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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838.

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fragte Gackeleia wieder: "liebe Mutter, giebt es denn auch
da, wo wir hingehen, so schöne gebackene Männer von Ku¬
chenteig, mit Augen von Wachholderbeeren und einer Nase
von Mandelkern, und einem Mund von einer Rosine?" Da
konnte die Mutter ihre Thränen nicht zurückhalten und weinte;
Gockel aber sagte: "nein, mein Kind Gackeleia, solche Ku¬
chenmänner giebt es da nicht, die sind auch gar nicht ge¬
sund und verderben den Magen. Aber es giebt da schöne
bunte Vögel die Menge, welche allerliebst singen und Nest¬
chen bauen, und Eier legen und ihre Jungen füttern. Die
kannst du sehen und lieben und ihnen zuschauen, und die
süßen wilden Kirschen mit ihnen theilen." Da brach er ihr
ein Zweiglein voll Kirschen von einem Baum und das Kind
ward ruhig.

Als Gackeleia aber nach einer Weile wieder fragte: "liebe
Mutter, giebt es denn dort, wo wir hingehen, auch so wun¬
derschöne Pfefferkuchen, wie in Gelnhausen?" und die Frau
Hinkel immer mehr weinte, ward der alte Gockel von Hanau
unwillig, drehte sich um, stellte sich breit hin und sprach:
"o mein Hinkel von Hennegau! du hast wohl Ursache zu wei¬
nen, daß unser Kind Gackeleia ein so naschhafter Freßsack
ist und an nichts als Bretzeln, Kuchenhasen, Buttermän¬
ner und Pfefferkuchen denkt, was soll daraus werden? Roth
bricht Eisen, Hunger lehrt beißen. Sei vernünftig, weine
nicht, Gott, der die Raben füttert, wolche nicht säen, wird
den Gockel von Hanau nicht verderben lassen, der säen
kann. Gott, der die Lilien kleidet, die nicht spinnen, wird
die Frau Hinkel von Hennegau nicht umkommen lassen, wel¬
che sehr schön spinnen kann, und auch das Kind Gackeleia
nicht, wenn es das Spinnen von seiner Mutter lernt."

Diese Rede Gockels ward von einem gewaltigen Geklap¬
per unterbrochen, und sie sahen alle einen großen Klapper¬
storch, der aus dem Gebüsche ihnen entgegentrat, sie sehr
ernsthaft und ehrbar anschaute, nochmals klapperte und dann

fragte Gackeleia wieder: „liebe Mutter, giebt es denn auch
da, wo wir hingehen, ſo ſchoͤne gebackene Maͤnner von Ku¬
chenteig, mit Augen von Wachholderbeeren und einer Naſe
von Mandelkern, und einem Mund von einer Roſine?“ Da
konnte die Mutter ihre Thraͤnen nicht zuruͤckhalten und weinte;
Gockel aber ſagte: „nein, mein Kind Gackeleia, ſolche Ku¬
chenmaͤnner giebt es da nicht, die ſind auch gar nicht ge¬
ſund und verderben den Magen. Aber es giebt da ſchoͤne
bunte Voͤgel die Menge, welche allerliebſt ſingen und Neſt¬
chen bauen, und Eier legen und ihre Jungen fuͤttern. Die
kannſt du ſehen und lieben und ihnen zuſchauen, und die
ſuͤßen wilden Kirſchen mit ihnen theilen.“ Da brach er ihr
ein Zweiglein voll Kirſchen von einem Baum und das Kind
ward ruhig.

