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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Sammet-, Lanzett-Schnecke.
Saum der Hautlappen ist abgerundet und ungefähr halb so dick, wie die Fühler. Die Haupt-
farbe des Kopfes, der Fühler, des Vorderrückens und der äußeren Flächen der Hautlappen ist ein
sammetweiches Schwarz, das bald in Grün, bald in Braun überspielt; die Hauptfarbe des Fußes
ist olivengrün. Dazu kommen aber schneeweiße Flecke und überall in der Haut vertheilte metallisch
glänzende, grünblaue und rothweiße Pünktchen. Die letzteren Farbeneffekte werden, wie erst eine
hundertfältige Vergrößerung zeigt, durch zartwandige Zellen hervorgebracht, aus deren Jnnerem
das feurigste Smaragdgrün und das schönste Sapphirblau hervorstrahlt. Noch zwei andere Arten
von kleinen Zellen geben einen silbrigen oder lebhaft kupferigen Glanz.

Bei seinen Bewegungen nimmt dieses schöne Thierchen sehr verschiedene Formen an. Am
Boden hinkriechend streckt es sich gewöhnlich gerade aus und gleitet verhältnißmäßig schnell vor-
wärts. Kriecht die Schnecke an der senkrechten Wand des Aquariums, so braucht sie oft auch
die Hautlappen mit einem Theile der Sohle gleichzeitig, um sich festzuhalten; ja sie windet
manchmal den Körper schraubenförmig, während sie kriecht, so daß entgegengesetzte Körperseiten
zugleich die Bahn berühren. Sie sondert sehr viel Schleim ab, der sich, wenn man die Haut
mit einem Stäbchen oder Pinsel berührt, in langen Fäden über das Wasser herausziehen läßt.
An solchen Schleimfäden hängen zuweilen diese Schnecken mitten im Wasser frei.

Obschon wir sehr wohl wissen, daß Farbenbeschreibungen ohne das entsprechende farbige
Bild keinen rechten Sinn haben, können wir uns doch nicht versagen, um die Luft nach diesen
köstlichen, leicht zu fangenden und in der Gefangenschaft zu beobachtenden Thierchen noch mehr zu
wecken, den Breslauer Zoologen Grube auch noch sprechen zu lassen. "Unter anderen entdeckte
ich", sagt er, "bei St. Nicolo (auf der Jnsel Cherso im Guarnero) eine neue Elysia (Elysia
splendida)
von so seltener Schönheit, daß ich in wahres Entzücken ausbrach. Jch sah anfänglich
nur in einer tiefen, dem Licht nicht ganz zugänglichen Steinhöhlung einen bewegten Wechsel von
tiefem Schwarz, Hellblau und Orange, bis sich dann herausstellte, daß hier vom Meerwasser
bedeckt, das ihren Reiz noch erhöhte, mehrere dieser kleinen nur 3 bis 4 Linien langen und
21/2 Linien breiten Nacktschnecken nebeneinander herumkrochen. Erst beim Hervorkommen der
einzelnen ließ sich genauer die Vertheilung der Farben ermitteln. Der Leib und seine großen,
mantelartig emporgeschlagenen Seitenlappen waren sammetschwarz, der äußerste Rand derselben
und die Mundpartie orangegelb, aber auf der Außenseite jener Lappen, die sich aufs zierlichste in
großwellige Falten legten, zog unterhalb des orangegelben Saumes ein breites ultramarinblaues
Band und unter diesem wiederum ein schmälerer, in Jntervallen anschwellender lichtgrüner, unten
fast silberiger Längsstreif hin, unter dem dann noch eine Längsreihe ähnlicher Pünktchen zum
Vorschein kam. Das Orangeband ging hinten in das entsprechende der anderen Seite über, das
blaue war unterbrochen. Dazu stach nun aufs schönste ein weißer länglich runder Fleck zwischen
den Fühlern und ihre weiße Jnnenseite ab, während diese Organe im übrigen selber schwarz und
an ihrer Spitze blau gefärbt waren. Sie maßen den vierten Theil der Totallänge und wurden
bald nach hinten gelegt, bald ganz auseinander gespreizt, bald ihre Spitze graziös in eine flache
Spirale von einem Umgang gewunden." So weit Grube.



