Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838.

Bild:
<< vorherige Seite

Von dem Goldsack blasonirt,
Mit Papieren kraus verziert,
Grand-Kordon und Lorbeerkron,
Huldigung, Dedikation,
Und weil ich gemalt seyn muß,
Seh' ich dort mich als Modell
Vor dem kühnsten Genius,
Der sein eigner Pegasus,
Der sein eigner Musenquell,
Schöpfer schier, kaum Kreatur,
Alles lernte von Natur.
Ja, ein solcher Geist haucht nur
Treu in ganzer Positur
Und ursprünglicher Figur
Meiner Grazie Formenzauber
Auf die Leinwand zart und sauber;
O wie duftig! wie moelleux!
Kunst, das ist die höchste Höh!"
Hierauf breitete er die Arme mit großer Innigkeit aus und
sprach:

"Seyd umschlungen Millionen,
Diesen Kuß der ganzen Welt!
Schönste Psyche, o verschonen
Sie doch mein, ich hab' kein Geld,
Bin gerührt und alterirt,
Denn die Schildwach' präsentirt!"

Da brachte mir Sissi den Ring Salomonis durch das
Loch heraus, ich steckte ihn in tausend Freuden an den Fin¬
ger, drehte ihn und sagte voll Neugier:

"Ringlein sag' mir unversäumt,
Was der Petschaftstecher träumt!"

Und gleich sah ich, daß dem Petschierstecher Alles, was
er im Schild führte, in einem prächtigen Wappen im Traume
vorgestellt wurde. Ein Geldsack war der Helm, allerlei Pa¬
piere und Wechselbriefe die Helmzierde, er selbst stand voll An¬
stand in der Mitte, ein Genius krönte ihn mit Lorbeern, ein

Von dem Goldſack blaſonirt,
Mit Papieren kraus verziert,
Grand-Kordon und Lorbeerkron,
Huldigung, Dedikation,
Und weil ich gemalt ſeyn muß,
Seh' ich dort mich als Modell
Vor dem kuͤhnſten Genius,
Der ſein eigner Pegaſus,
Der ſein eigner Muſenquell,
Schoͤpfer ſchier, kaum Kreatur,
Alles lernte von Natur.
Ja, ein ſolcher Geiſt haucht nur
Treu in ganzer Poſitur
Und urſpruͤnglicher Figur
Meiner Grazie Formenzauber
Auf die Leinwand zart und ſauber;
O wie duftig! wie moelleux!
Kunſt, das iſt die hoͤchſte Hoͤh!“
Hierauf breitete er die Arme mit großer Innigkeit aus und
ſprach:

„Seyd umſchlungen Millionen,
Dieſen Kuß der ganzen Welt!
Schoͤnſte Pſyche, o verſchonen
Sie doch mein, ich hab' kein Geld,
Bin geruͤhrt und alterirt,
Denn die Schildwach' praͤſentirt!“

Da brachte mir Siſſi den Ring Salomonis durch das
Loch heraus, ich ſteckte ihn in tauſend Freuden an den Fin¬
ger, drehte ihn und ſagte voll Neugier:

„Ringlein ſag' mir unverſaͤumt,
Was der Petſchaftſtecher traͤumt!“

Und gleich ſah ich, daß dem Petſchierſtecher Alles, was
er im Schild fuͤhrte, in einem praͤchtigen Wappen im Traume
vorgeſtellt wurde. Ein Geldſack war der Helm, allerlei Pa¬
piere und Wechſelbriefe die Helmzierde, er ſelbſt ſtand voll An¬
ſtand in der Mitte, ein Genius kroͤnte ihn mit Lorbeern, ein

