geres zu sagen, als, sie liebte uns." In der Hand hatte die liebe Todte einige Heilkräuter, einen Strauß von Schlüs¬ selblumen, Chamomillen, Melissen, weißen Nes¬ seln, Lindenblüthe und Orangenblättern. -- Ein Monatröschen, das sie lange gepflegt, blühte in einem Körbchen an ihrer Seite. -- Die ganze sprechende Blumen¬ decke des Sarges war von einer immergrünen Epheuranke übersponnen, welche an dem Kreuze zu Häupten des Sar¬ ges hinanrankend sagte: "immergrün ist meine Treue, wer will mich trennen von meiner Liebe, ich halte ihn und lasse ihn nicht. Wer ist treuer als ich? selbst von der Wurzel getrennt, lasse ich nicht von dem, was ich umarmte, und grüne und lebe klammernd an meiner Stütze. Mit ewigem Grün umschließet die Treue die Asche der Todten und bin¬ det die Scherben der Urne; denn losgerissen würde sie ster¬ ben. Selbst den gefallenen Stamm umgrüne ich. Seit ich lebe, ringe ich aufwärts, nicht aus eigener Kraft, sondern getragen von zuvorkommender Gnade, die ich dankbar mit den Wurzeln meiner Zweige erfaße. -- Weil ich barmherzig den nackten Fels bekleide, decket die ewige Liebe meine eigne Armuth und trägt mich aufwärts mit den Barmherzigen, die sie selig spricht; auf daß ich aufsteige aus der Wüste, gestützt auf den Geliebten überfließend von Beglückungen." -- Solches und vieles andere stammelten die Blumen und Kräu¬ ter, womit die Geister der dankbaren Armen, denen Frau Urhinkel alle Barmherzigkeit erwiesen hatte, ihren Sarg von neuem schmückten. -- Als sie den Sarg geschmückt hatten, zogen sie sich zu beiden Seiten der Frau Urhinkel zurück, er¬ hoben ihre Fahnen wieder und traten in den Hintergrund.
Alles das sahen Gockel, Hinkel, Gackeleia und Krono¬ vus ganz still mit tiefer Rührung an und nun sprach Gacke¬ leia: "das also ist der schöne Blumensarg unsrer Ahnfrau von dem du mir so oft erzählt liebe Mutter, daß die Engel die Blumen dazu im Himmelsgarten gepflückt?" -- da er¬
geres zu ſagen, als, ſie liebte uns.“ In der Hand hatte die liebe Todte einige Heilkraͤuter, einen Strauß von Schluͤſ¬ ſelblumen, Chamomillen, Meliſſen, weißen Neſ¬ ſeln, Lindenbluͤthe und Orangenblaͤttern. — Ein Monatroͤschen, das ſie lange gepflegt, bluͤhte in einem Koͤrbchen an ihrer Seite. — Die ganze ſprechende Blumen¬ decke des Sarges war von einer immergruͤnen Epheuranke uͤberſponnen, welche an dem Kreuze zu Haͤupten des Sar¬ ges hinanrankend ſagte: „immergruͤn iſt meine Treue, wer will mich trennen von meiner Liebe, ich halte ihn und laſſe ihn nicht. Wer iſt treuer als ich? ſelbſt von der Wurzel getrennt, laſſe ich nicht von dem, was ich umarmte, und gruͤne und lebe klammernd an meiner Stuͤtze. Mit ewigem Gruͤn umſchließet die Treue die Aſche der Todten und bin¬ det die Scherben der Urne; denn losgeriſſen wuͤrde ſie ſter¬ ben. Selbſt den gefallenen Stamm umgruͤne ich. Seit ich lebe, ringe ich aufwaͤrts, nicht aus eigener Kraft, ſondern getragen von zuvorkommender Gnade, die ich dankbar mit den Wurzeln meiner Zweige erfaße. — Weil ich barmherzig den nackten Fels bekleide, decket die ewige Liebe meine eigne Armuth und traͤgt mich aufwaͤrts mit den Barmherzigen, die ſie ſelig ſpricht; auf daß ich aufſteige aus der Wuͤſte, geſtuͤtzt auf den Geliebten uͤberfließend von Begluͤckungen.“ — Solches und vieles andere ſtammelten die Blumen und Kraͤu¬ ter, womit die Geiſter der dankbaren Armen, denen Frau Urhinkel alle Barmherzigkeit erwieſen hatte, ihren Sarg von neuem ſchmuͤckten. — Als ſie den Sarg geſchmuͤckt hatten, zogen ſie ſich zu beiden Seiten der Frau Urhinkel zuruͤck, er¬ hoben ihre Fahnen wieder und traten in den Hintergrund.