Wir aber kehren nochmals zu dem für uns so lehrreichen Hamburger Aquarium und seiner
Bevölkerung aus der Kieler Bucht zurück, um noch bei einem Thier zu verweilen, welches noch
mehr, als schon Elysia gethan, uns in seiner ganzen Erscheinung an die Strudelwürmer erinnert.
Es ist die Sippe Pontolimax (Familie Pontolimacidae), dem besondere Fühler und Kiemen
gänzlich fehlen. Der Körper ist gestreckt, der Kopf seitlich ausgedehnt, und seine Seitenränder
tragen einen Hautkamm. Die über den größten Theil des europäischen Meerdistriktes verbreitete
breitköpfige Lanzettschnecke, Pontolimax capitatus, wird 4 Linien lang. Jn der Mitte des
Rückens hat sie einen Buckel, zwischen diesem und dem Kopfe eine Einsenkung. Der größte Theil

Sammet-, Lanzett-Schnecke.
Saum der Hautlappen iſt abgerundet und ungefähr halb ſo dick, wie die Fühler. Die Haupt-
farbe des Kopfes, der Fühler, des Vorderrückens und der äußeren Flächen der Hautlappen iſt ein
ſammetweiches Schwarz, das bald in Grün, bald in Braun überſpielt; die Hauptfarbe des Fußes
iſt olivengrün. Dazu kommen aber ſchneeweiße Flecke und überall in der Haut vertheilte metalliſch
glänzende, grünblaue und rothweiße Pünktchen. Die letzteren Farbeneffekte werden, wie erſt eine
hundertfältige Vergrößerung zeigt, durch zartwandige Zellen hervorgebracht, aus deren Jnnerem
das feurigſte Smaragdgrün und das ſchönſte Sapphirblau hervorſtrahlt. Noch zwei andere Arten
von kleinen Zellen geben einen ſilbrigen oder lebhaft kupferigen Glanz.

Bei ſeinen Bewegungen nimmt dieſes ſchöne Thierchen ſehr verſchiedene Formen an. Am
Boden hinkriechend ſtreckt es ſich gewöhnlich gerade aus und gleitet verhältnißmäßig ſchnell vor-
wärts. Kriecht die Schnecke an der ſenkrechten Wand des Aquariums, ſo braucht ſie oft auch
die Hautlappen mit einem Theile der Sohle gleichzeitig, um ſich feſtzuhalten; ja ſie windet
manchmal den Körper ſchraubenförmig, während ſie kriecht, ſo daß entgegengeſetzte Körperſeiten
zugleich die Bahn berühren. Sie ſondert ſehr viel Schleim ab, der ſich, wenn man die Haut
mit einem Stäbchen oder Pinſel berührt, in langen Fäden über das Waſſer herausziehen läßt.
An ſolchen Schleimfäden hängen zuweilen dieſe Schnecken mitten im Waſſer frei.

