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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Riesenmuschel.
woraus man dann wohl leicht abnehmen kann, wie schwer diese Muschel sein muß. Wenn
man die Schale zerschlägt, so siehet man, daß sie aus verschiedenen Rinden zusammengesetzt ist.
Die jüngste Lage ist allezeit die vorderste und hat einen so scharfen Rand, daß man sich daran,
wie an einem Messer schneiden kann. Aus dieser Ursache muß man mit diesen Muscheln behutsam
umgehen, so lange des Thier noch darin ist, wenn man sich nicht verwunden will. Man hat es
wenigstens auf unseren Schaluppen in den Molukkischen und Papurisischen Jnseln aus der Erfahrung,
daß diese Muscheln, die daselbst wohl am größten sind, die Anker-Taue und Stricke (wenn die
Matrosen solche ungefähr daselbst fallen lassen, daß sie zwischen die Schalen der Muscheln gerathen)
dergestalt durch Zusammenziehung ihrer Schalen abkneipen, als ob sie ordentlich mit einem Beil
abgehackt wären. So würde ein Jeder, der die klaffende Muschel mit der Hand angreifen wollte,
seine Hand verlieren, wenn er nicht vorher etwas zwischen die Schale legt, um das Zusammen-
schließen derselben zu verhindern. Die Fischer holen diese Muscheln folgender Gestalt aus dem
Wasser hervor. Ein Taucher thut einen Strick in Gestalt einer Schleife herum, danach ziehen
sie alle zusammen die Schale in die Höhe. Sodann suchen sie mit einem Messer durch die Oeffnung
an der Seite zu kommen und den sogenannten Pfeiler oder die Sehnen zu durchschneiden, weil
alle Kraft des Thieres in derselben besteht. Alsdann klaffen die Schalen von selbst und können
sich nicht wieder schließen. Auf diese Weise errettet man auch alle Thiere und Menschen, die
von ungefähr zwischen diese Schalen fest geknellet werden."

Auch die Riesen-Tridacna, wie so manche andere mit dem Byssus versehene Muscheln
(Pinna, Mytilus) wird von weichschaligen Krebsen als ein sicheres Wohnzimmer benutzt. "Dieses
unschickliche Thier", sagt Rumph weiter, "hat allezeit einen Gesellen bei sich, welcher gleichsam
sein Hüter ist und besteht derselbe in einem gewissen kleinen Garneel, den wir früher unter dem
Namen Pinnotheres beschrieben haben. Dieses Thierchen kneipt die Muschel in das Fleisch,
wenn es sieht, daß ein guter Fang zu thun ist, worauf dann die Muschel gleich die Schalen
zukneipt; ja man glaubt, daß diese Muschel, weil sie keine Augen hat und sich vor die Räuber
nicht in Acht nehmen kann, auch nicht im Leben bleiben könnte, wenn etwa dieser Pinnahüter
von ungefähr sich aus der Schale verlöre."

Außer manchen seltsamen Dingen, wie z. B., daß die Gienmuschel, wenn sie sich zur Nachtzeit
öffne, ein helles Licht oder einen fernhin bemerkbaren Glanz von sich gebe, daß ein anderer
Augenzeuge in einer klaffenden Gienmuschel etwas Helles wahrgenommen, das wie ein köstlicher
Stein glänzte, außer solchen Dingen führt unser Holländer noch einige Beispiele von der Größe
und Kraft der Tridacna gigas an. Jm Jahr 1681 wurden bei Celebes zwei dieser Muscheln
gefunden, wovon die eine acht Schuh zwei Zoll, die andere sechs Schuh und fünf Zoll im Umfang
hatte. Die eine, in welche ein Matrose ein starkes Brecheisen hineinstieß, bog dasselbe durch
Zuklappen der Schalen krumm. Die Stärke des Muskels und das Gewicht der Schalen, das
gegen drei Centner beträgt, erklären dieß.

