Die Eintheilung der Muscheln in die jetzt gebräuchlichen Ordnungen ist ein bloßer, der Uebersicht zu Hülfe kommender Nothbehelf, die Reihenfolge der Familien eine willkürliche. An ein System der Muscheln, welches annähernd wahrscheinlich den Stammbaum der eigentlichen Bluts- verwandtschaft gäbe, kann noch gar nicht gedacht werden, und wir durften darum auf die Najaden, welche uns am zugänglichsten zu sein pflegen, die Mießmuscheln folgen lassen, um neben frei beweglichen gleich auch mit dem Byssus ausgestattete Formen kennen zu lernen. Wie angedeutet, pflegt man die Mieß- und Steckmuscheln zwischen die eigentlichen Zweimuskler und die eigentlichen Einmuskler zu stellen, um in Verfolgung des einseitigen künstlichen Merkmales sich konsequent zu bleiben, indem zumal bei Mytilus der vordere Schließmuskel gegen den hinteren zurücktritt. Wenn wir nun aber, wie es in der Regel geschieht, die Reihe der Monomyarier oder der mit einem einzigen Schließmuskel versehenen Muscheln mit den Tridacnaceen beginnen, also auf Pinna folgen lassen Tridacna, so kann in anderer Beziehung kaum ein größerer Gegensatz gedacht werden.
Auch die Tridacna, von der wir beistehend die Abbildung haben nach hinweggenommener linken Schalenhälfte, ist, ganz genau genommen, noch keine wahre einmuskelige Muschel, indem nur ihre beiden Schließmuskeln (c) einander so genähert sind, daß sie einen einzigen auszumachen
[Abbildung]
Tridacna mutica.
scheinen. Der Mantel ist bis auf drei Oeffnungen voll- ständig geschlossen. Die mittlere, an der Unterseite gelegene Oeffnung (a) läßt das Athemwasser und die Nahrung ein- treten. Von ihr ziemlich entfernt liegt die Asteröffnung (b). Die vordere Oeffnung ist ein ansehnlicher Spalt (d) für den kurzen Fuß, aus welchem der Bart (e) entspringt. Das Gehäus der genannten Sippe ist regelmäßig, die beiden Schalenhälften einander gleich, aber ungleichseitig. Die sogenannte Lunula, d. h. der bei den meisten Muscheln vorhandene geschlossene und umrandete Raum unmittelbar vor den Wirbein ist offen, so daß es für den Durchtritt des Fußes und Byssus nicht einer anderen klaffenden Stelle bedarf, wie bei den anderen, mit Bart versehenen Muscheln. Der Schlitz für den Fuß ist damit ganz nach oben gerückt. Alle Tridacnen gehören dem chinesischen Meere, dem indischen Ocean mit dem rothen Meere und der Südsee an und zeichnen sich durch dicke Schalen mit wulstigen, oft geschuppten Rippen aus, deren Enden gleich großen Zähnen beim Schließen fest ineinander passen. Die größte aller Muscheln ist Tridacna gigas, die Riesenmuschel, die in manchen Kirchen als Weihkessel benutzt wird, und welche man in den größeren Museen gewöhnlich auf einer soliden Säule abseits aufgestellt findet. Die ältesten Nachrichten von ihr, welche wir bei Rumph finden, sind durch neuere Beobachtungen nicht überholt.
"Die See-Gienmuschel wird drei bis fünf Schuhe lang. Die Schuppen sind wohl zwe Messer dick, aber mehrentheils stumpf und äußerlich abgebrochen. Auswendig sind sie dergestalt mit Seeschlamm bewachsen, daß man sie kaum rein machen kann. Die Dicke der Schale trägt gemeinlich eine Querhand aus, ja man findet solche, die über einen halben Schuh dick sind,
Muſcheln. Monomyarier. Tridacnaceen.
Zweite Ordnung. Monomyarier (Monomyaria).
