Deutschlands, kamen die ersten Käfer wegen rauher Witterung erst am dreizehnten und vierzehnten Mai zum Vorschein und zwar in solchen ungeheueren Massen, daß stellenweise der Erdboden von ihren Fluglöchern siebartig durchbohrt erschien. Sie trieben ihr Unwesen bis Mitte Juni, ent- laubten unter anderen die stattlichsten Eichen vollständig und nahmen jetzt erst allmälig ab. Am achten Juli, ja sogar noch am achtundzwanzigsten fand ich je ein Pärchen in fester Copula. Die Fälle, wo einzelne Jndividuen in ein und dem anderen Monate erscheinen, welche zwischen Sep- tember und März vor ihrem normalen Fluge liegen, sind Ausnahmen, welche immer einmal vorkommen und ihren Grund in der sie auf- und herauswühlenden Thätigkeit des Ackerpfluges haben dürften. Jhr Auftreten ist ziemlich lokal und das massenhaftere ein periodisches. Jn den meisten Gegenden Deutschlands hat man alle vier Jahre diese dem Land- und Forstmanne so höchst unwillkommene Erscheinung wiederkehren sehen. Jn Franken notirte man die Jahre 1805, 1809 u. s. w., in Berlin 1828, 32, 36. Desgleichen hat im größten Theile Sachsens die Erfahrung zur Annahme berechtigt, daß die Schaltjahre zugleich auch Maikäferjahre seien. Anders gestalten sich die Verhältnisse in der Schweiz. Hier wiederholen sich, wie am Rhein und in Frankreich, die Hauptflüge alle drei Jahre und man unterscheidet dort ein Baseler Flugjahr (1830, 33, 36, 39), welches in Frankreich bis an den Jura und Rhein beobachtet worden ist, ein Berner Flugjahr, diesseit des Jura in der westlichen und nördlichen Schweiz, auf 1831, 34, 37, 40 u. s. w. gefallen, ein Urner Flug- jahr (1832, 35, 38, 41 u. s. w.), südlich und ostwärts vom Vierwaldstädter See. Am Rhein waren 1836, 39 und 42, an der Weser 1838, 41 und 44 Maikäferjahre. Diese um ein Jahr verschiedene Entwickelungszeit ein und desselben Thieres hat entschieden ihren Grund in lokalen Verhältnissen, unter denen einige Grade Wärme der mittleren Jahrestemperatur mehr oder weniger das Hauptmoment abgeben dürften.
Sobald die Käfer aus der Erde sind und durch unfreundliches Wetter nicht abgehalten werden, fliegen sie nicht nur an den warmen Abenden lebhaft umher, um Nahrung zu suchen und sich zu paaren, fette Leckerbissen für die Fledermäuse und einige nächtliche Raubvögel, sondern zeigen sich auch bei Schwüle oder Sonnenschein am Tage sehr beweglich. Wer hätte sie nicht schon in Klumpen von vieren und noch mehr an den fast entlaubten Eichen oder Obstbäumen herumkrabbeln sehen, sich balgend um das wenige Futter, die Männchen um die Weibchen; wer hätte sie nicht schon an Kornähren, Rübsenstengeln und anderen niederen Pflanzen sich herumtreiben sehen und den lust- verpestenden Geruch ihres ekelhaften Kothes einathmen müssen, wenn er in von ihnen gesegneten Jahren durch den entlaubten Wald einherschritt? Erst in später Nacht begeben sie sich zur Ruhe, und am frühen Morgen, sowie an einzelnen rauhen Tagen hängen sie mit angezogenen Beinen lose an den Bäumen und Sträuchern, besonders den Pflaumen- und Kirschbäumen unserer Gärten, den Eichen, Roßkastanien, Ahorn, Pappeln und meisten übrigen Laubhölzern des Waldes. Das befruchtete Weibchen bedarf einer Reihe von Tagen, ehe die Eier zum Ablegen reifen, dann aber verkriecht es sich, lockeres Erdreich dem festen, Kalk, Mergel oder Sand anderen Bodenarten vor- ziehend, und legt auf ein Hänflein wenige Zoll unter der Oberfläche bis etwa dreißig längliche, etwas breitgedrückte, weiße Eier ab. Es kann dies an einer Brutstätte, oder an mehreren geschehen. Nach beendigter Arbeit erscheint es gar nicht wieder, oder es kommt nochmals über die Erde, folgt, von der Anstrengung erschöpft, dem ihm vorangegangenen Männchen nach und verendet. Nach vier bis sechs Wochen kriechen die Larven aus, fressen etwa bis Ende September die feinen Wurzelfasern in ihrer Umgebung und graben sich dann etwas tiefer ein, um den Winterschlaf zu halten. Jm nächsten Frühjahre gehen sie mit dem allgemeinen Erwachen aller Schläfer nach oben und fressen von Neuem. Zur ersten Häutung begeben sie sich bald darauf wieder tiefer. Nach Rück- kehr unter die Pflanzendecke beginnen sie ihre gewohnte Arbeit mit verdoppelter Energie, um durch mehr Nahrung die eben aufgewandten Kräfte zu ersetzen. Jetzt sind sie etwa ein Jahr alt, machen sich durch bedeutenderen Fraß bemerkbar und zerstreuen sich mehr und mehr. Zwischen den längsten Tag und die Herbstnachtgleiche fällt die Zeit des größten von ihnen angerichteten Schadens. Dann
Laubkäfer. Gemeiner Maikäfer.