Alles das ſahen Gockel, Hinkel, Gackeleia und Krono¬ vus ganz ſtill mit tiefer Ruͤhrung an und nun ſprach Gacke¬ leia: „das alſo iſt der ſchoͤne Blumenſarg unſrer Ahnfrau von dem du mir ſo oft erzaͤhlt liebe Mutter, daß die Engel die Blumen dazu im Himmelsgarten gepfluͤckt?“ — da er¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0248"n="196"/>
geres zu ſagen, als, ſie liebte uns.“ In der Hand hatte die<lb/>
liebe Todte einige Heilkraͤuter, einen Strauß von <hirendition="#g">Schluͤſ¬<lb/>ſelblumen</hi>, <hirendition="#g">Chamomillen</hi>, <hirendition="#g">Meliſſen</hi>, <hirendition="#g">weißen Neſ¬<lb/>ſeln</hi>, <hirendition="#g">Lindenbluͤthe</hi> und <hirendition="#g">Orangenblaͤttern</hi>. — Ein<lb/><hirendition="#g">Monatroͤschen</hi>, das ſie lange gepflegt, bluͤhte in einem<lb/>
Koͤrbchen an ihrer Seite. — Die ganze ſprechende Blumen¬<lb/>
decke des Sarges war von einer immergruͤnen <hirendition="#g">Epheuranke</hi><lb/>
uͤberſponnen, welche an dem Kreuze zu Haͤupten des Sar¬<lb/>
ges hinanrankend ſagte: „immergruͤn iſt meine Treue, wer<lb/>
will mich trennen von meiner Liebe, ich halte ihn und laſſe<lb/>
ihn nicht. Wer iſt treuer als ich? ſelbſt von der Wurzel<lb/>
getrennt, laſſe ich nicht von dem, was ich umarmte, und<lb/>
gruͤne und lebe klammernd an meiner Stuͤtze. Mit ewigem<lb/>
Gruͤn umſchließet die Treue die Aſche der Todten und bin¬<lb/>
det die Scherben der Urne; denn losgeriſſen wuͤrde ſie ſter¬<lb/>
ben. Selbſt den gefallenen Stamm umgruͤne ich. Seit ich<lb/>
lebe, ringe ich aufwaͤrts, nicht aus eigener Kraft, ſondern<lb/>
getragen von zuvorkommender Gnade, die ich dankbar mit<lb/>
den Wurzeln meiner Zweige erfaße. — Weil ich barmherzig<lb/>
den nackten Fels bekleide, decket die ewige Liebe meine eigne<lb/>
Armuth und traͤgt mich aufwaͤrts mit den Barmherzigen,<lb/>
die ſie ſelig ſpricht; auf daß ich aufſteige aus der Wuͤſte,<lb/>
geſtuͤtzt auf den Geliebten uͤberfließend von Begluͤckungen.“—<lb/>
Solches und vieles andere ſtammelten die Blumen und Kraͤu¬<lb/>
ter, womit die Geiſter der dankbaren Armen, denen Frau<lb/>
Urhinkel alle Barmherzigkeit erwieſen hatte, ihren Sarg von<lb/>
neuem ſchmuͤckten. — Als ſie den Sarg geſchmuͤckt hatten,<lb/>
zogen ſie ſich zu beiden Seiten der Frau Urhinkel zuruͤck, er¬<lb/>
hoben ihre Fahnen wieder und traten in den Hintergrund.</p><lb/><p>Alles das ſahen Gockel, Hinkel, Gackeleia und Krono¬<lb/>
vus ganz ſtill mit tiefer Ruͤhrung an und nun ſprach Gacke¬<lb/>
leia: „das alſo iſt der ſchoͤne Blumenſarg unſrer Ahnfrau<lb/>
von dem du mir ſo oft erzaͤhlt liebe Mutter, daß die Engel<lb/>
die Blumen dazu im Himmelsgarten gepfluͤckt?“— da er¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[196/0248]
geres zu ſagen, als, ſie liebte uns.“ In der Hand hatte die
liebe Todte einige Heilkraͤuter, einen Strauß von Schluͤſ¬
ſelblumen, Chamomillen, Meliſſen, weißen Neſ¬
ſeln, Lindenbluͤthe und Orangenblaͤttern. — Ein
Monatroͤschen, das ſie lange gepflegt, bluͤhte in einem
Koͤrbchen an ihrer Seite. — Die ganze ſprechende Blumen¬
decke des Sarges war von einer immergruͤnen Epheuranke
uͤberſponnen, welche an dem Kreuze zu Haͤupten des Sar¬
ges hinanrankend ſagte: „immergruͤn iſt meine Treue, wer
will mich trennen von meiner Liebe, ich halte ihn und laſſe
ihn nicht. Wer iſt treuer als ich? ſelbſt von der Wurzel
getrennt, laſſe ich nicht von dem, was ich umarmte, und
gruͤne und lebe klammernd an meiner Stuͤtze. Mit ewigem
Gruͤn umſchließet die Treue die Aſche der Todten und bin¬
det die Scherben der Urne; denn losgeriſſen wuͤrde ſie ſter¬
ben. Selbſt den gefallenen Stamm umgruͤne ich. Seit ich
lebe, ringe ich aufwaͤrts, nicht aus eigener Kraft, ſondern
getragen von zuvorkommender Gnade, die ich dankbar mit
den Wurzeln meiner Zweige erfaße. — Weil ich barmherzig
den nackten Fels bekleide, decket die ewige Liebe meine eigne
Armuth und traͤgt mich aufwaͤrts mit den Barmherzigen,
die ſie ſelig ſpricht; auf daß ich aufſteige aus der Wuͤſte,
geſtuͤtzt auf den Geliebten uͤberfließend von Begluͤckungen.“ —
Solches und vieles andere ſtammelten die Blumen und Kraͤu¬
ter, womit die Geiſter der dankbaren Armen, denen Frau
Urhinkel alle Barmherzigkeit erwieſen hatte, ihren Sarg von
neuem ſchmuͤckten. — Als ſie den Sarg geſchmuͤckt hatten,
zogen ſie ſich zu beiden Seiten der Frau Urhinkel zuruͤck, er¬
hoben ihre Fahnen wieder und traten in den Hintergrund.
Alles das ſahen Gockel, Hinkel, Gackeleia und Krono¬
vus ganz ſtill mit tiefer Ruͤhrung an und nun ſprach Gacke¬
leia: „das alſo iſt der ſchoͤne Blumenſarg unſrer Ahnfrau
von dem du mir ſo oft erzaͤhlt liebe Mutter, daß die Engel
die Blumen dazu im Himmelsgarten gepfluͤckt?“ — da er¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/248>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.