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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838.

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dies Ei, welches Kronovus seinen Worte getreu mit 1 Gul¬
den 30 Kreuzer beschwert dort hin versteckt hatte."

Gockel und Hinkel sahen das Ei mit großer Rührung
an, die beiden Mäuschen kamen herbeigelaufen und tanzten
lustig umher, als gäben sie ihren Beifall. Frau Hinkel aber
sagte: "erzähle weiter Gackeleia, damit du einmal von all
dem Ungeziefer wegkommst" und Gackeleia fuhr fort:

Gleich werde ich davon weg seyn, um zu noch viel
ärgerm Ungeziefer zu kommen. Ich hatte mich pumpsatt ge¬
gessen
, ich packte die Puppe -- nein die nur eine schöne
Kunstfigur -- in mein Körbchen, ich legte mein liebes Ei, einige
Aepfel und Haselnüße und den halben Bubenschenkel, der
noch übrig, hinein und auch das Würstchen und von dem
Moos meines Lagers; kaum war ich fertig, da kam Prinz
Speckelfleck und Prinzeß Mandelbiß und hüpften in das
Körbchen und pfifferten allerlei, was ich nicht verstand --
aber es mußte wohl heißen, daß meine Sendung ausgerich¬
tet sey, denn ich sah das Andringen von unzähligen Mäusen
mit Erde und Rasen durch alle Straßen und Schluchten in
solcher Menge, daß ich mich auf die Höhe vor den Dom
retirirte, um keinen der Arbeiter zu zertreten. Es war ein
wunderbarer Anblick, viele strömten gegen die Pulvertonne
hin und bissen die Dornen und Disteln rings weg, andere
wühlten Erde und Lehm auf, andere benetzten sie und mach¬
ten Klumpen daraus, dann legten sich Ratzen und Mäuse auf
den Rücken und faßten die Erde mit den Füßen, und die andern
zogen sie bei den Schweifen wie beladene Wagen fort. Vor
allen zeichnete sich die Marquise Marmotte aus, sie hatte
einen Klumpen Rasen, größer als ein Backstein, zwischen
ihren Pfoten, der Chevalier Muskardin und der edle Piloris
spannten sich vor und zogen sie bis an die Pulvertonne; der
edle Igeljüngling war auch mit Rasenstücken bedeckt und
trug sie hinauf. -- Ich segnete die liebe Mäusestadt und eilte

dies Ei, welches Kronovus ſeinen Worte getreu mit 1 Gul¬
den 30 Kreuzer beſchwert dort hin verſteckt hatte.“

Gockel und Hinkel ſahen das Ei mit großer Ruͤhrung
an, die beiden Maͤuschen kamen herbeigelaufen und tanzten
luſtig umher, als gaͤben ſie ihren Beifall. Frau Hinkel aber
ſagte: „erzaͤhle weiter Gackeleia, damit du einmal von all
dem Ungeziefer wegkommſt“ und Gackeleia fuhr fort:

Gleich werde ich davon weg ſeyn, um zu noch viel
aͤrgerm Ungeziefer zu kommen. Ich hatte mich pumpſatt ge¬
geſſen
, ich packte die Puppe — nein die nur eine ſchoͤne
Kunſtfigur — in mein Koͤrbchen, ich legte mein liebes Ei, einige
Aepfel und Haſelnuͤße und den halben Bubenſchenkel, der
noch uͤbrig, hinein und auch das Wuͤrſtchen und von dem
Moos meines Lagers; kaum war ich fertig, da kam Prinz
Speckelfleck und Prinzeß Mandelbiß und huͤpften in das
Koͤrbchen und pfifferten allerlei, was ich nicht verſtand —
aber es mußte wohl heißen, daß meine Sendung ausgerich¬
tet ſey, denn ich ſah das Andringen von unzaͤhligen Maͤuſen
mit Erde und Raſen durch alle Straßen und Schluchten in
ſolcher Menge, daß ich mich auf die Hoͤhe vor den Dom
retirirte, um keinen der Arbeiter zu zertreten. Es war ein
wunderbarer Anblick, viele ſtroͤmten gegen die Pulvertonne
hin und biſſen die Dornen und Diſteln rings weg, andere
wuͤhlten Erde und Lehm auf, andere benetzten ſie und mach¬
ten Klumpen daraus, dann legten ſich Ratzen und Maͤuſe auf
den Ruͤcken und faßten die Erde mit den Fuͤßen, und die andern
zogen ſie bei den Schweifen wie beladene Wagen fort. Vor
allen zeichnete ſich die Marquiſe Marmotte aus, ſie hatte
einen Klumpen Raſen, groͤßer als ein Backſtein, zwiſchen
ihren Pfoten, der Chevalier Muskardin und der edle Piloris
ſpannten ſich vor und zogen ſie bis an die Pulvertonne; der
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trug ſie hinauf. — Ich ſegnete die liebe Maͤuſeſtadt und eilte

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[170/0218] dies Ei, welches Kronovus ſeinen Worte getreu mit 1 Gul¬ den 30 Kreuzer beſchwert dort hin verſteckt hatte.“ Gockel und Hinkel ſahen das Ei mit großer Ruͤhrung an, die beiden Maͤuschen kamen herbeigelaufen und tanzten luſtig umher, als gaͤben ſie ihren Beifall. Frau Hinkel aber ſagte: „erzaͤhle weiter Gackeleia, damit du einmal von all dem Ungeziefer wegkommſt“ und Gackeleia fuhr fort: Gleich werde ich davon weg ſeyn, um zu noch viel aͤrgerm Ungeziefer zu kommen. Ich hatte mich pumpſatt ge¬ geſſen, ich packte die Puppe — nein die nur eine ſchoͤne Kunſtfigur — in mein Koͤrbchen, ich legte mein liebes Ei, einige Aepfel und Haſelnuͤße und den halben Bubenſchenkel, der noch uͤbrig, hinein und auch das Wuͤrſtchen und von dem Moos meines Lagers; kaum war ich fertig, da kam Prinz Speckelfleck und Prinzeß Mandelbiß und huͤpften in das Koͤrbchen und pfifferten allerlei, was ich nicht verſtand — aber es mußte wohl heißen, daß meine Sendung ausgerich¬ tet ſey, denn ich ſah das Andringen von unzaͤhligen Maͤuſen mit Erde und Raſen durch alle Straßen und Schluchten in ſolcher Menge, daß ich mich auf die Hoͤhe vor den Dom retirirte, um keinen der Arbeiter zu zertreten. Es war ein wunderbarer Anblick, viele ſtroͤmten gegen die Pulvertonne hin und biſſen die Dornen und Diſteln rings weg, andere wuͤhlten Erde und Lehm auf, andere benetzten ſie und mach¬ ten Klumpen daraus, dann legten ſich Ratzen und Maͤuſe auf den Ruͤcken und faßten die Erde mit den Fuͤßen, und die andern zogen ſie bei den Schweifen wie beladene Wagen fort. Vor allen zeichnete ſich die Marquiſe Marmotte aus, ſie hatte einen Klumpen Raſen, groͤßer als ein Backſtein, zwiſchen ihren Pfoten, der Chevalier Muskardin und der edle Piloris ſpannten ſich vor und zogen ſie bis an die Pulvertonne; der edle Igeljuͤngling war auch mit Raſenſtuͤcken bedeckt und trug ſie hinauf. — Ich ſegnete die liebe Maͤuſeſtadt und eilte

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Zitationshilfe: Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/218>, abgerufen am 26.04.2024.