Als Gackeleia aber nach einer Weile wieder fragte: „liebe
Mutter, giebt es denn dort, wo wir hingehen, auch ſo wun¬
derſchoͤne Pfefferkuchen, wie in Gelnhauſen?“ und die Frau
Hinkel immer mehr weinte, ward der alte Gockel von Hanau
unwillig, drehte ſich um, ſtellte ſich breit hin und ſprach:
„o mein Hinkel von Hennegau! du haſt wohl Urſache zu wei¬
nen, daß unſer Kind Gackeleia ein ſo naſchhafter Freßſack
iſt und an nichts als Bretzeln, Kuchenhaſen, Buttermaͤn¬
ner und Pfefferkuchen denkt, was ſoll daraus werden? Roth
bricht Eiſen, Hunger lehrt beißen. Sei vernuͤnftig, weine
nicht, Gott, der die Raben fuͤttert, wolche nicht ſaͤen, wird
den Gockel von Hanau nicht verderben laſſen, der ſaͤen
kann. Gott, der die Lilien kleidet, die nicht ſpinnen, wird
die Frau Hinkel von Hennegau nicht umkommen laſſen, wel¬
che ſehr ſchoͤn ſpinnen kann, und auch das Kind Gackeleia
nicht, wenn es das Spinnen von ſeiner Mutter lernt.“

Dieſe Rede Gockels ward von einem gewaltigen Geklap¬
per unterbrochen, und ſie ſahen alle einen großen Klapper¬
ſtorch, der aus dem Gebuͤſche ihnen entgegentrat, ſie ſehr
ernſthaft und ehrbar anſchaute, nochmals klapperte und dann

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[12/0034] fragte Gackeleia wieder: „liebe Mutter, giebt es denn auch da, wo wir hingehen, ſo ſchoͤne gebackene Maͤnner von Ku¬ chenteig, mit Augen von Wachholderbeeren und einer Naſe von Mandelkern, und einem Mund von einer Roſine?“ Da konnte die Mutter ihre Thraͤnen nicht zuruͤckhalten und weinte; Gockel aber ſagte: „nein, mein Kind Gackeleia, ſolche Ku¬ chenmaͤnner giebt es da nicht, die ſind auch gar nicht ge¬ ſund und verderben den Magen. Aber es giebt da ſchoͤne bunte Voͤgel die Menge, welche allerliebſt ſingen und Neſt¬ chen bauen, und Eier legen und ihre Jungen fuͤttern. Die kannſt du ſehen und lieben und ihnen zuſchauen, und die ſuͤßen wilden Kirſchen mit ihnen theilen.“ Da brach er ihr ein Zweiglein voll Kirſchen von einem Baum und das Kind ward ruhig. Als Gackeleia aber nach einer Weile wieder fragte: „liebe Mutter, giebt es denn dort, wo wir hingehen, auch ſo wun¬ derſchoͤne Pfefferkuchen, wie in Gelnhauſen?“ und die Frau Hinkel immer mehr weinte, ward der alte Gockel von Hanau unwillig, drehte ſich um, ſtellte ſich breit hin und ſprach: „o mein Hinkel von Hennegau! du haſt wohl Urſache zu wei¬ nen, daß unſer Kind Gackeleia ein ſo naſchhafter Freßſack iſt und an nichts als Bretzeln, Kuchenhaſen, Buttermaͤn¬ ner und Pfefferkuchen denkt, was ſoll daraus werden? Roth bricht Eiſen, Hunger lehrt beißen. Sei vernuͤnftig, weine nicht, Gott, der die Raben fuͤttert, wolche nicht ſaͤen, wird den Gockel von Hanau nicht verderben laſſen, der ſaͤen kann. Gott, der die Lilien kleidet, die nicht ſpinnen, wird die Frau Hinkel von Hennegau nicht umkommen laſſen, wel¬ che ſehr ſchoͤn ſpinnen kann, und auch das Kind Gackeleia nicht, wenn es das Spinnen von ſeiner Mutter lernt.“ Dieſe Rede Gockels ward von einem gewaltigen Geklap¬ per unterbrochen, und ſie ſahen alle einen großen Klapper¬ ſtorch, der aus dem Gebuͤſche ihnen entgegentrat, ſie ſehr ernſthaft und ehrbar anſchaute, nochmals klapperte und dann

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Zitationshilfe: Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/34>, abgerufen am 21.11.2024.