Obſchon wir ſehr wohl wiſſen, daß Farbenbeſchreibungen ohne das entſprechende farbige
Bild keinen rechten Sinn haben, können wir uns doch nicht verſagen, um die Luft nach dieſen
köſtlichen, leicht zu fangenden und in der Gefangenſchaft zu beobachtenden Thierchen noch mehr zu
wecken, den Breslauer Zoologen Grube auch noch ſprechen zu laſſen. „Unter anderen entdeckte
ich“, ſagt er, „bei St. Nicolo (auf der Jnſel Cherſo im Guarnero) eine neue Elysia (Elysia
splendida)
von ſo ſeltener Schönheit, daß ich in wahres Entzücken ausbrach. Jch ſah anfänglich
nur in einer tiefen, dem Licht nicht ganz zugänglichen Steinhöhlung einen bewegten Wechſel von
tiefem Schwarz, Hellblau und Orange, bis ſich dann herausſtellte, daß hier vom Meerwaſſer
bedeckt, das ihren Reiz noch erhöhte, mehrere dieſer kleinen nur 3 bis 4 Linien langen und
2½ Linien breiten Nacktſchnecken nebeneinander herumkrochen. Erſt beim Hervorkommen der
einzelnen ließ ſich genauer die Vertheilung der Farben ermitteln. Der Leib und ſeine großen,
mantelartig emporgeſchlagenen Seitenlappen waren ſammetſchwarz, der äußerſte Rand derſelben
und die Mundpartie orangegelb, aber auf der Außenſeite jener Lappen, die ſich aufs zierlichſte in
großwellige Falten legten, zog unterhalb des orangegelben Saumes ein breites ultramarinblaues
Band und unter dieſem wiederum ein ſchmälerer, in Jntervallen anſchwellender lichtgrüner, unten
faſt ſilberiger Längsſtreif hin, unter dem dann noch eine Längsreihe ähnlicher Pünktchen zum
Vorſchein kam. Das Orangeband ging hinten in das entſprechende der anderen Seite über, das
blaue war unterbrochen. Dazu ſtach nun aufs ſchönſte ein weißer länglich runder Fleck zwiſchen
den Fühlern und ihre weiße Jnnenſeite ab, während dieſe Organe im übrigen ſelber ſchwarz und
an ihrer Spitze blau gefärbt waren. Sie maßen den vierten Theil der Totallänge und wurden
bald nach hinten gelegt, bald ganz auseinander geſpreizt, bald ihre Spitze graziös in eine flache
Spirale von einem Umgang gewunden.“ So weit Grube.



Wir aber kehren nochmals zu dem für uns ſo lehrreichen Hamburger Aquarium und ſeiner
Bevölkerung aus der Kieler Bucht zurück, um noch bei einem Thier zu verweilen, welches noch
mehr, als ſchon Elysia gethan, uns in ſeiner ganzen Erſcheinung an die Strudelwürmer erinnert.
Es iſt die Sippe Pontolimax (Familie Pontolimacidae), dem beſondere Fühler und Kiemen
gänzlich fehlen. Der Körper iſt geſtreckt, der Kopf ſeitlich ausgedehnt, und ſeine Seitenränder
tragen einen Hautkamm. Die über den größten Theil des europäiſchen Meerdiſtriktes verbreitete
breitköpfige Lanzettſchnecke, Pontolimax capitatus, wird 4 Linien lang. Jn der Mitte des
Rückens hat ſie einen Buckel, zwiſchen dieſem und dem Kopfe eine Einſenkung. Der größte Theil

