und schier Hungers gestorben, und war sein frommes Hühnlein fortgelaufen, ihm Hülfe zu suchen. Da labte Belgius den Salmo und nahm ihn sammt dem Hühnlein auf sein Roß und führt ihn in sein Haus, und er und sein Weib pflegten ihn, bis er gesund war. Salmo aber erzählte ihnen, was er in Jerusalem erlebet, und vom Tod, Auferstehung und Himmelfahrt des Herrn, und von St. Petrus, der ihn ge¬ taufet und auch von dem Hühnlein, darob sie groß Wunder hatten. Während dem aber legte das Hühnlein ein Ei, und sie ließen den Salmo nicht fort, bis es ausgebrütet war, da schenkte er ihnen das ausgebrütete junge Hühnlein und zog weiter. Wann er nicht wußte wohin, ließ er sein Hühnlein laufen und folgte ihm. So kam er bis an einen Bach in einer lustigen Gegend, und da sein Hühnlein sehr durstet und hungert, kam ein Hahn aus dem Walde geflogen und lockte es bis zu dem Bach, und sie tranken daraus; da sagte Salmo: "das ist der Hahnebach" und der Hahn lockte wieder und scharrte einen Weizenkern aus dem Boden, den fraß das Hühnlein und war wohlgemuth. Da aber Salmo weiter reisen wollte, denn er war aus Savoyer Land, wollt das Hühnlein nicht von dannen, und so blieb Salmo hier, und baute sich ein Haus an dem Hahnebach und nannte es Kern wegen dem Weizenkern. Er nahm auch ein Weib und sind die Grafen Salm daraus worden und die Stadt Kern oder Kyrn am Hahnebach. -- Das Hühnlein aber, das hier im Hause des Belgius geblieben, ward gar gut gehalten und ward Gallina genannt. Belgius aber war ein Heide und ein abergläubischer Mann, und nahm er allerlei Wahrzeichen an der Henne in Acht; nachdem sie fraß und froh oder traurig war, darnach handelte er. Nun war er schon be¬ jahrt und hatte viel Kinder und Leute und wollte sich ein Land gründen und das auf seinem Pferd umreiten; da sah er, wie die Henne fraß, und da sie gar lustig gefressen, war es ihm ein gutes Zeichen, und er setzte sich mit seiner Frau
und ſchier Hungers geſtorben, und war ſein frommes Huͤhnlein fortgelaufen, ihm Huͤlfe zu ſuchen. Da labte Belgius den Salmo und nahm ihn ſammt dem Huͤhnlein auf ſein Roß und fuͤhrt ihn in ſein Haus, und er und ſein Weib pflegten ihn, bis er geſund war. Salmo aber erzaͤhlte ihnen, was er in Jeruſalem erlebet, und vom Tod, Auferſtehung und Himmelfahrt des Herrn, und von St. Petrus, der ihn ge¬ taufet und auch von dem Huͤhnlein, darob ſie groß Wunder hatten. Waͤhrend dem aber legte das Huͤhnlein ein Ei, und ſie ließen den Salmo nicht fort, bis es ausgebruͤtet war, da ſchenkte er ihnen das ausgebruͤtete junge Huͤhnlein und zog weiter. Wann er nicht wußte wohin, ließ er ſein Huͤhnlein laufen und folgte ihm. So kam er bis an einen Bach in einer luſtigen Gegend, und da ſein Huͤhnlein ſehr durſtet und hungert, kam ein Hahn aus dem Walde geflogen und lockte es bis zu dem Bach, und ſie tranken daraus; da ſagte Salmo: „das iſt der Hahnebach“ und der Hahn lockte wieder und ſcharrte einen Weizenkern aus dem Boden, den fraß das Huͤhnlein und war wohlgemuth. Da aber Salmo weiter reiſen wollte, denn er war aus Savoyer Land, wollt das Huͤhnlein nicht von dannen, und ſo blieb Salmo hier, und baute ſich ein Haus an dem Hahnebach und nannte es Kern wegen dem Weizenkern. Er nahm auch ein Weib und ſind die Grafen Salm daraus worden und die Stadt Kern oder Kyrn am Hahnebach. — Das Huͤhnlein aber, das hier im Hauſe des Belgius geblieben, ward gar gut gehalten und ward Gallina genannt. Belgius aber war ein Heide und ein aberglaͤubiſcher Mann, und nahm er allerlei Wahrzeichen an der Henne in Acht; nachdem ſie fraß und froh oder traurig war, darnach handelte er. Nun war er ſchon be¬ jahrt und hatte viel Kinder und Leute und wollte ſich ein Land gruͤnden und das auf ſeinem Pferd umreiten; da ſah er, wie die Henne fraß, und da ſie gar luſtig gefreſſen, war es ihm ein gutes Zeichen, und er ſetzte ſich mit ſeiner Frau
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0296"n="242"/>
und ſchier Hungers geſtorben, und war ſein frommes Huͤhnlein<lb/>
fortgelaufen, ihm Huͤlfe zu ſuchen. Da labte Belgius den<lb/>