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><lg type="poem"><pb facs="#f0228" n="178"/><l>Von dem Gold&#x017F;ack bla&#x017F;onirt,</l><lb/><l>Mit Papieren kraus verziert,</l><lb/><l>Grand-Kordon und Lorbeerkron,</l><lb/><l>Huldigung, Dedikation,</l><lb/><l>Und weil ich gemalt &#x017F;eyn muß,</l><lb/><l>Seh' ich dort mich als Modell</l><lb/><l>Vor dem ku&#x0364;hn&#x017F;ten Genius,</l><lb/><l>Der &#x017F;ein eigner Pega&#x017F;us,</l><lb/><l>Der &#x017F;ein eigner Mu&#x017F;enquell,</l><lb/><l>Scho&#x0364;pfer &#x017F;chier, kaum Kreatur,</l><lb/><l>Alles lernte von Natur.</l><lb/><l>Ja, ein &#x017F;olcher Gei&#x017F;t haucht nur</l><lb/><l>Treu in ganzer Po&#x017F;itur</l><lb/><l>Und ur&#x017F;pru&#x0364;nglicher Figur</l><lb/><l>Meiner Grazie Formenzauber</l><lb/><l>Auf die Leinwand zart und &#x017F;auber;</l><lb/><l>O wie duftig! wie <hi rendition="#aq">moelleux</hi>!</l><lb/><l>Kun&#x017F;t, das i&#x017F;t die ho&#x0364;ch&#x017F;te Ho&#x0364;h!&#x201C;</l><lb/></lg> Hierauf breitete er die Arme mit großer Innigkeit aus und<lb/>
&#x017F;prach:</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <l>&#x201E;Seyd um&#x017F;chlungen Millionen,</l><lb/>
          <l>Die&#x017F;en Kuß der ganzen Welt!</l><lb/>
          <l>Scho&#x0364;n&#x017F;te P&#x017F;yche, o ver&#x017F;chonen</l><lb/>
          <l>Sie doch mein, ich hab' kein Geld,</l><lb/>
          <l>Bin geru&#x0364;hrt und alterirt,</l><lb/>
          <l>Denn die Schildwach' pra&#x0364;&#x017F;entirt!&#x201C;</l><lb/>
        </lg>
        <p>Da brachte mir Si&#x017F;&#x017F;i den Ring Salomonis durch das<lb/>
Loch heraus, ich &#x017F;teckte ihn in tau&#x017F;end Freuden an den Fin¬<lb/>
ger, drehte ihn und &#x017F;agte voll Neugier:</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <l>&#x201E;Ringlein &#x017F;ag' mir unver&#x017F;a&#x0364;umt,</l><lb/>
          <l>Was der Pet&#x017F;chaft&#x017F;techer tra&#x0364;umt!&#x201C;</l><lb/>
        </lg>
        <p>Und gleich &#x017F;ah ich, daß dem Pet&#x017F;chier&#x017F;techer Alles, was<lb/>
er im Schild fu&#x0364;hrte, in einem pra&#x0364;chtigen Wappen im Traume<lb/>
vorge&#x017F;tellt wurde. Ein Geld&#x017F;ack war der Helm, allerlei Pa¬<lb/>
piere und Wech&#x017F;elbriefe die Helmzierde, er &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;tand voll An¬<lb/>
&#x017F;tand in der Mitte, ein Genius kro&#x0364;nte ihn mit Lorbeern, ein<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[178/0228] Von dem Goldſack blaſonirt, Mit Papieren kraus verziert, Grand-Kordon und Lorbeerkron, Huldigung, Dedikation, Und weil ich gemalt ſeyn muß, Seh' ich dort mich als Modell Vor dem kuͤhnſten Genius, Der ſein eigner Pegaſus, Der ſein eigner Muſenquell, Schoͤpfer ſchier, kaum Kreatur, Alles lernte von Natur. Ja, ein ſolcher Geiſt haucht nur Treu in ganzer Poſitur Und urſpruͤnglicher Figur Meiner Grazie Formenzauber Auf die Leinwand zart und ſauber; O wie duftig! wie moelleux! Kunſt, das iſt die hoͤchſte Hoͤh!“ Hierauf breitete er die Arme mit großer Innigkeit aus und ſprach: „Seyd umſchlungen Millionen, Dieſen Kuß der ganzen Welt! Schoͤnſte Pſyche, o verſchonen Sie doch mein, ich hab' kein Geld, Bin geruͤhrt und alterirt, Denn die Schildwach' praͤſentirt!“ Da brachte mir Siſſi den Ring Salomonis durch das Loch heraus, ich ſteckte ihn in tauſend Freuden an den Fin¬ ger, drehte ihn und ſagte voll Neugier: „Ringlein ſag' mir unverſaͤumt, Was der Petſchaftſtecher traͤumt!“ Und gleich ſah ich, daß dem Petſchierſtecher Alles, was er im Schild fuͤhrte, in einem praͤchtigen Wappen im Traume vorgeſtellt wurde. Ein Geldſack war der Helm, allerlei Pa¬ piere und Wechſelbriefe die Helmzierde, er ſelbſt ſtand voll An¬ ſtand in der Mitte, ein Genius kroͤnte ihn mit Lorbeern, ein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/228
Zitationshilfe: Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/228>, abgerufen am 24.11.2024.