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[873/0921] Sammet-, Lanzett-Schnecke. Saum der Hautlappen iſt abgerundet und ungefähr halb ſo dick, wie die Fühler. Die Haupt- farbe des Kopfes, der Fühler, des Vorderrückens und der äußeren Flächen der Hautlappen iſt ein ſammetweiches Schwarz, das bald in Grün, bald in Braun überſpielt; die Hauptfarbe des Fußes iſt olivengrün. Dazu kommen aber ſchneeweiße Flecke und überall in der Haut vertheilte metalliſch glänzende, grünblaue und rothweiße Pünktchen. Die letzteren Farbeneffekte werden, wie erſt eine hundertfältige Vergrößerung zeigt, durch zartwandige Zellen hervorgebracht, aus deren Jnnerem das feurigſte Smaragdgrün und das ſchönſte Sapphirblau hervorſtrahlt. Noch zwei andere Arten von kleinen Zellen geben einen ſilbrigen oder lebhaft kupferigen Glanz. Bei ſeinen Bewegungen nimmt dieſes ſchöne Thierchen ſehr verſchiedene Formen an. Am Boden hinkriechend ſtreckt es ſich gewöhnlich gerade aus und gleitet verhältnißmäßig ſchnell vor- wärts. Kriecht die Schnecke an der ſenkrechten Wand des Aquariums, ſo braucht ſie oft auch die Hautlappen mit einem Theile der Sohle gleichzeitig, um ſich feſtzuhalten; ja ſie windet manchmal den Körper ſchraubenförmig, während ſie kriecht, ſo daß entgegengeſetzte Körperſeiten zugleich die Bahn berühren. Sie ſondert ſehr viel Schleim ab, der ſich, wenn man die Haut mit einem Stäbchen oder Pinſel berührt, in langen Fäden über das Waſſer herausziehen läßt. An ſolchen Schleimfäden hängen zuweilen dieſe Schnecken mitten im Waſſer frei. Obſchon wir ſehr wohl wiſſen, daß Farbenbeſchreibungen ohne das entſprechende farbige Bild keinen rechten Sinn haben, können wir uns doch nicht verſagen, um die Luft nach dieſen köſtlichen, leicht zu fangenden und in der Gefangenſchaft zu beobachtenden Thierchen noch mehr zu wecken, den Breslauer Zoologen Grube auch noch ſprechen zu laſſen. „Unter anderen entdeckte ich“, ſagt er, „bei St. Nicolo (auf der Jnſel Cherſo im Guarnero) eine neue Elysia (Elysia splendida) von ſo ſeltener Schönheit, daß ich in wahres Entzücken ausbrach. Jch ſah anfänglich nur in einer tiefen, dem Licht nicht ganz zugänglichen Steinhöhlung einen bewegten Wechſel von tiefem Schwarz, Hellblau und Orange, bis ſich dann herausſtellte, daß hier vom Meerwaſſer bedeckt, das ihren Reiz noch erhöhte, mehrere dieſer kleinen nur 3 bis 4 Linien langen und 2½ Linien breiten Nacktſchnecken nebeneinander herumkrochen. Erſt beim Hervorkommen der einzelnen ließ ſich genauer die Vertheilung der Farben ermitteln. Der Leib und ſeine großen, mantelartig emporgeſchlagenen Seitenlappen waren ſammetſchwarz, der äußerſte Rand derſelben und die Mundpartie orangegelb, aber auf der Außenſeite jener Lappen, die ſich aufs zierlichſte in großwellige Falten legten, zog unterhalb des orangegelben Saumes ein breites ultramarinblaues Band und unter dieſem wiederum ein ſchmälerer, in Jntervallen anſchwellender lichtgrüner, unten faſt ſilberiger Längsſtreif hin, unter dem dann noch eine Längsreihe ähnlicher Pünktchen zum Vorſchein kam. Das Orangeband ging hinten in das entſprechende der anderen Seite über, das blaue war unterbrochen. Dazu ſtach nun aufs ſchönſte ein weißer länglich runder Fleck zwiſchen den Fühlern und ihre weiße Jnnenſeite ab, während dieſe Organe im übrigen ſelber ſchwarz und an ihrer Spitze blau gefärbt waren. Sie maßen den vierten Theil der Totallänge und wurden bald nach hinten gelegt, bald ganz auseinander geſpreizt, bald ihre Spitze graziös in eine flache Spirale von einem Umgang gewunden.“ So weit Grube. Wir aber kehren nochmals zu dem für uns ſo lehrreichen Hamburger Aquarium und ſeiner Bevölkerung aus der Kieler Bucht zurück, um noch bei einem Thier zu verweilen, welches noch mehr, als ſchon Elysia gethan, uns in ſeiner ganzen Erſcheinung an die Strudelwürmer erinnert. Es iſt die Sippe Pontolimax (Familie Pontolimacidae), dem beſondere Fühler und Kiemen gänzlich fehlen. Der Körper iſt geſtreckt, der Kopf ſeitlich ausgedehnt, und ſeine Seitenränder tragen einen Hautkamm. Die über den größten Theil des europäiſchen Meerdiſtriktes verbreitete breitköpfige Lanzettſchnecke, Pontolimax capitatus, wird 4 Linien lang. Jn der Mitte des Rückens hat ſie einen Buckel, zwiſchen dieſem und dem Kopfe eine Einſenkung. Der größte Theil

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 873. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/921>, abgerufen am 24.11.2024.