Deutſchlands, kamen die erſten Käfer wegen rauher Witterung erſt am dreizehnten und vierzehnten Mai zum Vorſchein und zwar in ſolchen ungeheueren Maſſen, daß ſtellenweiſe der Erdboden von ihren Fluglöchern ſiebartig durchbohrt erſchien. Sie trieben ihr Unweſen bis Mitte Juni, ent- laubten unter anderen die ſtattlichſten Eichen vollſtändig und nahmen jetzt erſt allmälig ab. Am achten Juli, ja ſogar noch am achtundzwanzigſten fand ich je ein Pärchen in feſter Copula. Die Fälle, wo einzelne Jndividuen in ein und dem anderen Monate erſcheinen, welche zwiſchen Sep- tember und März vor ihrem normalen Fluge liegen, ſind Ausnahmen, welche immer einmal vorkommen und ihren Grund in der ſie auf- und herauswühlenden Thätigkeit des Ackerpfluges haben dürften. Jhr Auftreten iſt ziemlich lokal und das maſſenhaftere ein periodiſches. Jn den meiſten Gegenden Deutſchlands hat man alle vier Jahre dieſe dem Land- und Forſtmanne ſo höchſt unwillkommene Erſcheinung wiederkehren ſehen. Jn Franken notirte man die Jahre 1805, 1809 u. ſ. w., in Berlin 1828, 32, 36. Desgleichen hat im größten Theile Sachſens die Erfahrung zur Annahme berechtigt, daß die Schaltjahre zugleich auch Maikäferjahre ſeien. Anders geſtalten ſich die Verhältniſſe in der Schweiz. Hier wiederholen ſich, wie am Rhein und in Frankreich, die Hauptflüge alle drei Jahre und man unterſcheidet dort ein Baſeler Flugjahr (1830, 33, 36, 39), welches in Frankreich bis an den Jura und Rhein beobachtet worden iſt, ein Berner Flugjahr, dieſſeit des Jura in der weſtlichen und nördlichen Schweiz, auf 1831, 34, 37, 40 u. ſ. w. gefallen, ein Urner Flug- jahr (1832, 35, 38, 41 u. ſ. w.), ſüdlich und oſtwärts vom Vierwaldſtädter See. Am Rhein waren 1836, 39 und 42, an der Weſer 1838, 41 und 44 Maikäferjahre. Dieſe um ein Jahr verſchiedene Entwickelungszeit ein und deſſelben Thieres hat entſchieden ihren Grund in lokalen Verhältniſſen, unter denen einige Grade Wärme der mittleren Jahrestemperatur mehr oder weniger das Hauptmoment abgeben dürften.
