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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838.

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hinwegflog. "Wohlan, sagte Gockel, dieser Hausfreund hat
uns willkommen geheißen, er wohnet auf dem obersten Gie¬
bel von Gockelsruh, gleich werden wir da seyn; damit wir
aber nicht lange zu wählen brauchen, in welchen von den
weitläufigen Gemächern des Schlosses wir wohnen wollen,
so will ich unsere höchste Dienerschaft voraussenden, damit
sie uns die Wohnungen aussuche."

Nun nahm er den Stammhahn von der Schulter auf
die rechte Hand und die Stammhenne auf die linke, und
redete sie mit ehrbarem Ernste folgendermaßen an: "Alektryo
und Gallina, ihr stehet im Begriff, wie wir, in das Stamm¬
haus eurer Vorältern einzuziehen, und ich sehe an euren
ernsthaften Mienen, daß ihr so gerührt seid als wir. Da¬
mit nun dieses Ereigniß nicht ohne Feierlichkeit sey, so er¬
nenne ich dich Alektryo, edler Stammhahn, zu meinem
Schloßhauptmann, Haushofmeister, Hofmarschall, Astrono¬
men, Propheten, Nachtwächter, und hoffe, du wirst unbe¬
schadet deiner Familienverhältnisse als Gatte und Vater die¬
sen Aemtern gut vorstehen; das Nämliche erwarte ich von
dir, Gallina, edles Stammhuhn; indem ich dich hiemit zur
Schlüsseldame und Oberbettmeisterin des Schlosses ernenne,
zweifle ich nicht, daß du diesen Aemtern trefflich vorstehen
wirst, ohne deßwegen deine Pflichten als Gattin und Mut¬
ter zu vernachlässigen. Ist dieß euer Wille, so bestätigt es
mir feierlich." Da erhob Alektryo seinen Hals, blickte gegen
Himmel, riß den Schnabel weit auf und krähete feierlichst,
und auch Gallina gab ihre Versicherung mit einem lauten
und rührenden Gacksen von sich, worauf sie Gockel beide an
die Erde setzte, und sprach: "nun, Herr Schloßhauptmann
und Frau Schlüsseldame, eilet voraus, suchet eine Wohnung
für uns aus, zeiget auch allen Bewohnern unsers Schlosses
an, sie möchten sich durch kein Geräusch in ihrem Abend¬
gebete stören lassen, weil ich in der Nähe des Schlosses, wo
der englische Garten ein wenig ins Kraut geschossen seyn

hinwegflog. „Wohlan, ſagte Gockel, dieſer Hausfreund hat
uns willkommen geheißen, er wohnet auf dem oberſten Gie¬
bel von Gockelsruh, gleich werden wir da ſeyn; damit wir
aber nicht lange zu waͤhlen brauchen, in welchen von den
weitlaͤufigen Gemaͤchern des Schloſſes wir wohnen wollen,
ſo will ich unſere hoͤchſte Dienerſchaft vorausſenden, damit
ſie uns die Wohnungen ausſuche.“