Sehr ausführlich hat Rumph das Vorkommen dieser Riesenmuscheln auf den Höhen und
Gebirgen von Amboina und den Molukken besprochen. Es ist lehrreich, den Fortschritt unserer
Zeit mit der Befangenheit der letzten Jahrzehnte des 17. Jahrhunderts zu vergleichen. Er fand
also auf den Höhen von Amboina Tridacnen von solcher Größe, daß vier bis sechs Mann genug
daran zu tragen hatten, und in solchen Massen und unter solchen Umständen der Lagerung, daß
auch ihm schon die Annahme, Menschenhände hätten dieselben auf die Berge geschafft, ganz absurd
erschien. Er erwägt auch die damals sehr gangbare Meinung, daß die Versteinerungen und
Fossilien "gleichsam eine natürliche Frucht der Klippen, und auf den Bergen gewachsen" seien.
Allein auch diese Theorie hält er nach Erwägung aller Gründe für unwahrscheinlich und ungereimt.
"Wenn denn nun diese Muscheln nicht auf den Bergen gewachsen sind, noch von Menschen dahin
getragen worden, so sind keine näheren Ursachen ausfindig zu machen als daß sie durch eine große
Fluth dahin müssen gekommen sein, und dieses wissen wir aus der h. Schrift, daß es nur ein

Rieſenmuſchel.
woraus man dann wohl leicht abnehmen kann, wie ſchwer dieſe Muſchel ſein muß. Wenn
man die Schale zerſchlägt, ſo ſiehet man, daß ſie aus verſchiedenen Rinden zuſammengeſetzt iſt.
Die jüngſte Lage iſt allezeit die vorderſte und hat einen ſo ſcharfen Rand, daß man ſich daran,
wie an einem Meſſer ſchneiden kann. Aus dieſer Urſache muß man mit dieſen Muſcheln behutſam
umgehen, ſo lange des Thier noch darin iſt, wenn man ſich nicht verwunden will. Man hat es
wenigſtens auf unſeren Schaluppen in den Molukkiſchen und Papuriſiſchen Jnſeln aus der Erfahrung,
daß dieſe Muſcheln, die daſelbſt wohl am größten ſind, die Anker-Taue und Stricke (wenn die
Matroſen ſolche ungefähr daſelbſt fallen laſſen, daß ſie zwiſchen die Schalen der Muſcheln gerathen)
dergeſtalt durch Zuſammenziehung ihrer Schalen abkneipen, als ob ſie ordentlich mit einem Beil
abgehackt wären. So würde ein Jeder, der die klaffende Muſchel mit der Hand angreifen wollte,
ſeine Hand verlieren, wenn er nicht vorher etwas zwiſchen die Schale legt, um das Zuſammen-
ſchließen derſelben zu verhindern. Die Fiſcher holen dieſe Muſcheln folgender Geſtalt aus dem
Waſſer hervor. Ein Taucher thut einen Strick in Geſtalt einer Schleife herum, danach ziehen
ſie alle zuſammen die Schale in die Höhe. Sodann ſuchen ſie mit einem Meſſer durch die Oeffnung
an der Seite zu kommen und den ſogenannten Pfeiler oder die Sehnen zu durchſchneiden, weil
alle Kraft des Thieres in derſelben beſteht. Alsdann klaffen die Schalen von ſelbſt und können
ſich nicht wieder ſchließen. Auf dieſe Weiſe errettet man auch alle Thiere und Menſchen, die
von ungefähr zwiſchen dieſe Schalen feſt geknellet werden.“

Auch die Rieſen-Tridacna, wie ſo manche andere mit dem Byſſus verſehene Muſcheln
(Pinna, Mytilus) wird von weichſchaligen Krebſen als ein ſicheres Wohnzimmer benutzt. „Dieſes
unſchickliche Thier“, ſagt Rumph weiter, „hat allezeit einen Geſellen bei ſich, welcher gleichſam
ſein Hüter iſt und beſteht derſelbe in einem gewiſſen kleinen Garneel, den wir früher unter dem
Namen Pinnotheres beſchrieben haben. Dieſes Thierchen kneipt die Muſchel in das Fleiſch,
wenn es ſieht, daß ein guter Fang zu thun iſt, worauf dann die Muſchel gleich die Schalen
zukneipt; ja man glaubt, daß dieſe Muſchel, weil ſie keine Augen hat und ſich vor die Räuber
nicht in Acht nehmen kann, auch nicht im Leben bleiben könnte, wenn etwa dieſer Pinnahüter
von ungefähr ſich aus der Schale verlöre.“

