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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838.

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lernen die Kabbala, Gicks Gacks und Kikriki, die große
Alektryomantie, bis wir endlich den Spruch auf dem Grab¬
stein in der Burg Gockels verstehen konnten. -- Weh, Alles
umsonst, Alles verloren! Wenn wir nur aus dem Loche
wären, und wer bezahlt mir nun die Katze, die ich mit
ihren fünf Jungen selbst aus meinem Beutel gekauft und
in das Schloß gesetzt habe, damit sie die Gallina sammt
der Brut fressen sollte, auf daß dem Gockel der Hahn feil
würde? Wer bezahlt mir die Katze? ich will mein Geld
für die Katze. Hätte ich ihr den Pelz doch abziehen
und sie als einen Hasen verkaufen und den Pelz auch ver¬
kaufen können, ich will mein Geld für die Katze! Die
Katze ist verloren, der Ring ist verloren, der einem giebt,
Herz was verlangst du? Jugend und Reichthum, alle Güter
der Welt! -- Geld! -- Geld! -- Geld! -- Geld!" --

Da Gockel über ihr Geschrei lachen mußte, glaubte der
erste Petschierstecher, der zweite habe ihn ausgelacht, und
schlug nach ihm; der schrie und sagte, der dritte sey es ge¬
wesen; da schlug dieser nach ihm und daraus entstand eine
allgemeine Prügelei unter den Dreien, worüber Gockel mit
Alektryo die Grube verließ und nach seinem Schloße in tie¬
fen Gedanken zurückgieng.

Gockel hatte gar vieles erfahren, die Lüge der Frau
Hinkel und der kleinen Gackeleia, die Anwesenheit einer al¬
ten Schrift auf einem Grabstein in seiner Schloßkapelle, das
Geheimniß von dem Siegelring in des Hahnen Kropf und
die ganze Betrügerei der morgenländischen Petschierstecher.
Alles dieses machte ihn gar tiefsinnig und betrübt; er drückte
den edlen Hahn Alektryo einmal um das andremal an sein
Herz und sagte zu ihm: "nein, du geliebter, ehrwürdiger,
kostbarer Alektryo, und wenn du den Stein der Weisen in
deinem Kropf hättest, du sollst darum durch meine Hand
nicht sterben, und ehe Gockel nicht verhungert, sollst du auch
nicht umkommen." Nach diesen Worten wollte Gockel dem

lernen die Kabbala, Gicks Gacks und Kikriki, die große
Alektryomantie, bis wir endlich den Spruch auf dem Grab¬
ſtein in der Burg Gockels verſtehen konnten. — Weh, Alles
umſonſt, Alles verloren! Wenn wir nur aus dem Loche
waͤren, und wer bezahlt mir nun die Katze, die ich mit
ihren fuͤnf Jungen ſelbſt aus meinem Beutel gekauft und
in das Schloß geſetzt habe, damit ſie die Gallina ſammt
der Brut freſſen ſollte, auf daß dem Gockel der Hahn feil
wuͤrde? Wer bezahlt mir die Katze? ich will mein Geld
fuͤr die Katze. Haͤtte ich ihr den Pelz doch abziehen
und ſie als einen Haſen verkaufen und den Pelz auch ver¬
kaufen koͤnnen, ich will mein Geld fuͤr die Katze! Die
Katze iſt verloren, der Ring iſt verloren, der einem giebt,
Herz was verlangſt du? Jugend und Reichthum, alle Guͤter
der Welt! — Geld! — Geld! — Geld! — Geld!“ —

Da Gockel uͤber ihr Geſchrei lachen mußte, glaubte der
erſte Petſchierſtecher, der zweite habe ihn ausgelacht, und
ſchlug nach ihm; der ſchrie und ſagte, der dritte ſey es ge¬
weſen; da ſchlug dieſer nach ihm und daraus entſtand eine
allgemeine Pruͤgelei unter den Dreien, woruͤber Gockel mit
Alektryo die Grube verließ und nach ſeinem Schloße in tie¬
fen Gedanken zuruͤckgieng.

Gockel hatte gar vieles erfahren, die Luͤge der Frau
Hinkel und der kleinen Gackeleia, die Anweſenheit einer al¬
ten Schrift auf einem Grabſtein in ſeiner Schloßkapelle, das
Geheimniß von dem Siegelring in des Hahnen Kropf und
die ganze Betruͤgerei der morgenlaͤndiſchen Petſchierſtecher.
Alles dieſes machte ihn gar tiefſinnig und betruͤbt; er druͤckte
den edlen Hahn Alektryo einmal um das andremal an ſein
Herz und ſagte zu ihm: „nein, du geliebter, ehrwuͤrdiger,
koſtbarer Alektryo, und wenn du den Stein der Weiſen in
deinem Kropf haͤtteſt, du ſollſt darum durch meine Hand
nicht ſterben, und ehe Gockel nicht verhungert, ſollſt du auch
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[44/0070] lernen die Kabbala, Gicks Gacks und Kikriki, die große Alektryomantie, bis wir endlich den Spruch auf dem Grab¬ ſtein in der Burg Gockels verſtehen konnten. — Weh, Alles umſonſt, Alles verloren! Wenn wir nur aus dem Loche waͤren, und wer bezahlt mir nun die Katze, die ich mit ihren fuͤnf Jungen ſelbſt aus meinem Beutel gekauft und in das Schloß geſetzt habe, damit ſie die Gallina ſammt der Brut freſſen ſollte, auf daß dem Gockel der Hahn feil wuͤrde? Wer bezahlt mir die Katze? ich will mein Geld fuͤr die Katze. Haͤtte ich ihr den Pelz doch abziehen und ſie als einen Haſen verkaufen und den Pelz auch ver¬ kaufen koͤnnen, ich will mein Geld fuͤr die Katze! Die Katze iſt verloren, der Ring iſt verloren, der einem giebt, Herz was verlangſt du? Jugend und Reichthum, alle Guͤter der Welt! — Geld! — Geld! — Geld! — Geld!“ — Da Gockel uͤber ihr Geſchrei lachen mußte, glaubte der erſte Petſchierſtecher, der zweite habe ihn ausgelacht, und ſchlug nach ihm; der ſchrie und ſagte, der dritte ſey es ge¬ weſen; da ſchlug dieſer nach ihm und daraus entſtand eine allgemeine Pruͤgelei unter den Dreien, woruͤber Gockel mit Alektryo die Grube verließ und nach ſeinem Schloße in tie¬ fen Gedanken zuruͤckgieng. Gockel hatte gar vieles erfahren, die Luͤge der Frau Hinkel und der kleinen Gackeleia, die Anweſenheit einer al¬ ten Schrift auf einem Grabſtein in ſeiner Schloßkapelle, das Geheimniß von dem Siegelring in des Hahnen Kropf und die ganze Betruͤgerei der morgenlaͤndiſchen Petſchierſtecher. Alles dieſes machte ihn gar tiefſinnig und betruͤbt; er druͤckte den edlen Hahn Alektryo einmal um das andremal an ſein Herz und ſagte zu ihm: „nein, du geliebter, ehrwuͤrdiger, koſtbarer Alektryo, und wenn du den Stein der Weiſen in deinem Kropf haͤtteſt, du ſollſt darum durch meine Hand nicht ſterben, und ehe Gockel nicht verhungert, ſollſt du auch nicht umkommen.“ Nach dieſen Worten wollte Gockel dem

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Zitationshilfe: Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/70>, abgerufen am 25.04.2024.