wieder über die Ohren, weil er wohl wußte, es könne ihm bei seiner Anlage zu rheumatischem Kopf-, Zahn- und Oh¬ renweh unmöglich gesund seyn, das nicht mehr dicht be¬ haarte Haupt dem kühlen Nachtthau auszusetzen. Hierauf sprach der treue Alektryo, der nicht von den Ueberresten sei¬ ner Familie wich, zu Gockel:
Wachholderstrauch
Macht guten Rauch.
Zu Stambul hat der Großsultan Wachholder in dem Garten fein Und drum ein goldnes Gitterlein, Er zündet dran die Pfeife an Und hat recht seine Freude dran; Du Gockel brich Wachholder mir Zu dem Castrum Doloris hier.
Da brach Gockel ihm Reiser von einem dort stehenden Wachholderbusch und flocht eine Art Nest daraus, welches er auf die Stufe des Altares setzte. Alektryo legte alle die Beinchen der Gallina und ihrer Jungen in diesem Nest in einen wohlgeordneten Scheiterhaufen zusammen, füllte diesen mit den Federn und legte den Kopf und die Köpfchen der Seinigen darauf.
Indessen blickte Graf Gockel nachdenklicher als je den alten Grabstein an, der hinter dem Altar in der Wand ein¬ gemauert war; es war sein erster Ahnherr, der Urgockel, mit einem Hahnen auf der Schulter und einem ABC-Buch in der Hand, in bedeutender Größe darauf abgebildet, und zu seiner Linken war an der Mauer eine Reihe von Bildern aus seinem Leben in Stein gehauen. Gockel wußte nicht viel von dem Urgockel und noch weniger von der Bedeutung der Bil¬ der; die Hauschronik war mit dem Schloß verbrannt. Er wußte nur den alten Familiengebrauch, daß die Grafen Go¬ ckel immer den Alektryo in Ehren hielten, und daß er ihrem Haus Glück bringe.
wieder uͤber die Ohren, weil er wohl wußte, es koͤnne ihm bei ſeiner Anlage zu rheumatiſchem Kopf-, Zahn- und Oh¬ renweh unmoͤglich geſund ſeyn, das nicht mehr dicht be¬ haarte Haupt dem kuͤhlen Nachtthau auszuſetzen. Hierauf ſprach der treue Alektryo, der nicht von den Ueberreſten ſei¬ ner Familie wich, zu Gockel:
Wachholderſtrauch
Macht guten Rauch.
Zu Stambul hat der Großſultan Wachholder in dem Garten fein Und drum ein goldnes Gitterlein, Er zuͤndet dran die Pfeife an Und hat recht ſeine Freude dran; Du Gockel brich Wachholder mir Zu dem Castrum Doloris hier.
Da brach Gockel ihm Reiſer von einem dort ſtehenden Wachholderbuſch und flocht eine Art Neſt daraus, welches er auf die Stufe des Altares ſetzte. Alektryo legte alle die Beinchen der Gallina und ihrer Jungen in dieſem Neſt in einen wohlgeordneten Scheiterhaufen zuſammen, fuͤllte dieſen mit den Federn und legte den Kopf und die Koͤpfchen der Seinigen darauf.
