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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Die Käfer. Blatthörner.
wieder hinabsteigend, verfallen sie zum zweiten Male in den Winterschlaf. Nach diesem wiederholt
sich dasselbe, wie im vorigen Jahre, und wenn endlich seit dem Eierlegen drei Jahre verstrichen,
sind sie zur Verpuppung reif, gehen wieder tiefer hinab, und man kann annehmen, daß gegen den
August bis Anfangs September sämmtliche Engerlinge eines und desselben Jahrganges verpuppt
sind und vor Eintritt des Winters die Käfer fir und fertig, aber, wenn sie nicht gestört werden,
ruhig in ihrer Wiege liegen bleiben. Je nach der Tiefe, in welcher diese sich befindet, und der
Festigkeit des Erdreiches, welches ihn deckt, braucht er längere oder kürzere Zeit, bevor er auf
der Oberfläche anlangt, was er stets so einrichtet, daß es in die Abendstunden fällt. Das eigen-
thümliche Pumpen mit dem ganzen Körper unter halb gehobenen Flügeldecken, welches man bei
jedem Maikäfer, auch bei den größeren Mistkäfern, beobachten kann, ehe er sich in die Luft erhebt,
[Abbildung] Der Gerber (Melolontha kullo).
hat seinen guten Grund. Er füllt nämlich seine Tracheen und wird
so bei der Schwerfälligkeit seines Körpers zu gewandtem und
anhaltendem Fluge befähigt. -- Der Gerber (M. fullo) ist der
stattlichste aller europäischen Maikäfer und führt in den verschiedenen
Gegenden verschiedene Namen, als da sind Walker, Müller-
käfer, Weinkäfer, Tiger, Tannen-, Donner-, Dünenkäfer.

Man erkennt ihn leicht an den weiß marmorirten braunen Deckschilden,
und obgleich ihm der Aftergriffel fehlt, beim Weibchen die Fühlerkeule
nur fünfgliederig ist und der Klauenzahn in der Mitte, nicht an der
Basis steht, vereinigen wir ihn doch mit dem Maikäfer, bemerken
aber, daß Harris für ihn und eine Anzahl erotischer Arten den
Gattungsnamen Polyphylla einführte. Er verbreitet sich weit in
Europa, zieht aber die sandigen, mit Fichten bestandenen Ebenen
allen anderen Stellen vor und frißt an jenen eben sowohl, wie an den dazwischen wachsenden
Laubhölzern. Ein periodisch massenhaftes Auftreten wurde von ihm noch nicht beobachtet, sondern
er erscheint in der ersten Hälfte des Juli alljährlich in so ziemlich gleichen Mengen. Seine
Verwandlungsgeschichte ist noch nicht aufgeklärt.

Dagegen tritt der Brachkäfer, Sonnenwendkäfer, Juni- oder Johanniskäfer (Rhizo-
trogus solstitialis
), bisweilen recht häufig auf und läßt seinen Zahn den Culturgewächsen besonders
empfindlich werden, wenn die Maikäfer vorher schon da waren. Er ist wenig über halb so groß wie
dieser, blaßgelbbraun auf der Rückenseite, nur der Hinterkopf, die Scheibe des Halsschildes und die
ganze Unterseite sind dunkler; Vorderrücken, Schildchen und Brust langzottig behaart, etwas schwächer
der Bauch. Der Unterschied zwischen dieser und der vorigen Gattung besteht darin, daß hier die Hüft-
blätter des Hinterrückens sehr klein sind, während sie bei Melolontha groß auftreten, sodann entspringen
bei Rhizotrogus die Lippentaster an der Unterseite der Unterlippe und endigen eiförmig; die Keule
ist dreiblätterig, die Oberlippe, wie dort, ausgerandet und die Wurzel der Klauen scharf gezähnt.
Gleich dem Maikäfer schwärmt der Brachkäfer des Abends lebhaft umher, besonders über Feldern, und
scheint es dann immer darauf abgesehen zu haben, dem harmlosen Spaziergänger so lästig als
möglich zu fallen; denn wie die zudringliche Fliege immer und immer wieder denselben Platz im
Gesicht wählt, welchen sie sich einmal ausersah, so schwirrt er Einem trotz eifriger Abwehr fortwährend
um den Kopf. Jhm recht ähnliche Arten gibt es in Europa, besonders dem südlichen, gerade noch
genug, um dem Systematiker bei der Unterscheidung die Arbeit ungemein zu erschweren.