Außer manchen ſeltſamen Dingen, wie z. B., daß die Gienmuſchel, wenn ſie ſich zur Nachtzeit
öffne, ein helles Licht oder einen fernhin bemerkbaren Glanz von ſich gebe, daß ein anderer
Augenzeuge in einer klaffenden Gienmuſchel etwas Helles wahrgenommen, das wie ein köſtlicher
Stein glänzte, außer ſolchen Dingen führt unſer Holländer noch einige Beiſpiele von der Größe
und Kraft der Tridacna gigas an. Jm Jahr 1681 wurden bei Celebes zwei dieſer Muſcheln
gefunden, wovon die eine acht Schuh zwei Zoll, die andere ſechs Schuh und fünf Zoll im Umfang
hatte. Die eine, in welche ein Matroſe ein ſtarkes Brecheiſen hineinſtieß, bog daſſelbe durch
Zuklappen der Schalen krumm. Die Stärke des Muskels und das Gewicht der Schalen, das
gegen drei Centner beträgt, erklären dieß.

Sehr ausführlich hat Rumph das Vorkommen dieſer Rieſenmuſcheln auf den Höhen und
Gebirgen von Amboina und den Molukken beſprochen. Es iſt lehrreich, den Fortſchritt unſerer
Zeit mit der Befangenheit der letzten Jahrzehnte des 17. Jahrhunderts zu vergleichen. Er fand
alſo auf den Höhen von Amboina Tridacnen von ſolcher Größe, daß vier bis ſechs Mann genug
daran zu tragen hatten, und in ſolchen Maſſen und unter ſolchen Umſtänden der Lagerung, daß
auch ihm ſchon die Annahme, Menſchenhände hätten dieſelben auf die Berge geſchafft, ganz abſurd
erſchien. Er erwägt auch die damals ſehr gangbare Meinung, daß die Verſteinerungen und
Foſſilien „gleichſam eine natürliche Frucht der Klippen, und auf den Bergen gewachſen“ ſeien.
Allein auch dieſe Theorie hält er nach Erwägung aller Gründe für unwahrſcheinlich und ungereimt.
„Wenn denn nun dieſe Muſcheln nicht auf den Bergen gewachſen ſind, noch von Menſchen dahin
getragen worden, ſo ſind keine näheren Urſachen ausfindig zu machen als daß ſie durch eine große
Fluth dahin müſſen gekommen ſein, und dieſes wiſſen wir aus der h. Schrift, daß es nur ein