Indeſſen blickte Graf Gockel nachdenklicher als je den alten Grabſtein an, der hinter dem Altar in der Wand ein¬ gemauert war; es war ſein erſter Ahnherr, der Urgockel, mit einem Hahnen auf der Schulter und einem ABC-Buch in der Hand, in bedeutender Groͤße darauf abgebildet, und zu ſeiner Linken war an der Mauer eine Reihe von Bildern aus ſeinem Leben in Stein gehauen. Gockel wußte nicht viel von dem Urgockel und noch weniger von der Bedeutung der Bil¬ der; die Hauschronik war mit dem Schloß verbrannt. Er wußte nur den alten Familiengebrauch, daß die Grafen Go¬ ckel immer den Alektryo in Ehren hielten, und daß er ihrem Haus Gluͤck bringe.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0076"n="50"/>
wieder uͤber die Ohren, weil er wohl wußte, es koͤnne ihm<lb/>
bei ſeiner Anlage zu rheumatiſchem Kopf-, Zahn- und Oh¬<lb/>
renweh unmoͤglich geſund ſeyn, das nicht mehr dicht be¬<lb/>
haarte Haupt dem kuͤhlen Nachtthau auszuſetzen. Hierauf<lb/>ſprach der treue Alektryo, der nicht von den Ueberreſten ſei¬<lb/>
ner Familie wich, zu Gockel:</p><lb/><lgtype="poem"><lrendition="#et">Wachholderſtrauch</l><lb/><lrendition="#et">Macht guten Rauch.</l><lb/><l>Zu Stambul hat der Großſultan</l><lb/><l>Wachholder in dem Garten fein</l><lb/><l>Und drum ein goldnes Gitterlein,</l><lb/><l>Er zuͤndet dran die Pfeife an</l><lb/><l>Und hat recht ſeine Freude dran;</l><lb/><l>Du Gockel brich Wachholder mir</l><lb/><l>Zu dem <hirendition="#aq">Castrum Doloris</hi> hier.</l><lb/></lg><p>Da brach Gockel ihm Reiſer von einem dort ſtehenden<lb/>
Wachholderbuſch und flocht eine Art Neſt daraus, welches<lb/>
er auf die Stufe des Altares ſetzte. Alektryo legte alle die<lb/>
Beinchen der Gallina und ihrer Jungen in dieſem Neſt in<lb/>
einen wohlgeordneten Scheiterhaufen zuſammen, fuͤllte dieſen<lb/>
mit den Federn und legte den Kopf und die Koͤpfchen der<lb/>
Seinigen darauf.</p><lb/><p>Indeſſen blickte Graf Gockel nachdenklicher als je den<lb/>
alten Grabſtein an, der hinter dem Altar in der Wand ein¬<lb/>
gemauert war; es war ſein erſter Ahnherr, der Urgockel, mit<lb/>
einem Hahnen auf der Schulter und einem ABC-Buch in<lb/>
der Hand, in bedeutender Groͤße darauf abgebildet, und zu<lb/>ſeiner Linken war an der Mauer eine Reihe von Bildern aus<lb/>ſeinem Leben in Stein gehauen. Gockel wußte nicht viel von<lb/>
dem Urgockel und noch weniger von der Bedeutung der Bil¬<lb/>
der; die Hauschronik war mit dem Schloß verbrannt. Er<lb/>
wußte nur den alten Familiengebrauch, daß die Grafen Go¬<lb/>
ckel immer den Alektryo in Ehren hielten, und daß er ihrem<lb/>
Haus Gluͤck bringe.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[50/0076]
wieder uͤber die Ohren, weil er wohl wußte, es koͤnne ihm
bei ſeiner Anlage zu rheumatiſchem Kopf-, Zahn- und Oh¬
renweh unmoͤglich geſund ſeyn, das nicht mehr dicht be¬
haarte Haupt dem kuͤhlen Nachtthau auszuſetzen. Hierauf
ſprach der treue Alektryo, der nicht von den Ueberreſten ſei¬
ner Familie wich, zu Gockel:
Wachholderſtrauch
Macht guten Rauch.
Zu Stambul hat der Großſultan
Wachholder in dem Garten fein
Und drum ein goldnes Gitterlein,
Er zuͤndet dran die Pfeife an
Und hat recht ſeine Freude dran;
Du Gockel brich Wachholder mir
Zu dem Castrum Doloris hier.
Da brach Gockel ihm Reiſer von einem dort ſtehenden
Wachholderbuſch und flocht eine Art Neſt daraus, welches
er auf die Stufe des Altares ſetzte. Alektryo legte alle die
Beinchen der Gallina und ihrer Jungen in dieſem Neſt in
einen wohlgeordneten Scheiterhaufen zuſammen, fuͤllte dieſen
mit den Federn und legte den Kopf und die Koͤpfchen der
Seinigen darauf.
Indeſſen blickte Graf Gockel nachdenklicher als je den
alten Grabſtein an, der hinter dem Altar in der Wand ein¬
gemauert war; es war ſein erſter Ahnherr, der Urgockel, mit
einem Hahnen auf der Schulter und einem ABC-Buch in
der Hand, in bedeutender Groͤße darauf abgebildet, und zu
ſeiner Linken war an der Mauer eine Reihe von Bildern aus
ſeinem Leben in Stein gehauen. Gockel wußte nicht viel von
dem Urgockel und noch weniger von der Bedeutung der Bil¬
der; die Hauschronik war mit dem Schloß verbrannt. Er
wußte nur den alten Familiengebrauch, daß die Grafen Go¬
ckel immer den Alektryo in Ehren hielten, und daß er ihrem
Haus Gluͤck bringe.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/76>, abgerufen am 17.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.