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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Wurmschnecke. Schlangenschnecke. Thurmschnecke.
umgebende Wasser Millionen und aber Millionen befruchtender Samenelemente enthalten und
müssen viele derselben nicht sowohl zufällig sondern mit positiver Sicherheit in die Röhren der
Weibchen gerathen. Die frei lebenden Schnecken pflegen ihre Eier nicht dem Treiben der Wellen
zu überlassen, sondern sie in bestimmter Weise irgendwo anzuheften. Das Vermetus-Weibchen
hat die Wahl, entweder das erstere zu thun, oder sie, da ihnen die freie Bewegung nicht gestattet
ist, bei sich zu hüten. Das letztere geschieht. Es bildet eine Reihe blasenförmiger Behälter
-- man vergleiche unsere Abbildung --, welche im Gehäuse auf kurzen Stielen befestigt sind und
je zehn bis dreißig Eier enthalten. Der erste dieser Cocons wird am nächsten bei der Mündung
abgesetzt; er ist der größte, indem der Umfang mit dem Wachsthum der Embryonen zunimmt.
Obschon die Aufeinanderfolge der Organe in ihrer Entwicklung im Ei bei den verschiedenen
Abtheilungen der Schnecken nicht ganz übereinstimmt, so pflegen doch der Fuß und das sogenannte
Segel am frühesten zu erscheinen, auch der Mantel und die Schale. Das geschieht auch beim
Vermetus, aus dessen Entwicklung wir leider nur einen späteren Zustand haben abbilden können,
der uns das Segel in voller Entwicklung zeigt. Das Segel besteht aus einem Paar halb-
kreisförmiger Lappen zu beiden Seiten des Mundes, deren Rand mit langen Wimpern besetzt ist.
Schon im Ei sind diese thätig, und der erstaunte Beobachter sieht das Thier in der Eiflüssigkeit
in spiraliger Bewegung. Der Fuß des jungen Vermetus ist beim Verlassen des Eies so wohl
ausgebildet, wie man es nur von einer Schnecke verlangen kann. Die wichtigeren Organe, welche
man sonst noch am Embryo sieht, sind Fühler, Augen, Mantel, Speiseröhre, im Mittelkörper
der Magen und hinten die Leber. Was uns aber außer dem Segel am meisten auffällt, ist
die zierliche rechts gewundene Schale, welche unser Thierchen am besten als eine wahre Schnecke
charakterisirt.

So ausgestattet verläßt der junge Vermetus Ei und Cocon und schwimmt, gleich allen See-
schnecken, mit Hülfe der Segellappen frei im Meere. Schon ist er mit dem Schalenmuskel versehen,
vermag auch mit großer Leichtigkeit die Segel einzuziehen und sammt den übrigen Weichtheilen
ganz im Gehäuse zu verbergen. Seine Verwandlung und die Weiterbildung der Schale sind
zwar nicht direkt beobachtet; es liegt aber klar vor, was mit ihm vorgehen muß, um seine
definitive Gestalt zu erreichen. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß die kleinen, für das Auge
punktförmigen Thierchen noch eine Zeit lang frei mit Hülfe des Fußes kriechen, nachdem das
Segel seine Wimpern verloren hat, verkümmert und eingegangen ist, und daß während dieser
noch freien Periode noch einige Umgänge des Gehäuses wachsen. Jedenfalls wird dieser Zustand
nicht lange währen. Auch der Fuß zieht sich zusammen, während die Schale auf unbekannte
Weise sich an den Felsen anheftet und ankittet, und das Wachsthum geschieht von nun an
vorzugsweise in die Länge.

Jn allen wärmeren Meeren scheinen Vermetus-Arten zu leben, welche jedoch von den
Muschelsammlern bis jetzt sehr vernachlässigt sind. Eine im Mittelmeere vertretene, verwandte
Gattung ist die Schlangenschnecke (Siliquaria), deren unregelmäßig gewundenes Gehäus auf
der rechten Seite gespalten ist, entsprechend einem Schlitz im Mantel. Sie wachsen nicht an
Steinen fest, sondern stecken in Schwämmen und in den Seekork genannten Polypen. Die mittel-
meerische Art ist Siliquaria anguina.

