielt ihnen eine ſcharfe Ermahnung und bat den Alektryo, ihnen ſelbſt ihre Strafe zu beſtimm¬ men. Der gute Alektryo aber bat fuͤr ſie und verzieh ihnen ſelbſt. Gockel ſagte nun: „deine Strafe, Frau Hinkel, ſoll ſeyn, daß ich dir und deiner Tochter ein Huͤhnerbein und einen Katzenellenbogen in das Wappen ſetze zum ewigen An¬ denken fuͤr eure boͤſe Handlung, und außerdem ſoll Gacke¬ leia, weil ſie die Katze Schurrimurri mit ihren verwegenen Soͤhnen, Mack, Benack, Gog, Magog und Demagog ſich heimlich zum Spiele erzogen und durch dieſe ihre Spielerei ein ſolches Ungluͤck angeſtellt hat, nie eine Puppe beſitzen, nie mit einer Puppe ſpielen duͤrfen.” Ach, da fiengen Frau Hinkel und Gackeleia bitterlich zu weinen an. Gockel befahl nun dem Hahn den Scharfrichter zu ho¬ len, damit die Katze mit ihren Jungen hingerichtet wuͤrde. Da ſchrie der Hahn und alle Voͤgel: „das iſt die Eule, die große alte Eule, die dort draus in der hohlen duͤrren Eiche mit ihren Jungen sitzt”, und ſogleich ward die Eule geru¬ fen. Als dieſe ernſthaft und finſter wie ein verhaßtes, ge¬ fuͤrchtetes, von allen andern Voͤgeln geflohenes Thier mit ihren Jungen zu der Kapelle mit ſchweren Fluͤgeln herein¬ raſſelte und mit dem Schnabel knappte und hu hu ſchrie, und die Augen verdrehte, verſteckten ſich die Voͤgel zitternd und bebend in alle Loͤcher und Winkel; und Gackeleia verkroch ſich ſchreiend unter die Schuͤrze ihrer Mutter, welche ſich ſelbſt die Augen zuhielt. Gockel aber legte den Sack, worin die boͤſe Katze mit ihren Jungen ſtack, in die Kapelle und die Eule trat mit ihren drei Jungen vor den Sack hin und ſprach: Ich komm zu richten und zu rechten Mit meinen drei Soͤhnen und Knechten;

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Zitationshilfe: Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/92>, abgerufen am 20.04.2024.