Sobald die Käfer aus der Erde ſind und durch unfreundliches Wetter nicht abgehalten werden, fliegen ſie nicht nur an den warmen Abenden lebhaft umher, um Nahrung zu ſuchen und ſich zu paaren, fette Leckerbiſſen für die Fledermäuſe und einige nächtliche Raubvögel, ſondern zeigen ſich auch bei Schwüle oder Sonnenſchein am Tage ſehr beweglich. Wer hätte ſie nicht ſchon in Klumpen von vieren und noch mehr an den faſt entlaubten Eichen oder Obſtbäumen herumkrabbeln ſehen, ſich balgend um das wenige Futter, die Männchen um die Weibchen; wer hätte ſie nicht ſchon an Kornähren, Rübſenſtengeln und anderen niederen Pflanzen ſich herumtreiben ſehen und den luſt- verpeſtenden Geruch ihres ekelhaften Kothes einathmen müſſen, wenn er in von ihnen geſegneten Jahren durch den entlaubten Wald einherſchritt? Erſt in ſpäter Nacht begeben ſie ſich zur Ruhe, und am frühen Morgen, ſowie an einzelnen rauhen Tagen hängen ſie mit angezogenen Beinen loſe an den Bäumen und Sträuchern, beſonders den Pflaumen- und Kirſchbäumen unſerer Gärten, den Eichen, Roßkaſtanien, Ahorn, Pappeln und meiſten übrigen Laubhölzern des Waldes. Das befruchtete Weibchen bedarf einer Reihe von Tagen, ehe die Eier zum Ablegen reifen, dann aber verkriecht es ſich, lockeres Erdreich dem feſten, Kalk, Mergel oder Sand anderen Bodenarten vor- ziehend, und legt auf ein Hänflein wenige Zoll unter der Oberfläche bis etwa dreißig längliche, etwas breitgedrückte, weiße Eier ab. Es kann dies an einer Brutſtätte, oder an mehreren geſchehen. Nach beendigter Arbeit erſcheint es gar nicht wieder, oder es kommt nochmals über die Erde, folgt, von der Anſtrengung erſchöpft, dem ihm vorangegangenen Männchen nach und verendet. Nach vier bis ſechs Wochen kriechen die Larven aus, freſſen etwa bis Ende September die feinen Wurzelfaſern in ihrer Umgebung und graben ſich dann etwas tiefer ein, um den Winterſchlaf zu halten. Jm nächſten Frühjahre gehen ſie mit dem allgemeinen Erwachen aller Schläfer nach oben und freſſen von Neuem. Zur erſten Häutung begeben ſie ſich bald darauf wieder tiefer. Nach Rück- kehr unter die Pflanzendecke beginnen ſie ihre gewohnte Arbeit mit verdoppelter Energie, um durch mehr Nahrung die eben aufgewandten Kräfte zu erſetzen. Jetzt ſind ſie etwa ein Jahr alt, machen ſich durch bedeutenderen Fraß bemerkbar und zerſtreuen ſich mehr und mehr. Zwiſchen den längſten Tag und die Herbſtnachtgleiche fällt die Zeit des größten von ihnen angerichteten Schadens. Dann
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Laubkäfer. Gemeiner Maikäfer.
Deutſchlands, kamen die erſten Käfer wegen rauher Witterung erſt am dreizehnten und vierzehnten
Mai zum Vorſchein und zwar in ſolchen ungeheueren Maſſen, daß ſtellenweiſe der Erdboden von
ihren Fluglöchern ſiebartig durchbohrt erſchien. Sie trieben ihr Unweſen bis Mitte Juni, ent-
laubten unter anderen die ſtattlichſten Eichen vollſtändig und nahmen jetzt erſt allmälig ab. Am
achten Juli, ja ſogar noch am achtundzwanzigſten fand ich je ein Pärchen in feſter Copula. Die
Fälle, wo einzelne Jndividuen in ein und dem anderen Monate erſcheinen, welche zwiſchen Sep-
tember und März vor ihrem normalen Fluge liegen, ſind Ausnahmen, welche immer einmal vorkommen
und ihren Grund in der ſie auf- und herauswühlenden Thätigkeit des Ackerpfluges haben dürften.
