Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838.Daß die wilde Kätzin ohne Rezepisse Und Gewissen die Gallina zerrisse; Sieh, es ist die fleißige, ämsige, sitzende, Giksende, gacksende, kratzende, kritzende Gickel, Gackel, Gallina nicht mehr, Das von weißen, weichen Ginster und Weidenzweigen Zierlich gewickelte, figürlich gezwickelte, fleur-de-lysirte, Gothisch verzierte, stilisirte, persisch ziselirte, Von piependen, trippelnden, nickenden, pickenden Küchelchen wimmelnde Erbhühnernest ist zerrissen, Zerbissen und lee, lee, lee, leer; Zwischen den Splittern zittern und wehen die Federchen rings her, Ich theile gewißlich mit denen, die drum wissen, Das stechende, beissende, böse Gewissen Immer und ewiglich nimmer me, me, me, mehr! Nach dieser sehr beweglichen Aussage der kleinen Schwal¬ "Zeter über Schurrimurri und Gog, Mack, Benack, Magog, Demagog; Zeter und Weh und aber Weh, Und immer und ewig, Herr Jemine!" Bei dem Krähen aber ward der Frau Hinkel und der "Hab Dank Frau Schwalbe, tritt von dem Plan, Nun komm Rothkehlchen als Zeug' heran." Da flog das liebe kleine Rothkehlchen auf einen wilden "Auf des höchsten Giebels Spitze Sang im ersten Sonnenblitze Ich mein Morgenliedlein fromm, Pries den lieben Tag willkomm. Bei mir saß gar freundlich lächelnd, Sich im Morgenlüftchen fächelnd, Daß die wilde Kaͤtzin ohne Rezepiſſe Und Gewiſſen die Gallina zerriſſe; Sieh, es iſt die fleißige, aͤmſige, ſitzende, Gikſende, gackſende, kratzende, kritzende Gickel, Gackel, Gallina nicht mehr, Das von weißen, weichen Ginſter und Weidenzweigen Zierlich gewickelte, figuͤrlich gezwickelte, fleur-de-lyſirte, Gothiſch verzierte, ſtiliſirte, perſiſch ziſelirte, Von piependen, trippelnden, nickenden, pickenden Kuͤchelchen wimmelnde Erbhuͤhnerneſt iſt zerriſſen, Zerbiſſen und lee, lee, lee, leer; Zwiſchen den Splittern zittern und wehen die Federchen rings her, Ich theile gewißlich mit denen, die drum wiſſen, Das ſtechende, beiſſende, boͤſe Gewiſſen Immer und ewiglich nimmer me, me, me, mehr! Nach dieſer ſehr beweglichen Ausſage der kleinen Schwal¬ „Zeter uͤber Schurrimurri und Gog, Mack, Benack, Magog, Demagog; Zeter und Weh und aber Weh, Und immer und ewig, Herr Jemine!“ Bei dem Kraͤhen aber ward der Frau Hinkel und der „Hab Dank Frau Schwalbe, tritt von dem Plan, Nun komm Rothkehlchen als Zeug' heran.“ Da flog das liebe kleine Rothkehlchen auf einen wilden „Auf des hoͤchſten Giebels Spitze Sang im erſten Sonnenblitze Ich mein Morgenliedlein fromm, Pries den lieben Tag willkomm. Bei mir ſaß gar freundlich laͤchelnd, Sich im Morgenluͤftchen faͤchelnd, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0090" n="64"/> <l>Daß die wilde Kaͤtzin ohne Rezepiſſe</l><lb/> <l>Und Gewiſſen die Gallina zerriſſe;</l><lb/> <l>Sieh, es iſt die fleißige, aͤmſige, ſitzende,</l><lb/> <l>Gikſende, gackſende, kratzende, kritzende</l><lb/> <l>Gickel, Gackel, Gallina nicht mehr,</l><lb/> <l>Das von weißen, weichen Ginſter und Weidenzweigen</l><lb/> <l>Zierlich gewickelte, figuͤrlich gezwickelte, fleur-de-lyſirte,</l><lb/> <l>Gothiſch verzierte, ſtiliſirte, perſiſch ziſelirte,</l><lb/> <l>Von piependen, trippelnden, nickenden, pickenden</l><lb/> <l>Kuͤchelchen wimmelnde Erbhuͤhnerneſt iſt zerriſſen,</l><lb/> <l>Zerbiſſen und lee, lee, lee, leer;</l><lb/> <l>Zwiſchen den Splittern zittern und wehen die Federchen rings her,</l><lb/> <l>Ich theile gewißlich mit denen, die drum wiſſen,</l><lb/> <l>Das ſtechende, beiſſende, boͤſe Gewiſſen</l><lb/> <l>Immer und ewiglich nimmer me, me, me, mehr!