milienwappen in Wachs abgebildet ist, steht ein alter Fa¬ milienspruch, nach welchem ich mit allen meinen Vorfahren, von dem Geschlechte des Alektryo unser Glück erwartete. Die schriftliche Urkunde davon ist bei der Verbrennung un¬ seres Schlosses verloren gegangen, mein Großvater hat den Spruch aber zum ewigen Angedenken auf die goldene Sie¬ gelbüchse stechen lassen. Er lautet ganz klar: "Alektryo bringt dir Glücke selbst um Un¬ dank. Gockel -- Kopf -- Kropf -- Siegel -- Brod gab. Was aber die Worte: Kopf, Kropf, Siegel, Brod gab, bedeuten sollen, weiß ich nicht."
Als er kaum die Worte ausgesprochen hatte, traten die drei Petschierstecher, die ihm neulich den Hahn abkaufen wollten, aus dem Gebüsch und sprachen: "was befehlen der Herr Graf Gockel von Hanau von uns?" -- "Wie so," sagte Gockel unwillig, "was soll ich befehlen?" -- "Der Herr Graf," antworteten die Männer, "haben doch unsre Namen, Kopf, Kropf und Siegel zweimal ausgesprochen, denn so heißen wir, seit unsre Vorältern nach Deutschland gezogen. -- Aber vielleicht wollen der Herr Graf sich ein neues Petschaft stechen lassen; denn außerdem, daß wir in der Astrologie, Physiognomie, Chiromantie, Geomantie, Alek¬ tryomantie, Coscinomantie, Hydromantie, Crystallomantie, Cabbala, Goetie, Diplomatie und Prophetie unbegreiflich billige Privatstunden geben, und daß wir Hühneraugen schnei¬ den, zerbrochenes Porzellain kitten und Kaffeemühlen scharf machen, sind wir hauptsächlich Petschierstecher, was durch¬ aus zur Diplomatie, wegen der Siegelkenntniß an den Ur¬ kunden, und zur Verfertigung der Talismane nöthig ist. Ach, Herr Graf! es gehört heut zu Tag ein entsetzlicher Umfang dazu, um in den Wissenschaften komplett zu seyn; es werden grausame Forderungen gemacht, und was hat man davon, nichts als die Ehre, daß Alles in einander
milienwappen in Wachs abgebildet iſt, ſteht ein alter Fa¬ milienſpruch, nach welchem ich mit allen meinen Vorfahren, von dem Geſchlechte des Alektryo unſer Gluͤck erwartete. Die ſchriftliche Urkunde davon iſt bei der Verbrennung un¬ ſeres Schloſſes verloren gegangen, mein Großvater hat den Spruch aber zum ewigen Angedenken auf die goldene Sie¬ gelbuͤchſe ſtechen laſſen. Er lautet ganz klar: „Alektryo bringt dir Gluͤcke ſelbſt um Un¬ dank. Gockel — Kopf — Kropf — Siegel — Brod gab. Was aber die Worte: Kopf, Kropf, Siegel, Brod gab, bedeuten ſollen, weiß ich nicht.“
Als er kaum die Worte ausgeſprochen hatte, traten die drei Petſchierſtecher, die ihm neulich den Hahn abkaufen wollten, aus dem Gebuͤſch und ſprachen: „was befehlen der Herr Graf Gockel von Hanau von uns?“ — „Wie ſo,“ ſagte Gockel unwillig, „was ſoll ich befehlen?“ — „Der Herr Graf,“ antworteten die Maͤnner, „haben doch unſre Namen, Kopf, Kropf und Siegel zweimal ausgeſprochen, denn ſo heißen wir, ſeit unſre Voraͤltern nach Deutſchland gezogen. — Aber vielleicht wollen der Herr Graf ſich ein neues Petſchaft ſtechen laſſen; denn außerdem, daß wir in der Aſtrologie, Phyſiognomie, Chiromantie, Geomantie, Alek¬ tryomantie, Coscinomantie, Hydromantie, Cryſtallomantie, Cabbala, Goetie, Diplomatie und Prophetie unbegreiflich billige Privatſtunden geben, und daß wir Huͤhneraugen ſchnei¬ den, zerbrochenes Porzellain kitten und Kaffeemuͤhlen ſcharf machen, ſind wir hauptſaͤchlich Petſchierſtecher, was durch¬ aus zur Diplomatie, wegen der Siegelkenntniß an den Ur¬ kunden, und zur Verfertigung der Talismane noͤthig iſt. Ach, Herr Graf! es gehoͤrt heut zu Tag ein entſetzlicher Umfang dazu, um in den Wiſſenſchaften komplett zu ſeyn; es werden grauſame Forderungen gemacht, und was hat man davon, nichts als die Ehre, daß Alles in einander
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milienwappen in Wachs abgebildet iſt, ſteht ein alter Fa¬
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von dem Geſchlechte des Alektryo unſer Gluͤck erwartete.
Die ſchriftliche Urkunde davon iſt bei der Verbrennung un¬
ſeres Schloſſes verloren gegangen, mein Großvater hat den
Spruch aber zum ewigen Angedenken auf die goldene Sie¬
gelbuͤchſe ſtechen laſſen. Er lautet ganz klar:
„Alektryo bringt dir Gluͤcke ſelbſt um Un¬
dank. Gockel — Kopf — Kropf — Siegel —
Brod gab.
Was aber die Worte: Kopf, Kropf, Siegel, Brod gab,
bedeuten ſollen, weiß ich nicht.“
Als er kaum die Worte ausgeſprochen hatte, traten die
drei Petſchierſtecher, die ihm neulich den Hahn abkaufen
wollten, aus dem Gebuͤſch und ſprachen: „was befehlen der
Herr Graf Gockel von Hanau von uns?“ — „Wie ſo,“
ſagte Gockel unwillig, „was ſoll ich befehlen?“ — „Der
Herr Graf,“ antworteten die Maͤnner, „haben doch unſre
Namen, Kopf, Kropf und Siegel zweimal ausgeſprochen,
denn ſo heißen wir, ſeit unſre Voraͤltern nach Deutſchland
gezogen. — Aber vielleicht wollen der Herr Graf ſich ein
neues Petſchaft ſtechen laſſen; denn außerdem, daß wir in
der Aſtrologie, Phyſiognomie, Chiromantie, Geomantie, Alek¬
tryomantie, Coscinomantie, Hydromantie, Cryſtallomantie,
Cabbala, Goetie, Diplomatie und Prophetie unbegreiflich
billige Privatſtunden geben, und daß wir Huͤhneraugen ſchnei¬
den, zerbrochenes Porzellain kitten und Kaffeemuͤhlen ſcharf
machen, ſind wir hauptſaͤchlich Petſchierſtecher, was durch¬
aus zur Diplomatie, wegen der Siegelkenntniß an den Ur¬
kunden, und zur Verfertigung der Talismane noͤthig iſt.
Ach, Herr Graf! es gehoͤrt heut zu Tag ein entſetzlicher
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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/64>, abgerufen am 23.11.2024.
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