Jhr Auftreten iſt ziemlich lokal und das maſſenhaftere ein periodiſches. Jn den meiſten Gegenden
Deutſchlands hat man alle vier Jahre dieſe dem Land- und Forſtmanne ſo höchſt unwillkommene
Erſcheinung wiederkehren ſehen. Jn Franken notirte man die Jahre 1805, 1809 u. ſ. w., in Berlin
1828, 32, 36. Desgleichen hat im größten Theile Sachſens die Erfahrung zur Annahme berechtigt,
daß die Schaltjahre zugleich auch Maikäferjahre ſeien. Anders geſtalten ſich die Verhältniſſe in
der Schweiz. Hier wiederholen ſich, wie am Rhein und in Frankreich, die Hauptflüge alle drei
Jahre und man unterſcheidet dort ein Baſeler Flugjahr (1830, 33, 36, 39), welches in Frankreich
bis an den Jura und Rhein beobachtet worden iſt, ein Berner Flugjahr, dieſſeit des Jura in
der weſtlichen und nördlichen Schweiz, auf 1831, 34, 37, 40 u. ſ. w. gefallen, ein Urner Flug-
jahr (1832, 35, 38, 41 u. ſ. w.), ſüdlich und oſtwärts vom Vierwaldſtädter See. Am Rhein
waren 1836, 39 und 42, an der Weſer 1838, 41 und 44 Maikäferjahre. Dieſe um ein Jahr
verſchiedene Entwickelungszeit ein und deſſelben Thieres hat entſchieden ihren Grund in lokalen
Verhältniſſen, unter denen einige Grade Wärme der mittleren Jahrestemperatur mehr oder weniger
das Hauptmoment abgeben dürften.
Sobald die Käfer aus der Erde ſind und durch unfreundliches Wetter nicht abgehalten werden,
fliegen ſie nicht nur an den warmen Abenden lebhaft umher, um Nahrung zu ſuchen und ſich zu
paaren, fette Leckerbiſſen für die Fledermäuſe und einige nächtliche Raubvögel, ſondern zeigen ſich
auch bei Schwüle oder Sonnenſchein am Tage ſehr beweglich. Wer hätte ſie nicht ſchon in Klumpen
von vieren und noch mehr an den faſt entlaubten Eichen oder Obſtbäumen herumkrabbeln ſehen,
ſich balgend um das wenige Futter, die Männchen um die Weibchen; wer hätte ſie nicht ſchon
an Kornähren, Rübſenſtengeln und anderen niederen Pflanzen ſich herumtreiben ſehen und den luſt-
verpeſtenden Geruch ihres ekelhaften Kothes einathmen müſſen, wenn er in von ihnen geſegneten
Jahren durch den entlaubten Wald einherſchritt? Erſt in ſpäter Nacht begeben ſie ſich zur Ruhe,
und am frühen Morgen, ſowie an einzelnen rauhen Tagen hängen ſie mit angezogenen Beinen
loſe an den Bäumen und Sträuchern, beſonders den Pflaumen- und Kirſchbäumen unſerer Gärten,
den Eichen, Roßkaſtanien, Ahorn, Pappeln und meiſten übrigen Laubhölzern des Waldes. Das
befruchtete Weibchen bedarf einer Reihe von Tagen, ehe die Eier zum Ablegen reifen, dann aber
verkriecht es ſich, lockeres Erdreich dem feſten, Kalk, Mergel oder Sand anderen Bodenarten vor-
ziehend, und legt auf ein Hänflein wenige Zoll unter der Oberfläche bis etwa dreißig längliche, etwas
breitgedrückte, weiße Eier ab. Es kann dies an einer Brutſtätte, oder an mehreren geſchehen.
Nach beendigter Arbeit erſcheint es gar nicht wieder, oder es kommt nochmals über die Erde,
folgt, von der Anſtrengung erſchöpft, dem ihm vorangegangenen Männchen nach und verendet.
Nach vier bis ſechs Wochen kriechen die Larven aus, freſſen etwa bis Ende September die feinen
Wurzelfaſern in ihrer Umgebung und graben ſich dann etwas tiefer ein, um den Winterſchlaf zu halten.
Jm nächſten Frühjahre gehen ſie mit dem allgemeinen Erwachen aller Schläfer nach oben und
freſſen von Neuem. Zur erſten Häutung begeben ſie ſich bald darauf wieder tiefer. Nach Rück-
kehr unter die Pflanzendecke beginnen ſie ihre gewohnte Arbeit mit verdoppelter Energie, um durch
mehr Nahrung die eben aufgewandten Kräfte zu erſetzen. Jetzt ſind ſie etwa ein Jahr alt, machen
ſich durch bedeutenderen Fraß bemerkbar und zerſtreuen ſich mehr und mehr. Zwiſchen den längſten
Tag und die Herbſtnachtgleiche fällt die Zeit des größten von ihnen angerichteten Schadens. Dann
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/91>, abgerufen am 23.11.2024.
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