Die Eintheilung der Muſcheln in die jetzt gebräuchlichen Ordnungen iſt ein bloßer, der Ueberſicht zu Hülfe kommender Nothbehelf, die Reihenfolge der Familien eine willkürliche. An ein Syſtem der Muſcheln, welches annähernd wahrſcheinlich den Stammbaum der eigentlichen Bluts- verwandtſchaft gäbe, kann noch gar nicht gedacht werden, und wir durften darum auf die Najaden, welche uns am zugänglichſten zu ſein pflegen, die Mießmuſcheln folgen laſſen, um neben frei beweglichen gleich auch mit dem Byſſus ausgeſtattete Formen kennen zu lernen. Wie angedeutet, pflegt man die Mieß- und Steckmuſcheln zwiſchen die eigentlichen Zweimuskler und die eigentlichen Einmuskler zu ſtellen, um in Verfolgung des einſeitigen künſtlichen Merkmales ſich konſequent zu bleiben, indem zumal bei Mytilus der vordere Schließmuskel gegen den hinteren zurücktritt. Wenn wir nun aber, wie es in der Regel geſchieht, die Reihe der Monomyarier oder der mit einem einzigen Schließmuskel verſehenen Muſcheln mit den Tridacnaceen beginnen, alſo auf Pinna folgen laſſen Tridacna, ſo kann in anderer Beziehung kaum ein größerer Gegenſatz gedacht werden.
Auch die Tridacna, von der wir beiſtehend die Abbildung haben nach hinweggenommener linken Schalenhälfte, iſt, ganz genau genommen, noch keine wahre einmuskelige Muſchel, indem nur ihre beiden Schließmuskeln (c) einander ſo genähert ſind, daß ſie einen einzigen auszumachen
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Tridacna mutica.
ſcheinen. Der Mantel iſt bis auf drei Oeffnungen voll- ſtändig geſchloſſen. Die mittlere, an der Unterſeite gelegene Oeffnung (a) läßt das Athemwaſſer und die Nahrung ein- treten. Von ihr ziemlich entfernt liegt die Aſteröffnung (b). Die vordere Oeffnung iſt ein anſehnlicher Spalt (d) für den kurzen Fuß, aus welchem der Bart (e) entſpringt. Das Gehäus der genannten Sippe iſt regelmäßig, die beiden Schalenhälften einander gleich, aber ungleichſeitig. Die ſogenannte Lunula, d. h. der bei den meiſten Muſcheln vorhandene geſchloſſene und umrandete Raum unmittelbar vor den Wirbein iſt offen, ſo daß es für den Durchtritt des Fußes und Byſſus nicht einer anderen klaffenden Stelle bedarf, wie bei den anderen, mit Bart verſehenen Muſcheln. Der Schlitz für den Fuß iſt damit ganz nach oben gerückt. Alle Tridacnen gehören dem chineſiſchen Meere, dem indiſchen Ocean mit dem rothen Meere und der Südſee an und zeichnen ſich durch dicke Schalen mit wulſtigen, oft geſchuppten Rippen aus, deren Enden gleich großen Zähnen beim Schließen feſt ineinander paſſen. Die größte aller Muſcheln iſt Tridacna gigas, die Rieſenmuſchel, die in manchen Kirchen als Weihkeſſel benutzt wird, und welche man in den größeren Muſeen gewöhnlich auf einer ſoliden Säule abſeits aufgeſtellt findet. Die älteſten Nachrichten von ihr, welche wir bei Rumph finden, ſind durch neuere Beobachtungen nicht überholt.
„Die See-Gienmuſchel wird drei bis fünf Schuhe lang. Die Schuppen ſind wohl zwe Meſſer dick, aber mehrentheils ſtumpf und äußerlich abgebrochen. Auswendig ſind ſie dergeſtalt mit Seeſchlamm bewachſen, daß man ſie kaum rein machen kann. Die Dicke der Schale trägt gemeinlich eine Querhand aus, ja man findet ſolche, die über einen halben Schuh dick ſind,
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Muſcheln. Monomyarier. Tridacnaceen.
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Monomyarier (Monomyaria).
