hiezu hinhielt. Dann sprach Alektryo zu Gockel, indem er traurig vor ihm herschritt, Kamm und Schweif niedersenkte und die Flügel hängen ließ, als begleite er wie ein Kriegs¬ mann mit gesenkter Fahne und niedergewendetem Gewehr eine Leiche zu Grab:
Nun folg mir zur Kapelle, Daß diese theure Last Dort find' an heil'ger Schwelle Auf ewig Ruh und Rast.
So giengen sie wie ein stiller Leichenzug zu der wüsten Kapelle, Alektryo sang eine leise Lamentation und die Vö¬ gel aus dem Schlafe erwachend guckten hie und da aus den Nestern und lamentirten, ohne die einfache Würde der erha¬ benen Trauerzeremonie zu stören, in sanfter Harmonie ein bischen mit. Der Himmel selbst hatte seine Sterne mit Wolken verhüllt und der Mond, mit Thränen im Auge, schimmerte bleich durch einen Schleier der Wehmuth. Die halbe Natur stimmte in das schöne Ganze dieser eben so rüh¬ renden als würdigen Feier mit ein, wobei auch die so sinnige Mitwirkung der Büsche und Kräuter und Blumen rühmlich zu erwähnen ist, denn die Glockenblumen, die ehr- und tu¬ gendsame Jungfer Campana läutet ganz mitleidig mit allen ihren blauen Glocken, und die bewußten weißen Rosen, die bei Feierlichkeiten immer so beliebten weißgekleideten Mäd¬ chen, gossen Schalen voll reichlichen Thränenthaus vor dem Zuge aus; man bemerkte unter den Leidtragenden die so acht¬ bare Klagejungfrau Rosmarin, die demüthige Familie Thy¬ mian, die Miß Lavendel, die Comtesse Quentel und viele andre edle Familien. Auch die barmherzigen Schwestern Jungfer Melissa, Krausemüntze, Kamille, Schaafgarbe, Königskerze, Ehrenpreiß, Baldrian, Himmelsschlüßel be¬ wiesen ihre innigste Theilnahme. Vor allen andern des schö¬ nen Blumengeschlechtes aber beurkundete Fräulein Reseda, welche so oft im Wochenblättchen anzeigt, daß sie mehr auf
hiezu hinhielt. Dann ſprach Alektryo zu Gockel, indem er traurig vor ihm herſchritt, Kamm und Schweif niederſenkte und die Fluͤgel haͤngen ließ, als begleite er wie ein Kriegs¬ mann mit geſenkter Fahne und niedergewendetem Gewehr eine Leiche zu Grab:
Nun folg mir zur Kapelle, Daß dieſe theure Laſt Dort find' an heil'ger Schwelle Auf ewig Ruh und Raſt.
So giengen ſie wie ein ſtiller Leichenzug zu der wuͤſten Kapelle, Alektryo ſang eine leiſe Lamentation und die Voͤ¬ gel aus dem Schlafe erwachend guckten hie und da aus den Neſtern und lamentirten, ohne die einfache Wuͤrde der erha¬ benen Trauerzeremonie zu ſtoͤren, in ſanfter Harmonie ein bischen mit. Der Himmel ſelbſt hatte ſeine Sterne mit Wolken verhuͤllt und der Mond, mit Thraͤnen im Auge, ſchimmerte bleich durch einen Schleier der Wehmuth. Die halbe Natur ſtimmte in das ſchoͤne Ganze dieſer eben ſo ruͤh¬ renden als wuͤrdigen Feier mit ein, wobei auch die ſo ſinnige Mitwirkung der Buͤſche und Kraͤuter und Blumen ruͤhmlich zu erwaͤhnen iſt, denn die Glockenblumen, die ehr- und tu¬ gendſame Jungfer Campana laͤutet ganz mitleidig mit allen ihren blauen Glocken, und die bewußten weißen Roſen, die bei Feierlichkeiten immer ſo beliebten weißgekleideten Maͤd¬ chen, goſſen Schalen voll reichlichen Thraͤnenthaus vor dem Zuge aus; man bemerkte unter den Leidtragenden die ſo acht¬ bare Klagejungfrau Rosmarin, die demuͤthige Familie Thy¬ mian, die Miß Lavendel, die Comteſſe Quentel und viele andre edle Familien. Auch die barmherzigen Schweſtern Jungfer Meliſſa, Krauſemuͤntze, Kamille, Schaafgarbe, Koͤnigskerze, Ehrenpreiß, Baldrian, Himmelsſchluͤßel be¬ wieſen ihre innigſte Theilnahme. Vor allen andern des ſchoͤ¬ nen Blumengeſchlechtes aber beurkundete Fraͤulein Reſeda, welche ſo oft im Wochenblaͤttchen anzeigt, daß ſie mehr auf
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hiezu hinhielt. Dann ſprach Alektryo zu Gockel, indem er
traurig vor ihm herſchritt, Kamm und Schweif niederſenkte
und die Fluͤgel haͤngen ließ, als begleite er wie ein Kriegs¬
mann mit geſenkter Fahne und niedergewendetem Gewehr eine
Leiche zu Grab:
Nun folg mir zur Kapelle,
Daß dieſe theure Laſt
Dort find' an heil'ger Schwelle
Auf ewig Ruh und Raſt.
So giengen ſie wie ein ſtiller Leichenzug zu der wuͤſten
Kapelle, Alektryo ſang eine leiſe Lamentation und die Voͤ¬
gel aus dem Schlafe erwachend guckten hie und da aus den
Neſtern und lamentirten, ohne die einfache Wuͤrde der erha¬
benen Trauerzeremonie zu ſtoͤren, in ſanfter Harmonie ein
bischen mit. Der Himmel ſelbſt hatte ſeine Sterne mit
Wolken verhuͤllt und der Mond, mit Thraͤnen im Auge,
ſchimmerte bleich durch einen Schleier der Wehmuth. Die
halbe Natur ſtimmte in das ſchoͤne Ganze dieſer eben ſo ruͤh¬
renden als wuͤrdigen Feier mit ein, wobei auch die ſo ſinnige
Mitwirkung der Buͤſche und Kraͤuter und Blumen ruͤhmlich
zu erwaͤhnen iſt, denn die Glockenblumen, die ehr- und tu¬
gendſame Jungfer Campana laͤutet ganz mitleidig mit allen
ihren blauen Glocken, und die bewußten weißen Roſen, die
bei Feierlichkeiten immer ſo beliebten weißgekleideten Maͤd¬
chen, goſſen Schalen voll reichlichen Thraͤnenthaus vor dem
Zuge aus; man bemerkte unter den Leidtragenden die ſo acht¬
bare Klagejungfrau Rosmarin, die demuͤthige Familie Thy¬
mian, die Miß Lavendel, die Comteſſe Quentel und viele
andre edle Familien. Auch die barmherzigen Schweſtern
Jungfer Meliſſa, Krauſemuͤntze, Kamille, Schaafgarbe,
Koͤnigskerze, Ehrenpreiß, Baldrian, Himmelsſchluͤßel be¬
wieſen ihre innigſte Theilnahme. Vor allen andern des ſchoͤ¬
nen Blumengeſchlechtes aber beurkundete Fraͤulein Reſeda,
welche ſo oft im Wochenblaͤttchen anzeigt, daß ſie mehr auf
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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/72>, abgerufen am 23.11.2024.
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