Salmo und nahm ihn ſammt dem Huͤhnlein auf ſein Roß<lb/>
und fuͤhrt ihn in ſein Haus, und er und ſein Weib pflegten<lb/>
ihn, bis er geſund war. Salmo aber erzaͤhlte ihnen, was<lb/>
er in Jeruſalem erlebet, und vom Tod, Auferſtehung und<lb/>
Himmelfahrt des Herrn, und von St. Petrus, der ihn ge¬<lb/>
taufet und auch von dem Huͤhnlein, darob ſie groß Wunder<lb/>
hatten. Waͤhrend dem aber legte das Huͤhnlein ein Ei, und<lb/>ſie ließen den Salmo nicht fort, bis es ausgebruͤtet war, da<lb/>ſchenkte er ihnen das ausgebruͤtete junge Huͤhnlein und zog<lb/>
weiter. Wann er nicht wußte wohin, ließ er ſein Huͤhnlein<lb/>
laufen und folgte ihm. So kam er bis an einen Bach in<lb/>
einer luſtigen Gegend, und da ſein Huͤhnlein ſehr durſtet<lb/>
und hungert, kam ein Hahn aus dem Walde geflogen und<lb/>
lockte es bis zu dem Bach, und ſie tranken daraus; da ſagte<lb/>
Salmo: „das iſt der Hahnebach“ und der Hahn lockte wieder<lb/>
und ſcharrte einen Weizenkern aus dem Boden, den fraß<lb/>
das Huͤhnlein und war wohlgemuth. Da aber Salmo weiter<lb/>
reiſen wollte, denn er war aus Savoyer Land, wollt das<lb/>
Huͤhnlein nicht von dannen, und ſo blieb Salmo hier, und<lb/>
baute ſich ein Haus an dem Hahnebach und nannte es Kern<lb/>
wegen dem Weizenkern. Er nahm auch ein Weib und ſind<lb/>
die Grafen Salm daraus worden und die Stadt Kern oder<lb/>
Kyrn am Hahnebach. — Das Huͤhnlein aber, das hier im<lb/>
Hauſe des Belgius geblieben, ward gar gut gehalten und<lb/>
ward Gallina genannt. Belgius aber war ein Heide und<lb/>
ein aberglaͤubiſcher Mann, und nahm er allerlei Wahrzeichen<lb/>
an der Henne in Acht; nachdem ſie fraß und froh oder<lb/>
traurig war, darnach handelte er. Nun war er ſchon be¬<lb/>
jahrt und hatte viel Kinder und Leute und wollte ſich ein<lb/>
Land gruͤnden und das auf ſeinem Pferd umreiten; da ſah<lb/>
er, wie die Henne fraß, und da ſie gar luſtig gefreſſen, war<lb/>
es ihm ein gutes Zeichen, und er ſetzte ſich mit ſeiner Frau<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[242/0296]
und ſchier Hungers geſtorben, und war ſein frommes Huͤhnlein
fortgelaufen, ihm Huͤlfe zu ſuchen. Da labte Belgius den
Salmo und nahm ihn ſammt dem Huͤhnlein auf ſein Roß
und fuͤhrt ihn in ſein Haus, und er und ſein Weib pflegten
ihn, bis er geſund war. Salmo aber erzaͤhlte ihnen, was
er in Jeruſalem erlebet, und vom Tod, Auferſtehung und
Himmelfahrt des Herrn, und von St. Petrus, der ihn ge¬
taufet und auch von dem Huͤhnlein, darob ſie groß Wunder
hatten. Waͤhrend dem aber legte das Huͤhnlein ein Ei, und
ſie ließen den Salmo nicht fort, bis es ausgebruͤtet war, da
ſchenkte er ihnen das ausgebruͤtete junge Huͤhnlein und zog
weiter. Wann er nicht wußte wohin, ließ er ſein Huͤhnlein
laufen und folgte ihm. So kam er bis an einen Bach in
einer luſtigen Gegend, und da ſein Huͤhnlein ſehr durſtet
und hungert, kam ein Hahn aus dem Walde geflogen und
lockte es bis zu dem Bach, und ſie tranken daraus; da ſagte
Salmo: „das iſt der Hahnebach“ und der Hahn lockte wieder
und ſcharrte einen Weizenkern aus dem Boden, den fraß
das Huͤhnlein und war wohlgemuth. Da aber Salmo weiter
reiſen wollte, denn er war aus Savoyer Land, wollt das
Huͤhnlein nicht von dannen, und ſo blieb Salmo hier, und
baute ſich ein Haus an dem Hahnebach und nannte es Kern
wegen dem Weizenkern. Er nahm auch ein Weib und ſind
die Grafen Salm daraus worden und die Stadt Kern oder
Kyrn am Hahnebach. — Das Huͤhnlein aber, das hier im
Hauſe des Belgius geblieben, ward gar gut gehalten und
ward Gallina genannt. Belgius aber war ein Heide und
ein aberglaͤubiſcher Mann, und nahm er allerlei Wahrzeichen
an der Henne in Acht; nachdem ſie fraß und froh oder
traurig war, darnach handelte er. Nun war er ſchon be¬
jahrt und hatte viel Kinder und Leute und wollte ſich ein
Land gruͤnden und das auf ſeinem Pferd umreiten; da ſah
er, wie die Henne fraß, und da ſie gar luſtig gefreſſen, war
es ihm ein gutes Zeichen, und er ſetzte ſich mit ſeiner Frau
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/296>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.