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[937/0985] Rieſenmuſchel. woraus man dann wohl leicht abnehmen kann, wie ſchwer dieſe Muſchel ſein muß. Wenn man die Schale zerſchlägt, ſo ſiehet man, daß ſie aus verſchiedenen Rinden zuſammengeſetzt iſt. Die jüngſte Lage iſt allezeit die vorderſte und hat einen ſo ſcharfen Rand, daß man ſich daran, wie an einem Meſſer ſchneiden kann. Aus dieſer Urſache muß man mit dieſen Muſcheln behutſam umgehen, ſo lange des Thier noch darin iſt, wenn man ſich nicht verwunden will. Man hat es wenigſtens auf unſeren Schaluppen in den Molukkiſchen und Papuriſiſchen Jnſeln aus der Erfahrung, daß dieſe Muſcheln, die daſelbſt wohl am größten ſind, die Anker-Taue und Stricke (wenn die Matroſen ſolche ungefähr daſelbſt fallen laſſen, daß ſie zwiſchen die Schalen der Muſcheln gerathen) dergeſtalt durch Zuſammenziehung ihrer Schalen abkneipen, als ob ſie ordentlich mit einem Beil abgehackt wären. So würde ein Jeder, der die klaffende Muſchel mit der Hand angreifen wollte, ſeine Hand verlieren, wenn er nicht vorher etwas zwiſchen die Schale legt, um das Zuſammen- ſchließen derſelben zu verhindern. Die Fiſcher holen dieſe Muſcheln folgender Geſtalt aus dem Waſſer hervor. Ein Taucher thut einen Strick in Geſtalt einer Schleife herum, danach ziehen ſie alle zuſammen die Schale in die Höhe. Sodann ſuchen ſie mit einem Meſſer durch die Oeffnung an der Seite zu kommen und den ſogenannten Pfeiler oder die Sehnen zu durchſchneiden, weil alle Kraft des Thieres in derſelben beſteht. Alsdann klaffen die Schalen von ſelbſt und können ſich nicht wieder ſchließen. Auf dieſe Weiſe errettet man auch alle Thiere und Menſchen, die von ungefähr zwiſchen dieſe Schalen feſt geknellet werden.“ Auch die Rieſen-Tridacna, wie ſo manche andere mit dem Byſſus verſehene Muſcheln (Pinna, Mytilus) wird von weichſchaligen Krebſen als ein ſicheres Wohnzimmer benutzt. „Dieſes unſchickliche Thier“, ſagt Rumph weiter, „hat allezeit einen Geſellen bei ſich, welcher gleichſam ſein Hüter iſt und beſteht derſelbe in einem gewiſſen kleinen Garneel, den wir früher unter dem Namen Pinnotheres beſchrieben haben. Dieſes Thierchen kneipt die Muſchel in das Fleiſch, wenn es ſieht, daß ein guter Fang zu thun iſt, worauf dann die Muſchel gleich die Schalen zukneipt; ja man glaubt, daß dieſe Muſchel, weil ſie keine Augen hat und ſich vor die Räuber nicht in Acht nehmen kann, auch nicht im Leben bleiben könnte, wenn etwa dieſer Pinnahüter von ungefähr ſich aus der Schale verlöre.“ Außer manchen ſeltſamen Dingen, wie z. B., daß die Gienmuſchel, wenn ſie ſich zur Nachtzeit öffne, ein helles Licht oder einen fernhin bemerkbaren Glanz von ſich gebe, daß ein anderer Augenzeuge in einer klaffenden Gienmuſchel etwas Helles wahrgenommen, das wie ein köſtlicher Stein glänzte, außer ſolchen Dingen führt unſer Holländer noch einige Beiſpiele von der Größe und Kraft der Tridacna gigas an. Jm Jahr 1681 wurden bei Celebes zwei dieſer Muſcheln gefunden, wovon die eine acht Schuh zwei Zoll, die andere ſechs Schuh und fünf Zoll im Umfang hatte. Die eine, in welche ein Matroſe ein ſtarkes Brecheiſen hineinſtieß, bog daſſelbe durch Zuklappen der Schalen krumm. Die Stärke des Muskels und das Gewicht der Schalen, das gegen drei Centner beträgt, erklären dieß. Sehr ausführlich hat Rumph das Vorkommen dieſer Rieſenmuſcheln auf den Höhen und Gebirgen von Amboina und den Molukken beſprochen. Es iſt lehrreich, den Fortſchritt unſerer Zeit mit der Befangenheit der letzten Jahrzehnte des 17. Jahrhunderts zu vergleichen. Er fand alſo auf den Höhen von Amboina Tridacnen von ſolcher Größe, daß vier bis ſechs Mann genug daran zu tragen hatten, und in ſolchen Maſſen und unter ſolchen Umſtänden der Lagerung, daß auch ihm ſchon die Annahme, Menſchenhände hätten dieſelben auf die Berge geſchafft, ganz abſurd erſchien. Er erwägt auch die damals ſehr gangbare Meinung, daß die Verſteinerungen und Foſſilien „gleichſam eine natürliche Frucht der Klippen, und auf den Bergen gewachſen“ ſeien. Allein auch dieſe Theorie hält er nach Erwägung aller Gründe für unwahrſcheinlich und ungereimt. „Wenn denn nun dieſe Muſcheln nicht auf den Bergen gewachſen ſind, noch von Menſchen dahin getragen worden, ſo ſind keine näheren Urſachen ausfindig zu machen als daß ſie durch eine große Fluth dahin müſſen gekommen ſein, und dieſes wiſſen wir aus der h. Schrift, daß es nur ein

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 937. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/985>, abgerufen am 23.11.2024.