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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838.

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seu und Gockels Prosit plötzlich, der Nebel zerriß, die Sonne
stand am blauen Himmel, aller Schnupfen fiel mir wie Schup¬
pen von den Augen, ich war lustig und froh wie ein Kind
und hätte allen Menschen mögen um den Hals fallen. An¬
fangs ärgerte mich das noch ein wenig, darum mag es hier
stehen, aber weil auch dieser Aerger bald ganz abzog -- so
will ich Nichts weiter sagen.

Als wir die Kapelle verließen, gab mir Gockel den Ring
Salomonis wieder, und ich drehte ihn geschwind mit dem
Wunsche, mein Tagebuch zu haben, um zu sehen, ob mehr
darin stehe, als hier geschrieben steht; da trat auf einmal
das Büblein zu mir hin mit dem Buche. Es bückte sich
und wollte Staub vom Boden auf die frische Schrift streuen
und dann die Feder an den Aermel wischen, ich klopfte ihm
aber auf die Finger und sagte: "pfui," und drehte den Ring
Salomonis mit den Worten:

Salomo du weiser König,
Dem die Geister unterthänig,
Bilde aus dem Nebel mir
Gleich rein Seidenlöschpapier.
Zephyr soll ein ganzes Buch,
Wie gewebt aus Wohlgeruch,
Sänftlich zu mir niederhauchen,
Nach Belieben es zu brauchen.
Vieles leg ich auf die Locken,
Bis sie von dem Thaue trocken,
Ein Blatt muß ins Tagbuch hier,
Denn sonst möchte das Geschmier
Von dem Büblein es beschmutzen,
Ein Blatt mag es selbst benutzen,
Seine Feder auszuputzen.
Ringlein, Ringlein dreh dich um
Schnell ein Fließblatt! bitt dich drum.

Da kam ein leises lindes Wehen angeströmt, es hauchte
fünf und zwanzig Mal und mit jedem Hauche ward der Him¬
mel blauer, schien die Sonne heller; und ein wunderliebli¬

ſeu und Gockels Proſit ploͤtzlich, der Nebel zerriß, die Sonne
ſtand am blauen Himmel, aller Schnupfen fiel mir wie Schup¬
pen von den Augen, ich war luſtig und froh wie ein Kind
und haͤtte allen Menſchen moͤgen um den Hals fallen. An¬
fangs aͤrgerte mich das noch ein wenig, darum mag es hier
ſtehen, aber weil auch dieſer Aerger bald ganz abzog — ſo
will ich Nichts weiter ſagen.

Als wir die Kapelle verließen, gab mir Gockel den Ring
Salomonis wieder, und ich drehte ihn geſchwind mit dem
Wunſche, mein Tagebuch zu haben, um zu ſehen, ob mehr
darin ſtehe, als hier geſchrieben ſteht; da trat auf einmal
das Buͤblein zu mir hin mit dem Buche. Es buͤckte ſich
und wollte Staub vom Boden auf die friſche Schrift ſtreuen
und dann die Feder an den Aermel wiſchen, ich klopfte ihm
aber auf die Finger und ſagte: „pfui,“ und drehte den Ring
Salomonis mit den Worten:

Salomo du weiſer Koͤnig,
Dem die Geiſter unterthaͤnig,
Bilde aus dem Nebel mir
Gleich rein Seidenloͤſchpapier.
Zephyr ſoll ein ganzes Buch,
Wie gewebt aus Wohlgeruch,
Saͤnftlich zu mir niederhauchen,
Nach Belieben es zu brauchen.
Vieles leg ich auf die Locken,
Bis ſie von dem Thaue trocken,
Ein Blatt muß ins Tagbuch hier,
Denn ſonſt moͤchte das Geſchmier
Von dem Buͤblein es beſchmutzen,
Ein Blatt mag es ſelbſt benutzen,
Seine Feder auszuputzen.
Ringlein, Ringlein dreh dich um
Schnell ein Fließblatt! bitt dich drum.

Da kam ein leiſes lindes Wehen angeſtroͤmt, es hauchte
fuͤnf und zwanzig Mal und mit jedem Hauche ward der Him¬
mel blauer, ſchien die Sonne heller; und ein wunderliebli¬

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[344/0400] ſeu und Gockels Proſit ploͤtzlich, der Nebel zerriß, die Sonne ſtand am blauen Himmel, aller Schnupfen fiel mir wie Schup¬ pen von den Augen, ich war luſtig und froh wie ein Kind und haͤtte allen Menſchen moͤgen um den Hals fallen. An¬ fangs aͤrgerte mich das noch ein wenig, darum mag es hier ſtehen, aber weil auch dieſer Aerger bald ganz abzog — ſo will ich Nichts weiter ſagen. Als wir die Kapelle verließen, gab mir Gockel den Ring Salomonis wieder, und ich drehte ihn geſchwind mit dem Wunſche, mein Tagebuch zu haben, um zu ſehen, ob mehr darin ſtehe, als hier geſchrieben ſteht; da trat auf einmal das Buͤblein zu mir hin mit dem Buche. Es buͤckte ſich und wollte Staub vom Boden auf die friſche Schrift ſtreuen und dann die Feder an den Aermel wiſchen, ich klopfte ihm aber auf die Finger und ſagte: „pfui,“ und drehte den Ring Salomonis mit den Worten: Salomo du weiſer Koͤnig, Dem die Geiſter unterthaͤnig, Bilde aus dem Nebel mir Gleich rein Seidenloͤſchpapier. Zephyr ſoll ein ganzes Buch, Wie gewebt aus Wohlgeruch, Saͤnftlich zu mir niederhauchen, Nach Belieben es zu brauchen. Vieles leg ich auf die Locken, Bis ſie von dem Thaue trocken, Ein Blatt muß ins Tagbuch hier, Denn ſonſt moͤchte das Geſchmier Von dem Buͤblein es beſchmutzen, Ein Blatt mag es ſelbſt benutzen, Seine Feder auszuputzen. Ringlein, Ringlein dreh dich um Schnell ein Fließblatt! bitt dich drum. Da kam ein leiſes lindes Wehen angeſtroͤmt, es hauchte fuͤnf und zwanzig Mal und mit jedem Hauche ward der Him¬ mel blauer, ſchien die Sonne heller; und ein wunderliebli¬

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Zitationshilfe: Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/400>, abgerufen am 05.05.2024.