</l><lb/> </lg> <p>Nach dieſer ſehr beweglichen Ausſage der kleinen Schwal¬<lb/> be kraͤhte Alektryo wieder:</p><lb/> <lg type="poem"> <l>„Zeter uͤber Schurrimurri und Gog,</l><lb/> <l>Mack, Benack, Magog, Demagog;</l><lb/> <l>Zeter und Weh und aber Weh,</l><lb/> <l>Und immer und ewig, Herr Jemine!“</l><lb/> </lg> <p>Bei dem Kraͤhen aber ward der Frau Hinkel und der<lb/> kleinen Gackeleia faſt zu Muthe, wie Einem, der ſeinen Herrn<lb/> verlaͤugnet hat, beim Hahnenſchrei zu Muthe ward. Gockel<lb/> ſprach nun:</p><lb/> <lg type="poem"> <l>„Hab Dank Frau Schwalbe, tritt von dem Plan,</l><lb/> <l>Nun komm Rothkehlchen als Zeug' heran.“</l><lb/> </lg> <p>Da flog das liebe kleine Rothkehlchen auf einen wilden<lb/> Roſenſtrauch in die Naͤhe des Altars und ſagte:</p><lb/> <lg type="poem"> <l>„Auf des hoͤchſten Giebels Spitze</l><lb/> <l>Sang im erſten Sonnenblitze</l><lb/> <l>Ich mein Morgenliedlein fromm,</l><lb/> <l>Pries den lieben Tag willkomm.</l><lb/> <l>Bei mir ſaß gar freundlich laͤchelnd,</l><lb/> <l>Sich im Morgenluͤftchen faͤchelnd,</l><lb/> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [64/0090]
Daß die wilde Kaͤtzin ohne Rezepiſſe
Und Gewiſſen die Gallina zerriſſe;
Sieh, es iſt die fleißige, aͤmſige, ſitzende,
Gikſende, gackſende, kratzende, kritzende
Gickel, Gackel, Gallina nicht mehr,
Das von weißen, weichen Ginſter und Weidenzweigen
Zierlich gewickelte, figuͤrlich gezwickelte, fleur-de-lyſirte,
Gothiſch verzierte, ſtiliſirte, perſiſch ziſelirte,
Von piependen, trippelnden, nickenden, pickenden
Kuͤchelchen wimmelnde Erbhuͤhnerneſt iſt zerriſſen,
Zerbiſſen und lee, lee, lee, leer;
Zwiſchen den Splittern zittern und wehen die Federchen rings her,
Ich theile gewißlich mit denen, die drum wiſſen,
Das ſtechende, beiſſende, boͤſe Gewiſſen
Immer und ewiglich nimmer me, me, me, mehr!
Nach dieſer ſehr beweglichen Ausſage der kleinen Schwal¬
be kraͤhte Alektryo wieder:
„Zeter uͤber Schurrimurri und Gog,
Mack, Benack, Magog, Demagog;
Zeter und Weh und aber Weh,
Und immer und ewig, Herr Jemine!“
Bei dem Kraͤhen aber ward der Frau Hinkel und der
kleinen Gackeleia faſt zu Muthe, wie Einem, der ſeinen Herrn
verlaͤugnet hat, beim Hahnenſchrei zu Muthe ward. Gockel
ſprach nun:
„Hab Dank Frau Schwalbe, tritt von dem Plan,
Nun komm Rothkehlchen als Zeug' heran.“
Da flog das liebe kleine Rothkehlchen auf einen wilden
Roſenſtrauch in die Naͤhe des Altars und ſagte:
„Auf des hoͤchſten Giebels Spitze
Sang im erſten Sonnenblitze
Ich mein Morgenliedlein fromm,
Pries den lieben Tag willkomm.
Bei mir ſaß gar freundlich laͤchelnd,
Sich im Morgenluͤftchen faͤchelnd,
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Zitationshilfe: | Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/90>, abgerufen am 17.02.2025. |