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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838.

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lers, er kann gute Engel, er kann böse Engel daraus bil¬
den. -- Wie oft ihr Mütter, nennt ihr eure Kinder Engel,
o bedenket, daß es Engel gibt, die nicht in der Wahrheit
geblieben, Engel, die durch den Schmuck auf ihrem Herzen
stolz geworden, die bei ihrer Schönheit die Weisheit verloren
haben und gestürzt worden sind. Gott gebe euch die Gnade,
eure Kinder, wie auch heute diesen kleinen Johannisengel in
die Wüste der Zucht zu begleiten!" -- Hierauf wendete Ja¬
kob von Guise seine Rede zu den Kindern und sprach: "zum
Gedächtniß, daß der Knabe Johannes von seinen Eltern
früh in den Wald verborgen ward, wo er mit Kräutern und
Blumen, mit Fischlein und Vöglein und allem Gethier ein
unschuldiges heiliges Leben führte, von Gottes Engel gehü¬
tet, von Gottes Gnade bethaut, ziehet ihr jetzt mit dem klei¬
nen Johannisengel spielend in den wilden Wald und seg¬
net und pflücket mit unschuldigen Händen allerlei Heilkräuter,
welche nun in der Sonnenwende in ihrer höchsten Kraft stehen.
Alle Jahre kommen diese Kräuter wieder, kömmt dieses Fest
wieder, so sey dann eure Andacht und Freude auch heute
und alle Jahre in höchster Kraft, und wenn ihr die Johan¬
niskräutlein oder Blümlein findet, so zeigt sie dem kleinen
Immel, dem Johannisengel, daß er sie breche und in den
Korb lege, dabei soll er sprechen:

"O lieber Gott im Himmel
Segne den kleinen Immel,
Segne um das Täuferlein
Das arme Johannisengelein;
Dein Segen komm' auf seine Hand
Und auf das Kräutlein, das er fand,
Und führe den kleinen Immel
Unschuldig einst in den Himmel!"

Wenn ihr nun das Kraut Artemisia, Johannisgürtel
genannt findet und kleine Gürtel daraus flechtet, sollt ihr
sprechen:

lers, er kann gute Engel, er kann boͤſe Engel daraus bil¬
den. — Wie oft ihr Muͤtter, nennt ihr eure Kinder Engel,
o bedenket, daß es Engel gibt, die nicht in der Wahrheit
geblieben, Engel, die durch den Schmuck auf ihrem Herzen
ſtolz geworden, die bei ihrer Schoͤnheit die Weisheit verloren
haben und geſtuͤrzt worden ſind. Gott gebe euch die Gnade,
eure Kinder, wie auch heute dieſen kleinen Johannisengel in
die Wuͤſte der Zucht zu begleiten!“ — Hierauf wendete Ja¬
kob von Guiſe ſeine Rede zu den Kindern und ſprach: „zum
Gedaͤchtniß, daß der Knabe Johannes von ſeinen Eltern
fruͤh in den Wald verborgen ward, wo er mit Kraͤutern und
Blumen, mit Fiſchlein und Voͤglein und allem Gethier ein
unſchuldiges heiliges Leben fuͤhrte, von Gottes Engel gehuͤ¬
tet, von Gottes Gnade bethaut, ziehet ihr jetzt mit dem klei¬
nen Johannisengel ſpielend in den wilden Wald und ſeg¬
net und pfluͤcket mit unſchuldigen Haͤnden allerlei Heilkraͤuter,
welche nun in der Sonnenwende in ihrer hoͤchſten Kraft ſtehen.
Alle Jahre kommen dieſe Kraͤuter wieder, koͤmmt dieſes Feſt
wieder, ſo ſey dann eure Andacht und Freude auch heute
und alle Jahre in hoͤchſter Kraft, und wenn ihr die Johan¬
niskraͤutlein oder Bluͤmlein findet, ſo zeigt ſie dem kleinen
Immel, dem Johannisengel, daß er ſie breche und in den
Korb lege, dabei ſoll er ſprechen:

»O lieber Gott im Himmel
Segne den kleinen Immel,
Segne um das Taͤuferlein
Das arme Johannisengelein;
Dein Segen komm' auf ſeine Hand
Und auf das Kraͤutlein, das er fand,
Und fuͤhre den kleinen Immel
Unſchuldig einſt in den Himmel!«

Wenn ihr nun das Kraut Artemiſia, Johannisguͤrtel
genannt findet und kleine Guͤrtel daraus flechtet, ſollt ihr
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[295/0349] lers, er kann gute Engel, er kann boͤſe Engel daraus bil¬ den. — Wie oft ihr Muͤtter, nennt ihr eure Kinder Engel, o bedenket, daß es Engel gibt, die nicht in der Wahrheit geblieben, Engel, die durch den Schmuck auf ihrem Herzen ſtolz geworden, die bei ihrer Schoͤnheit die Weisheit verloren haben und geſtuͤrzt worden ſind. Gott gebe euch die Gnade, eure Kinder, wie auch heute dieſen kleinen Johannisengel in die Wuͤſte der Zucht zu begleiten!“ — Hierauf wendete Ja¬ kob von Guiſe ſeine Rede zu den Kindern und ſprach: „zum Gedaͤchtniß, daß der Knabe Johannes von ſeinen Eltern fruͤh in den Wald verborgen ward, wo er mit Kraͤutern und Blumen, mit Fiſchlein und Voͤglein und allem Gethier ein unſchuldiges heiliges Leben fuͤhrte, von Gottes Engel gehuͤ¬ tet, von Gottes Gnade bethaut, ziehet ihr jetzt mit dem klei¬ nen Johannisengel ſpielend in den wilden Wald und ſeg¬ net und pfluͤcket mit unſchuldigen Haͤnden allerlei Heilkraͤuter, welche nun in der Sonnenwende in ihrer hoͤchſten Kraft ſtehen. Alle Jahre kommen dieſe Kraͤuter wieder, koͤmmt dieſes Feſt wieder, ſo ſey dann eure Andacht und Freude auch heute und alle Jahre in hoͤchſter Kraft, und wenn ihr die Johan¬ niskraͤutlein oder Bluͤmlein findet, ſo zeigt ſie dem kleinen Immel, dem Johannisengel, daß er ſie breche und in den Korb lege, dabei ſoll er ſprechen: »O lieber Gott im Himmel Segne den kleinen Immel, Segne um das Taͤuferlein Das arme Johannisengelein; Dein Segen komm' auf ſeine Hand Und auf das Kraͤutlein, das er fand, Und fuͤhre den kleinen Immel Unſchuldig einſt in den Himmel!« Wenn ihr nun das Kraut Artemiſia, Johannisguͤrtel genannt findet und kleine Guͤrtel daraus flechtet, ſollt ihr ſprechen:

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Zitationshilfe: Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/349>, abgerufen am 02.05.2024.