Aber auch an zahlreichen kleineren Laubkäfern fehlt es unserem Erdtheile keineswegs, welche man
in Menge antrifft, wenn man zur rechten Zeit am rechten Orte ihres Erscheinens sich einstellt,
die man aber jahrelang vergeblich suchen kann, wenn jene Vorbedingungen fehlten. So habe ich
beispielsweise die gewiß nicht seltene, gelbbraune, goldig schimmernde Serica brunnea nur sehr
vereinzelt und meist nicht lebend, sondern ausgesogen in Spinnengeweben gefunden, ebenso war
mir die Serica holosericea (Sulzeri) nur sehr einzeln vorgekommen, und ich fand die Angabe

Die Käfer. Blatthörner.
wieder hinabſteigend, verfallen ſie zum zweiten Male in den Winterſchlaf. Nach dieſem wiederholt
ſich daſſelbe, wie im vorigen Jahre, und wenn endlich ſeit dem Eierlegen drei Jahre verſtrichen,
ſind ſie zur Verpuppung reif, gehen wieder tiefer hinab, und man kann annehmen, daß gegen den
Auguſt bis Anfangs September ſämmtliche Engerlinge eines und deſſelben Jahrganges verpuppt
ſind und vor Eintritt des Winters die Käfer fir und fertig, aber, wenn ſie nicht geſtört werden,
ruhig in ihrer Wiege liegen bleiben. Je nach der Tiefe, in welcher dieſe ſich befindet, und der
Feſtigkeit des Erdreiches, welches ihn deckt, braucht er längere oder kürzere Zeit, bevor er auf
der Oberfläche anlangt, was er ſtets ſo einrichtet, daß es in die Abendſtunden fällt. Das eigen-
thümliche Pumpen mit dem ganzen Körper unter halb gehobenen Flügeldecken, welches man bei
jedem Maikäfer, auch bei den größeren Miſtkäfern, beobachten kann, ehe er ſich in die Luft erhebt,
[Abbildung] Der Gerber (Melolontha kullo).
hat ſeinen guten Grund. Er füllt nämlich ſeine Tracheen und wird
ſo bei der Schwerfälligkeit ſeines Körpers zu gewandtem und
anhaltendem Fluge befähigt. — Der Gerber (M. fullo) iſt der
ſtattlichſte aller europäiſchen Maikäfer und führt in den verſchiedenen
Gegenden verſchiedene Namen, als da ſind Walker, Müller-
käfer, Weinkäfer, Tiger, Tannen-, Donner-, Dünenkäfer.

Man erkennt ihn leicht an den weiß marmorirten braunen Deckſchilden,
und obgleich ihm der Aftergriffel fehlt, beim Weibchen die Fühlerkeule
nur fünfgliederig iſt und der Klauenzahn in der Mitte, nicht an der
Baſis ſteht, vereinigen wir ihn doch mit dem Maikäfer, bemerken
aber, daß Harris für ihn und eine Anzahl erotiſcher Arten den
Gattungsnamen Polyphylla einführte. Er verbreitet ſich weit in
Europa, zieht aber die ſandigen, mit Fichten beſtandenen Ebenen
allen anderen Stellen vor und frißt an jenen eben ſowohl, wie an den dazwiſchen wachſenden
Laubhölzern. Ein periodiſch maſſenhaftes Auftreten wurde von ihm noch nicht beobachtet, ſondern
er erſcheint in der erſten Hälfte des Juli alljährlich in ſo ziemlich gleichen Mengen. Seine
Verwandlungsgeſchichte iſt noch nicht aufgeklärt.