Nun nahm er den Stammhahn von der Schulter auf
die rechte Hand und die Stammhenne auf die linke, und
redete ſie mit ehrbarem Ernſte folgendermaßen an: „Alektryo
und Gallina, ihr ſtehet im Begriff, wie wir, in das Stamm¬
haus eurer Voraͤltern einzuziehen, und ich ſehe an euren
ernſthaften Mienen, daß ihr ſo geruͤhrt ſeid als wir. Da¬
mit nun dieſes Ereigniß nicht ohne Feierlichkeit ſey, ſo er¬
nenne ich dich Alektryo, edler Stammhahn, zu meinem
Schloßhauptmann, Haushofmeiſter, Hofmarſchall, Aſtrono¬
men, Propheten, Nachtwaͤchter, und hoffe, du wirſt unbe¬
ſchadet deiner Familienverhaͤltniſſe als Gatte und Vater die¬
ſen Aemtern gut vorſtehen; das Naͤmliche erwarte ich von
dir, Gallina, edles Stammhuhn; indem ich dich hiemit zur
Schluͤſſeldame und Oberbettmeiſterin des Schloſſes ernenne,
zweifle ich nicht, daß du dieſen Aemtern trefflich vorſtehen
wirſt, ohne deßwegen deine Pflichten als Gattin und Mut¬
ter zu vernachlaͤſſigen. Iſt dieß euer Wille, ſo beſtaͤtigt es
mir feierlich.“ Da erhob Alektryo ſeinen Hals, blickte gegen
Himmel, riß den Schnabel weit auf und kraͤhete feierlichſt,
und auch Gallina gab ihre Verſicherung mit einem lauten
und ruͤhrenden Gackſen von ſich, worauf ſie Gockel beide an
die Erde ſetzte, und ſprach: „nun, Herr Schloßhauptmann
und Frau Schluͤſſeldame, eilet voraus, ſuchet eine Wohnung
fuͤr uns aus, zeiget auch allen Bewohnern unſers Schloſſes
an, ſie moͤchten ſich durch kein Geraͤuſch in ihrem Abend¬
gebete ſtoͤren laſſen, weil ich in der Naͤhe des Schloſſes, wo
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[13/0035] hinwegflog. „Wohlan, ſagte Gockel, dieſer Hausfreund hat uns willkommen geheißen, er wohnet auf dem oberſten Gie¬ bel von Gockelsruh, gleich werden wir da ſeyn; damit wir aber nicht lange zu waͤhlen brauchen, in welchen von den weitlaͤufigen Gemaͤchern des Schloſſes wir wohnen wollen, ſo will ich unſere hoͤchſte Dienerſchaft vorausſenden, damit ſie uns die Wohnungen ausſuche.“ Nun nahm er den Stammhahn von der Schulter auf die rechte Hand und die Stammhenne auf die linke, und redete ſie mit ehrbarem Ernſte folgendermaßen an: „Alektryo und Gallina, ihr ſtehet im Begriff, wie wir, in das Stamm¬ haus eurer Voraͤltern einzuziehen, und ich ſehe an euren ernſthaften Mienen, daß ihr ſo geruͤhrt ſeid als wir. Da¬ mit nun dieſes Ereigniß nicht ohne Feierlichkeit ſey, ſo er¬ nenne ich dich Alektryo, edler Stammhahn, zu meinem Schloßhauptmann, Haushofmeiſter, Hofmarſchall, Aſtrono¬ men, Propheten, Nachtwaͤchter, und hoffe, du wirſt unbe¬ ſchadet deiner Familienverhaͤltniſſe als Gatte und Vater die¬ ſen Aemtern gut vorſtehen; das Naͤmliche erwarte ich von dir, Gallina, edles Stammhuhn; indem ich dich hiemit zur Schluͤſſeldame und Oberbettmeiſterin des Schloſſes ernenne, zweifle ich nicht, daß du dieſen Aemtern trefflich vorſtehen wirſt, ohne deßwegen deine Pflichten als Gattin und Mut¬ ter zu vernachlaͤſſigen. Iſt dieß euer Wille, ſo beſtaͤtigt es mir feierlich.“ Da erhob Alektryo ſeinen Hals, blickte gegen Himmel, riß den Schnabel weit auf und kraͤhete feierlichſt, und auch Gallina gab ihre Verſicherung mit einem lauten und ruͤhrenden Gackſen von ſich, worauf ſie Gockel beide an die Erde ſetzte, und ſprach: „nun, Herr Schloßhauptmann und Frau Schluͤſſeldame, eilet voraus, ſuchet eine Wohnung fuͤr uns aus, zeiget auch allen Bewohnern unſers Schloſſes an, ſie moͤchten ſich durch kein Geraͤuſch in ihrem Abend¬ gebete ſtoͤren laſſen, weil ich in der Naͤhe des Schloſſes, wo der engliſche Garten ein wenig ins Kraut geſchoſſen ſeyn

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Zitationshilfe: Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/35>, abgerufen am 28.03.2024.