etwas von der Bedeutung dieser Edelsteine wußte, ahndete ich eine wunderbare Macht in deinen Schultern, und wie oft hast du mich fragen müssen, warum ich in meinen Betrüb¬ nißen mein Haupt immer auf deine rechte Schulter lehne, da ich mich doch an deinem Herzen ausweinen könne? -- aber ich lehnte mein Haupt wieder hin und sagte: O Amey, ich weiß es nicht -- aber wenn mein Herz schwer ist, lege ich meine Last auf deine Schulter, denn in ihr ist deine Macht; -- sie kann mehr tragen als dein Herz! -- sieh Amey, es war die Kraft jener Kleinode, die ich fühlte; und ich bitte dich, bedenke den Wunsch der Lilienfräulein, stifte ihnen ein Kloster Lilienthal, du hast durch sie deinen größten Schatz, der versunken war, wieder gehoben; -- o thue mir auch diese Liebe noch zu dem Vielen, was ich dir verdanke." -- "Du mir?" sprach ich, "mir, welche in dei¬ nem Frieden, deiner Milde und Schonung immer allen Trost gefunden hat." -- "Amey," erwiederte sie, "alle der Friede ist von dir, ist von Gottes Gnade, Gottes Kraft, welche in dem Edelsteine wohnet." -- Da umarmten wir uns und ich versprach ihr, wegen dem Kloster Lilienthal mit frommen Männern zu Rathe zu gehn, so etwas müße reichlich über¬ legt seyn, und es müße doch auch erst das Johannisfest vor¬ über und meine große Wäsche wieder in den Schränken seyn; in welchem beidem sie mir vollkommen Recht gab. -- Kaum hatte sie mich mit ihrem Kindlein verlassen, so kam Jakob von Guise, den ich darum gebeten hatte, nach der Prozession zu mir. Ich erzählte diesem in geistlichen und weltlichen Dingen hochbewanderten Mann, der eine Chronik des Lan¬ des Hennegau bis zur Erschaffung der Welt hinauf zu schrei¬ ben begonnen, Alles, was ich diese Nacht durch Klareta von dem Ursprung und der Kraft der Achselbänder erfahren und wie die Heilung Klaretas diese Kraft bestätiget habe. Auch dankte ich ihm, daß er heute Morgen in der Kapelle den Segen der Kleinode erneuert, und fragte ihn, wie ich mich
etwas von der Bedeutung dieſer Edelſteine wußte, ahndete ich eine wunderbare Macht in deinen Schultern, und wie oft haſt du mich fragen muͤſſen, warum ich in meinen Betruͤb¬ nißen mein Haupt immer auf deine rechte Schulter lehne, da ich mich doch an deinem Herzen ausweinen koͤnne? — aber ich lehnte mein Haupt wieder hin und ſagte: O Amey, ich weiß es nicht — aber wenn mein Herz ſchwer iſt, lege ich meine Laſt auf deine Schulter, denn in ihr iſt deine Macht; — ſie kann mehr tragen als dein Herz! — ſieh Amey, es war die Kraft jener Kleinode, die ich fuͤhlte; und ich bitte dich, bedenke den Wunſch der Lilienfraͤulein, ſtifte ihnen ein Kloſter Lilienthal, du haſt durch ſie deinen groͤßten Schatz, der verſunken war, wieder gehoben; — o thue mir auch dieſe Liebe noch zu dem Vielen, was ich dir verdanke.“ — „Du mir?“ ſprach ich, „mir, welche in dei¬ nem Frieden, deiner Milde und Schonung immer allen Troſt gefunden hat.“ — „Amey,“ erwiederte ſie, „alle der Friede iſt von dir, iſt von Gottes Gnade, Gottes Kraft, welche in dem Edelſteine wohnet.“ — Da umarmten wir uns und ich verſprach ihr, wegen dem Kloſter Lilienthal mit frommen Maͤnnern zu Rathe zu gehn, ſo etwas muͤße reichlich uͤber¬ legt ſeyn, und es muͤße doch auch erſt das Johannisfeſt vor¬ uͤber und meine große Waͤſche wieder in den Schraͤnken ſeyn; in welchem beidem ſie mir vollkommen Recht gab. — Kaum hatte ſie mich mit ihrem Kindlein verlaſſen, ſo kam Jakob von Guiſe, den ich darum gebeten hatte, nach der Prozeſſion zu mir. Ich erzaͤhlte dieſem in geiſtlichen und weltlichen Dingen hochbewanderten Mann, der eine Chronik des Lan¬ des Hennegau bis zur Erſchaffung der Welt hinauf zu ſchrei¬ ben begonnen, Alles, was ich dieſe Nacht durch Klareta von dem Urſprung und der Kraft der Achſelbaͤnder erfahren und wie die Heilung Klaretas dieſe Kraft beſtaͤtiget habe. Auch dankte ich ihm, daß er heute Morgen in der Kapelle den Segen der Kleinode erneuert, und fragte ihn, wie ich mich
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etwas von der Bedeutung dieſer Edelſteine wußte, ahndete
ich eine wunderbare Macht in deinen Schultern, und wie oft
haſt du mich fragen muͤſſen, warum ich in meinen Betruͤb¬
nißen mein Haupt immer auf deine rechte Schulter lehne,
da ich mich doch an deinem Herzen ausweinen koͤnne? —
aber ich lehnte mein Haupt wieder hin und ſagte: O Amey,
ich weiß es nicht — aber wenn mein Herz ſchwer iſt, lege
ich meine Laſt auf deine Schulter, denn in ihr iſt deine
Macht; — ſie kann mehr tragen als dein Herz! — ſieh
Amey, es war die Kraft jener Kleinode, die ich fuͤhlte;
und ich bitte dich, bedenke den Wunſch der Lilienfraͤulein,
ſtifte ihnen ein Kloſter Lilienthal, du haſt durch ſie deinen
groͤßten Schatz, der verſunken war, wieder gehoben; — o
thue mir auch dieſe Liebe noch zu dem Vielen, was ich dir
verdanke.“ — „Du mir?“ ſprach ich, „mir, welche in dei¬
nem Frieden, deiner Milde und Schonung immer allen Troſt
gefunden hat.“ — „Amey,“ erwiederte ſie, „alle der Friede
iſt von dir, iſt von Gottes Gnade, Gottes Kraft, welche
in dem Edelſteine wohnet.“ — Da umarmten wir uns und
ich verſprach ihr, wegen dem Kloſter Lilienthal mit frommen
Maͤnnern zu Rathe zu gehn, ſo etwas muͤße reichlich uͤber¬
legt ſeyn, und es muͤße doch auch erſt das Johannisfeſt vor¬
uͤber und meine große Waͤſche wieder in den Schraͤnken ſeyn;
in welchem beidem ſie mir vollkommen Recht gab. — Kaum
hatte ſie mich mit ihrem Kindlein verlaſſen, ſo kam Jakob
von Guiſe, den ich darum gebeten hatte, nach der Prozeſſion
zu mir. Ich erzaͤhlte dieſem in geiſtlichen und weltlichen
Dingen hochbewanderten Mann, der eine Chronik des Lan¬
des Hennegau bis zur Erſchaffung der Welt hinauf zu ſchrei¬
ben begonnen, Alles, was ich dieſe Nacht durch Klareta von
dem Urſprung und der Kraft der Achſelbaͤnder erfahren und
wie die Heilung Klaretas dieſe Kraft beſtaͤtiget habe. Auch
dankte ich ihm, daß er heute Morgen in der Kapelle den
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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/354>, abgerufen am 22.11.2024.
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