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Ueberſicht zu Hülfe kommender Nothbehelf, die Reihenfolge der Familien eine willkürliche. An ein
Syſtem der Muſcheln, welches annähernd wahrſcheinlich den Stammbaum der eigentlichen Bluts-
verwandtſchaft gäbe, kann noch gar nicht gedacht werden, und wir durften darum auf die Najaden,
welche uns am zugänglichſten zu ſein pflegen, die Mießmuſcheln folgen laſſen, um neben frei
beweglichen gleich auch mit dem Byſſus ausgeſtattete Formen kennen zu lernen. Wie angedeutet,
pflegt man die Mieß- und Steckmuſcheln zwiſchen die eigentlichen Zweimuskler und die eigentlichen
Einmuskler zu ſtellen, um in Verfolgung des einſeitigen künſtlichen Merkmales ſich konſequent zu
bleiben, indem zumal bei Mytilus der vordere Schließmuskel gegen den hinteren zurücktritt. Wenn
wir nun aber, wie es in der Regel geſchieht, die Reihe der Monomyarier oder der mit einem
einzigen Schließmuskel verſehenen Muſcheln mit den Tridacnaceen beginnen, alſo auf Pinna
folgen laſſen Tridacna, ſo kann in anderer Beziehung kaum ein größerer Gegenſatz gedacht werden.
Auch die Tridacna, von der wir beiſtehend die Abbildung haben nach hinweggenommener
linken Schalenhälfte, iſt, ganz genau genommen, noch keine wahre einmuskelige Muſchel, indem
nur ihre beiden Schließmuskeln (c) einander ſo genähert ſind, daß ſie einen einzigen auszumachen
[Abbildung Tridacna mutica.]
ſcheinen. Der Mantel iſt bis auf drei Oeffnungen voll-
ſtändig geſchloſſen. Die mittlere, an der Unterſeite gelegene
Oeffnung (a) läßt das Athemwaſſer und die Nahrung ein-
treten. Von ihr ziemlich entfernt liegt die Aſteröffnung (b).
Die vordere Oeffnung iſt ein anſehnlicher Spalt (d) für
den kurzen Fuß, aus welchem der Bart (e) entſpringt.
Das Gehäus der genannten Sippe iſt regelmäßig, die
beiden Schalenhälften einander gleich, aber ungleichſeitig.
Die ſogenannte Lunula, d. h. der bei den meiſten Muſcheln
vorhandene geſchloſſene und umrandete Raum unmittelbar
vor den Wirbein iſt offen, ſo daß es für den Durchtritt des
Fußes und Byſſus nicht einer anderen klaffenden Stelle
bedarf, wie bei den anderen, mit Bart verſehenen Muſcheln.
Der Schlitz für den Fuß iſt damit ganz nach oben gerückt.
Alle Tridacnen gehören dem chineſiſchen Meere, dem
indiſchen Ocean mit dem rothen Meere und der Südſee
an und zeichnen ſich durch dicke Schalen mit wulſtigen,
oft geſchuppten Rippen aus, deren Enden gleich großen
Zähnen beim Schließen feſt ineinander paſſen. Die
größte aller Muſcheln iſt Tridacna gigas, die Rieſenmuſchel, die in manchen Kirchen als
Weihkeſſel benutzt wird, und welche man in den größeren Muſeen gewöhnlich auf einer ſoliden
Säule abſeits aufgeſtellt findet. Die älteſten Nachrichten von ihr, welche wir bei Rumph
finden, ſind durch neuere Beobachtungen nicht überholt.
„Die See-Gienmuſchel wird drei bis fünf Schuhe lang. Die Schuppen ſind wohl zwe
Meſſer dick, aber mehrentheils ſtumpf und äußerlich abgebrochen. Auswendig ſind ſie dergeſtalt
mit Seeſchlamm bewachſen, daß man ſie kaum rein machen kann. Die Dicke der Schale trägt
gemeinlich eine Querhand aus, ja man findet ſolche, die über einen halben Schuh dick ſind,
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 936. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/984>, abgerufen am 23.11.2024.
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