Dagegen tritt der Brachkäfer, Sonnenwendkäfer, Juni- oder Johanniskäfer (Rhizo-
trogus solstitialis
), bisweilen recht häufig auf und läßt ſeinen Zahn den Culturgewächſen beſonders
empfindlich werden, wenn die Maikäfer vorher ſchon da waren. Er iſt wenig über halb ſo groß wie
dieſer, blaßgelbbraun auf der Rückenſeite, nur der Hinterkopf, die Scheibe des Halsſchildes und die
ganze Unterſeite ſind dunkler; Vorderrücken, Schildchen und Bruſt langzottig behaart, etwas ſchwächer
der Bauch. Der Unterſchied zwiſchen dieſer und der vorigen Gattung beſteht darin, daß hier die Hüft-
blätter des Hinterrückens ſehr klein ſind, während ſie bei Melolontha groß auftreten, ſodann entſpringen
bei Rhizotrogus die Lippentaſter an der Unterſeite der Unterlippe und endigen eiförmig; die Keule
iſt dreiblätterig, die Oberlippe, wie dort, ausgerandet und die Wurzel der Klauen ſcharf gezähnt.
Gleich dem Maikäfer ſchwärmt der Brachkäfer des Abends lebhaft umher, beſonders über Feldern, und
ſcheint es dann immer darauf abgeſehen zu haben, dem harmloſen Spaziergänger ſo läſtig als
möglich zu fallen; denn wie die zudringliche Fliege immer und immer wieder denſelben Platz im
Geſicht wählt, welchen ſie ſich einmal auserſah, ſo ſchwirrt er Einem trotz eifriger Abwehr fortwährend
um den Kopf. Jhm recht ähnliche Arten gibt es in Europa, beſonders dem ſüdlichen, gerade noch
genug, um dem Syſtematiker bei der Unterſcheidung die Arbeit ungemein zu erſchweren.

Aber auch an zahlreichen kleineren Laubkäfern fehlt es unſerem Erdtheile keineswegs, welche man
in Menge antrifft, wenn man zur rechten Zeit am rechten Orte ihres Erſcheinens ſich einſtellt,
die man aber jahrelang vergeblich ſuchen kann, wenn jene Vorbedingungen fehlten. So habe ich
beiſpielsweiſe die gewiß nicht ſeltene, gelbbraune, goldig ſchimmernde Serica brunnea nur ſehr
vereinzelt und meiſt nicht lebend, ſondern ausgeſogen in Spinnengeweben gefunden, ebenſo war
mir die Serica holosericea (Sulzeri) nur ſehr einzeln vorgekommen, und ich fand die Angabe

