Alektryo einen Bissen Brod geben, der aber schüttelte den Kopf und sprach gar beweglich:
"Alektryo in großer Noth, Gallina todt, die Hühnchen todt, Alektryo will mehr kein Brod, Will sterben durch das Grafenschwert, Wie es ein edler Ritter werth, Verlangt ein ehrlich Halsgericht, Wo Raugraf Gockel das Urtheil spricht, Und über die Katze das Stäblein bricht."
"O Alektryo," sprach Gockel mit Thränen, "ein strenges Gericht soll über die Katze ergehen, deine verstorbene Gal¬ lina und deine dreißig Jungen sollen gerächt werden, und was noch von ihnen übrig ist, soll in einem ehrlichen Grabe bestattet werden; aber du, du mußt bei mir blei¬ ben." Der Hahn blieb immer bei seiner Rede, er müsse in jedem Falle sterben, und wolle ihn Gockel nicht enthaupten, so werde er sich zu Tode hungern; Gockel werde schon heute in der wüsten Schloßkapelle noch Alles erfahren und dann kurzen Proceß machen.
Es war Nacht geworden: als Gockel nach Hause kam. Frau Hinkel und Gackeleia schliefen schon, denn sie erwar¬ teten heute den Vater nicht zurück, weil sie glaubten, er sey mit den Käufern des Alektryo nach der Stadt gegangen. Zuerst schlich sich Gockel nach dem Winkel, wo die mörde¬ rische Katze mit ihren Jungen schlief, Alektryo zeigte ihm den Weg. Gockel ergriff sie alle zusammen und steckte sie in denselben Sack, in welchem Alektryo gefangen gelegen war. Ach wie trauerten Gockel und Alektryo, als sie die Federn und Gebeine der guten ermordeten Gallina und ihrer Küchlein um das Nest der Katze herumliegen sahen. Sie weinten bittere Thränen mit einander und Alektryo sam¬ melte, mit seinem Schnabel herumsuchend, alle Beinchen und Federn der Ermordeten in die Mütze Gockels, der sie ihm
Alektryo einen Biſſen Brod geben, der aber ſchuͤttelte den Kopf und ſprach gar beweglich:
„Alektryo in großer Noth, Gallina todt, die Huͤhnchen todt, Alektryo will mehr kein Brod, Will ſterben durch das Grafenſchwert, Wie es ein edler Ritter werth, Verlangt ein ehrlich Halsgericht, Wo Raugraf Gockel das Urtheil ſpricht, Und uͤber die Katze das Staͤblein bricht.“
„O Alektryo,“ ſprach Gockel mit Thraͤnen, „ein ſtrenges Gericht ſoll uͤber die Katze ergehen, deine verſtorbene Gal¬ lina und deine dreißig Jungen ſollen geraͤcht werden, und was noch von ihnen uͤbrig iſt, ſoll in einem ehrlichen Grabe beſtattet werden; aber du, du mußt bei mir blei¬ ben.“ Der Hahn blieb immer bei ſeiner Rede, er muͤſſe in jedem Falle ſterben, und wolle ihn Gockel nicht enthaupten, ſo werde er ſich zu Tode hungern; Gockel werde ſchon heute in der wuͤſten Schloßkapelle noch Alles erfahren und dann kurzen Proceß machen.
Es war Nacht geworden: als Gockel nach Hauſe kam. Frau Hinkel und Gackeleia ſchliefen ſchon, denn ſie erwar¬ teten heute den Vater nicht zuruͤck, weil ſie glaubten, er ſey mit den Kaͤufern des Alektryo nach der Stadt gegangen. Zuerſt ſchlich ſich Gockel nach dem Winkel, wo die moͤrde¬ riſche Katze mit ihren Jungen ſchlief, Alektryo zeigte ihm den Weg. Gockel ergriff ſie alle zuſammen und ſteckte ſie in denſelben Sack, in welchem Alektryo gefangen gelegen war. Ach wie trauerten Gockel und Alektryo, als ſie die Federn und Gebeine der guten ermordeten Gallina und ihrer Kuͤchlein um das Neſt der Katze herumliegen ſahen. Sie weinten bittere Thraͤnen mit einander und Alektryo ſam¬ melte, mit ſeinem Schnabel herumſuchend, alle Beinchen und Federn der Ermordeten in die Muͤtze Gockels, der ſie ihm
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Alektryo einen Biſſen Brod geben, der aber ſchuͤttelte den
Kopf und ſprach gar beweglich:
„Alektryo in großer Noth,
Gallina todt, die Huͤhnchen todt,
Alektryo will mehr kein Brod,
Will ſterben durch das Grafenſchwert,
Wie es ein edler Ritter werth,
Verlangt ein ehrlich Halsgericht,
Wo Raugraf Gockel das Urtheil ſpricht,
Und uͤber die Katze das Staͤblein bricht.“
„O Alektryo,“ ſprach Gockel mit Thraͤnen, „ein ſtrenges
Gericht ſoll uͤber die Katze ergehen, deine verſtorbene Gal¬
lina und deine dreißig Jungen ſollen geraͤcht werden, und
was noch von ihnen uͤbrig iſt, ſoll in einem ehrlichen
Grabe beſtattet werden; aber du, du mußt bei mir blei¬
ben.“ Der Hahn blieb immer bei ſeiner Rede, er muͤſſe in
jedem Falle ſterben, und wolle ihn Gockel nicht enthaupten,
ſo werde er ſich zu Tode hungern; Gockel werde ſchon heute
in der wuͤſten Schloßkapelle noch Alles erfahren und dann
kurzen Proceß machen.
Es war Nacht geworden: als Gockel nach Hauſe kam.
Frau Hinkel und Gackeleia ſchliefen ſchon, denn ſie erwar¬
teten heute den Vater nicht zuruͤck, weil ſie glaubten, er ſey
mit den Kaͤufern des Alektryo nach der Stadt gegangen.
Zuerſt ſchlich ſich Gockel nach dem Winkel, wo die moͤrde¬
riſche Katze mit ihren Jungen ſchlief, Alektryo zeigte ihm
den Weg. Gockel ergriff ſie alle zuſammen und ſteckte ſie
in denſelben Sack, in welchem Alektryo gefangen gelegen
war. Ach wie trauerten Gockel und Alektryo, als ſie die
Federn und Gebeine der guten ermordeten Gallina und
ihrer Kuͤchlein um das Neſt der Katze herumliegen ſahen.
Sie weinten bittere Thraͤnen mit einander und Alektryo ſam¬
melte, mit ſeinem Schnabel herumſuchend, alle Beinchen und
Federn der Ermordeten in die Muͤtze Gockels, der ſie ihm
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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/71>, abgerufen am 17.02.2025.
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