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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838.

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greift mit leeren Händen. Ja, wenn der Handel mit Vieh,
mit alten Kleidern und Hasenpelzen nicht wäre -- Herr
Graf! -- wahrhaftig die hohen Wissenschaften machen die
Suppe nicht fett." -- "Also, daß ich meine Rede nicht
vergesse, wollen der Herr Graf sich nicht ein Petschaft ste¬
chen lassen? -- denn wir sehen, daß sie Ihr Siegel in den
Händen haben, welches ein Siegel des Gleichnisses, voll
der Weisheit und ausnehmend schön ist."

"Ach," sagte Gockel, "ich möchte mein Wappen lieber
ganz vernichten, denn der Hahn Alektryo, der darauf abge¬
bildet ist, hat uns schändlich betrogen," und nun erzählte
er ihnen sein ganzes Unglück. -- "Sehen der Herr Graf,"
sagte der eine Petschierstecher, "wie gut wir es mit Ihnen
gemeint, da wir Ihnen neulich den Hahn abkaufen wollten;
haben wir nicht gesagt, Sie würden ihn nächstens vielleicht
gern los werden, wenn ihn nur Jemand wollte, das lehrte
uns die Prophetenkunst."

"Wie so, gut gemeint," sagte Gockel, "wie konntet
ihr denn wissen, daß mich der Hahn in solches Leid versetzen
werde?" Da erwiederte der eine Morgenländer: "dieß Leid
ist ja deutlich in dem alten Familienspruch ausgesprochen,
welchen unsre Vorältern selbst auf die goldne Siegelbüchse
gestochen haben; weswegen auch abgekürzt unter dem Spru¬
che steht, daß durch diese Arbeit Gockel dem Kopf, dem
Kropf, dem Siegel Brod gab, und aus Dankbarkeit
für dieses Brod, das Ihre Vorältern den unsern gegeben,
wollten wir, da der Herr Graf in Ungnade und Armuth
gerathen ist, Ihro Excellenz den Hahn abkaufen, weiteres
Unglück von Ihnen abzuwenden."

"Das ist dankenswerth," erwiederte Gockel, "aber ich
sehe in dem Spruche gar keine Unglücksprophezeiung, son¬
dern gerade das Gegentheil; steht nicht in den Worten:

Alektryo bringt dir Glücke selbst um Undank.
ganz deutlich ausgesprochen, daß der Hahn selbst für Un¬

greift mit leeren Haͤnden. Ja, wenn der Handel mit Vieh,
mit alten Kleidern und Haſenpelzen nicht waͤre — Herr
Graf! — wahrhaftig die hohen Wiſſenſchaften machen die
Suppe nicht fett.“ — „Alſo, daß ich meine Rede nicht
vergeſſe, wollen der Herr Graf ſich nicht ein Petſchaft ſte¬
chen laſſen? — denn wir ſehen, daß ſie Ihr Siegel in den
Haͤnden haben, welches ein Siegel des Gleichniſſes, voll
der Weisheit und ausnehmend ſchoͤn iſt.“

„Ach,“ ſagte Gockel, „ich moͤchte mein Wappen lieber
ganz vernichten, denn der Hahn Alektryo, der darauf abge¬
bildet iſt, hat uns ſchaͤndlich betrogen,“ und nun erzaͤhlte
er ihnen ſein ganzes Ungluͤck. — „Sehen der Herr Graf,“
ſagte der eine Petſchierſtecher, „wie gut wir es mit Ihnen
gemeint, da wir Ihnen neulich den Hahn abkaufen wollten;
haben wir nicht geſagt, Sie wuͤrden ihn naͤchſtens vielleicht
gern los werden, wenn ihn nur Jemand wollte, das lehrte
uns die Prophetenkunſt.“

„Wie ſo, gut gemeint,“ ſagte Gockel, „wie konntet
ihr denn wiſſen, daß mich der Hahn in ſolches Leid verſetzen
werde?“ Da erwiederte der eine Morgenlaͤnder: „dieß Leid
iſt ja deutlich in dem alten Familienſpruch ausgeſprochen,
welchen unſre Voraͤltern ſelbſt auf die goldne Siegelbuͤchſe
geſtochen haben; weswegen auch abgekuͤrzt unter dem Spru¬
che ſteht, daß durch dieſe Arbeit Gockel dem Kopf, dem
Kropf, dem Siegel Brod gab, und aus Dankbarkeit
fuͤr dieſes Brod, das Ihre Voraͤltern den unſern gegeben,
wollten wir, da der Herr Graf in Ungnade und Armuth
gerathen iſt, Ihro Excellenz den Hahn abkaufen, weiteres
Ungluͤck von Ihnen abzuwenden.“

„Das iſt dankenswerth,“ erwiederte Gockel, „aber ich
ſehe in dem Spruche gar keine Ungluͤcksprophezeiung, ſon¬
dern gerade das Gegentheil; ſteht nicht in den Worten:

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[39/0065] greift mit leeren Haͤnden. Ja, wenn der Handel mit Vieh, mit alten Kleidern und Haſenpelzen nicht waͤre — Herr Graf! — wahrhaftig die hohen Wiſſenſchaften machen die Suppe nicht fett.“ — „Alſo, daß ich meine Rede nicht vergeſſe, wollen der Herr Graf ſich nicht ein Petſchaft ſte¬ chen laſſen? — denn wir ſehen, daß ſie Ihr Siegel in den Haͤnden haben, welches ein Siegel des Gleichniſſes, voll der Weisheit und ausnehmend ſchoͤn iſt.“ „Ach,“ ſagte Gockel, „ich moͤchte mein Wappen lieber ganz vernichten, denn der Hahn Alektryo, der darauf abge¬ bildet iſt, hat uns ſchaͤndlich betrogen,“ und nun erzaͤhlte er ihnen ſein ganzes Ungluͤck. — „Sehen der Herr Graf,“ ſagte der eine Petſchierſtecher, „wie gut wir es mit Ihnen gemeint, da wir Ihnen neulich den Hahn abkaufen wollten; haben wir nicht geſagt, Sie wuͤrden ihn naͤchſtens vielleicht gern los werden, wenn ihn nur Jemand wollte, das lehrte uns die Prophetenkunſt.“ „Wie ſo, gut gemeint,“ ſagte Gockel, „wie konntet ihr denn wiſſen, daß mich der Hahn in ſolches Leid verſetzen werde?“ Da erwiederte der eine Morgenlaͤnder: „dieß Leid iſt ja deutlich in dem alten Familienſpruch ausgeſprochen, welchen unſre Voraͤltern ſelbſt auf die goldne Siegelbuͤchſe geſtochen haben; weswegen auch abgekuͤrzt unter dem Spru¬ che ſteht, daß durch dieſe Arbeit Gockel dem Kopf, dem Kropf, dem Siegel Brod gab, und aus Dankbarkeit fuͤr dieſes Brod, das Ihre Voraͤltern den unſern gegeben, wollten wir, da der Herr Graf in Ungnade und Armuth gerathen iſt, Ihro Excellenz den Hahn abkaufen, weiteres Ungluͤck von Ihnen abzuwenden.“ „Das iſt dankenswerth,“ erwiederte Gockel, „aber ich ſehe in dem Spruche gar keine Ungluͤcksprophezeiung, ſon¬ dern gerade das Gegentheil; ſteht nicht in den Worten: Alektryo bringt dir Gluͤcke ſelbſt um Undank. ganz deutlich ausgeſprochen, daß der Hahn ſelbſt fuͤr Un¬

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Zitationshilfe: Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/65>, abgerufen am 28.03.2024.