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[74/0092] Die Käfer. Blatthörner. wieder hinabſteigend, verfallen ſie zum zweiten Male in den Winterſchlaf. Nach dieſem wiederholt ſich daſſelbe, wie im vorigen Jahre, und wenn endlich ſeit dem Eierlegen drei Jahre verſtrichen, ſind ſie zur Verpuppung reif, gehen wieder tiefer hinab, und man kann annehmen, daß gegen den Auguſt bis Anfangs September ſämmtliche Engerlinge eines und deſſelben Jahrganges verpuppt ſind und vor Eintritt des Winters die Käfer fir und fertig, aber, wenn ſie nicht geſtört werden, ruhig in ihrer Wiege liegen bleiben. Je nach der Tiefe, in welcher dieſe ſich befindet, und der Feſtigkeit des Erdreiches, welches ihn deckt, braucht er längere oder kürzere Zeit, bevor er auf der Oberfläche anlangt, was er ſtets ſo einrichtet, daß es in die Abendſtunden fällt. Das eigen- thümliche Pumpen mit dem ganzen Körper unter halb gehobenen Flügeldecken, welches man bei jedem Maikäfer, auch bei den größeren Miſtkäfern, beobachten kann, ehe er ſich in die Luft erhebt, [Abbildung Der Gerber (Melolontha kullo).] hat ſeinen guten Grund. Er füllt nämlich ſeine Tracheen und wird ſo bei der Schwerfälligkeit ſeines Körpers zu gewandtem und anhaltendem Fluge befähigt. — Der Gerber (M. fullo) iſt der ſtattlichſte aller europäiſchen Maikäfer und führt in den verſchiedenen Gegenden verſchiedene Namen, als da ſind Walker, Müller- käfer, Weinkäfer, Tiger, Tannen-, Donner-, Dünenkäfer. Man erkennt ihn leicht an den weiß marmorirten braunen Deckſchilden, und obgleich ihm der Aftergriffel fehlt, beim Weibchen die Fühlerkeule nur fünfgliederig iſt und der Klauenzahn in der Mitte, nicht an der Baſis ſteht, vereinigen wir ihn doch mit dem Maikäfer, bemerken aber, daß Harris für ihn und eine Anzahl erotiſcher Arten den Gattungsnamen Polyphylla einführte. Er verbreitet ſich weit in Europa, zieht aber die ſandigen, mit Fichten beſtandenen Ebenen allen anderen Stellen vor und frißt an jenen eben ſowohl, wie an den dazwiſchen wachſenden Laubhölzern. Ein periodiſch maſſenhaftes Auftreten wurde von ihm noch nicht beobachtet, ſondern er erſcheint in der erſten Hälfte des Juli alljährlich in ſo ziemlich gleichen Mengen. Seine Verwandlungsgeſchichte iſt noch nicht aufgeklärt. Dagegen tritt der Brachkäfer, Sonnenwendkäfer, Juni- oder Johanniskäfer (Rhizo- trogus solstitialis), bisweilen recht häufig auf und läßt ſeinen Zahn den Culturgewächſen beſonders empfindlich werden, wenn die Maikäfer vorher ſchon da waren. Er iſt wenig über halb ſo groß wie dieſer, blaßgelbbraun auf der Rückenſeite, nur der Hinterkopf, die Scheibe des Halsſchildes und die ganze Unterſeite ſind dunkler; Vorderrücken, Schildchen und Bruſt langzottig behaart, etwas ſchwächer der Bauch. Der Unterſchied zwiſchen dieſer und der vorigen Gattung beſteht darin, daß hier die Hüft- blätter des Hinterrückens ſehr klein ſind, während ſie bei Melolontha groß auftreten, ſodann entſpringen bei Rhizotrogus die Lippentaſter an der Unterſeite der Unterlippe und endigen eiförmig; die Keule iſt dreiblätterig, die Oberlippe, wie dort, ausgerandet und die Wurzel der Klauen ſcharf gezähnt. Gleich dem Maikäfer ſchwärmt der Brachkäfer des Abends lebhaft umher, beſonders über Feldern, und ſcheint es dann immer darauf abgeſehen zu haben, dem harmloſen Spaziergänger ſo läſtig als möglich zu fallen; denn wie die zudringliche Fliege immer und immer wieder denſelben Platz im Geſicht wählt, welchen ſie ſich einmal auserſah, ſo ſchwirrt er Einem trotz eifriger Abwehr fortwährend um den Kopf. Jhm recht ähnliche Arten gibt es in Europa, beſonders dem ſüdlichen, gerade noch genug, um dem Syſtematiker bei der Unterſcheidung die Arbeit ungemein zu erſchweren. Aber auch an zahlreichen kleineren Laubkäfern fehlt es unſerem Erdtheile keineswegs, welche man in Menge antrifft, wenn man zur rechten Zeit am rechten Orte ihres Erſcheinens ſich einſtellt, die man aber jahrelang vergeblich ſuchen kann, wenn jene Vorbedingungen fehlten. So habe ich beiſpielsweiſe die gewiß nicht ſeltene, gelbbraune, goldig ſchimmernde Serica brunnea nur ſehr vereinzelt und meiſt nicht lebend, ſondern ausgeſogen in Spinnengeweben gefunden, ebenſo war mir die Serica holosericea (Sulzeri) nur ſehr einzeln vorgekommen, und ich fand die Angabe

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/92>, abgerufen am 23.11.2024.