Die Systematiker machen aus den genannten Gattungen entweder eine besondere Familie
(Vermetacea) oder bringen sie mit den Thurmschnecken (Turritellacea) unter einen Hut.
Den Stamm derselben bildet Turritella. Das Gehäus ist thurmförmig und besteht aus zahlreichen
-- bis dreißig -- meist mit Querrippen versehenen Windungen; auch der hornartige spiralförmige
Deckel zeigt zahlreiche Windungen. Das Thier hat den Kopf in eine lange, platte, ausgerandete
Schnauze verlängert. Der Mantelrand ist gefranst und außerdem liegt quer über dem Nacken eine
gefranste Hautfalte. Man kennt etwa 40 Arten aus allen Meeren, die zahlreichsten und größten aus
der heißen Zone. Die Thiere sind Fleischfresser, aber träge und treten selten aus dem Gehäuse heraus.

Wurmſchnecke. Schlangenſchnecke. Thurmſchnecke.
umgebende Waſſer Millionen und aber Millionen befruchtender Samenelemente enthalten und
müſſen viele derſelben nicht ſowohl zufällig ſondern mit poſitiver Sicherheit in die Röhren der
Weibchen gerathen. Die frei lebenden Schnecken pflegen ihre Eier nicht dem Treiben der Wellen
zu überlaſſen, ſondern ſie in beſtimmter Weiſe irgendwo anzuheften. Das Vermetus-Weibchen
hat die Wahl, entweder das erſtere zu thun, oder ſie, da ihnen die freie Bewegung nicht geſtattet
iſt, bei ſich zu hüten. Das letztere geſchieht. Es bildet eine Reihe blaſenförmiger Behälter
— man vergleiche unſere Abbildung —, welche im Gehäuſe auf kurzen Stielen befeſtigt ſind und
je zehn bis dreißig Eier enthalten. Der erſte dieſer Cocons wird am nächſten bei der Mündung
abgeſetzt; er iſt der größte, indem der Umfang mit dem Wachsthum der Embryonen zunimmt.
Obſchon die Aufeinanderfolge der Organe in ihrer Entwicklung im Ei bei den verſchiedenen
Abtheilungen der Schnecken nicht ganz übereinſtimmt, ſo pflegen doch der Fuß und das ſogenannte
Segel am früheſten zu erſcheinen, auch der Mantel und die Schale. Das geſchieht auch beim
Vermetus, aus deſſen Entwicklung wir leider nur einen ſpäteren Zuſtand haben abbilden können,
der uns das Segel in voller Entwicklung zeigt. Das Segel beſteht aus einem Paar halb-
kreisförmiger Lappen zu beiden Seiten des Mundes, deren Rand mit langen Wimpern beſetzt iſt.
Schon im Ei ſind dieſe thätig, und der erſtaunte Beobachter ſieht das Thier in der Eiflüſſigkeit
in ſpiraliger Bewegung. Der Fuß des jungen Vermetus iſt beim Verlaſſen des Eies ſo wohl
ausgebildet, wie man es nur von einer Schnecke verlangen kann. Die wichtigeren Organe, welche
man ſonſt noch am Embryo ſieht, ſind Fühler, Augen, Mantel, Speiſeröhre, im Mittelkörper
der Magen und hinten die Leber. Was uns aber außer dem Segel am meiſten auffällt, iſt
die zierliche rechts gewundene Schale, welche unſer Thierchen am beſten als eine wahre Schnecke
charakteriſirt.

So ausgeſtattet verläßt der junge Vermetus Ei und Cocon und ſchwimmt, gleich allen See-
ſchnecken, mit Hülfe der Segellappen frei im Meere. Schon iſt er mit dem Schalenmuskel verſehen,
vermag auch mit großer Leichtigkeit die Segel einzuziehen und ſammt den übrigen Weichtheilen
ganz im Gehäuſe zu verbergen. Seine Verwandlung und die Weiterbildung der Schale ſind
zwar nicht direkt beobachtet; es liegt aber klar vor, was mit ihm vorgehen muß, um ſeine
definitive Geſtalt zu erreichen. Es iſt nicht unwahrſcheinlich, daß die kleinen, für das Auge
punktförmigen Thierchen noch eine Zeit lang frei mit Hülfe des Fußes kriechen, nachdem das
Segel ſeine Wimpern verloren hat, verkümmert und eingegangen iſt, und daß während dieſer
noch freien Periode noch einige Umgänge des Gehäuſes wachſen. Jedenfalls wird dieſer Zuſtand
nicht lange währen. Auch der Fuß zieht ſich zuſammen, während die Schale auf unbekannte
Weiſe ſich an den Felſen anheftet und ankittet, und das Wachsthum geſchieht von nun an
vorzugsweiſe in die Länge.

Jn allen wärmeren Meeren ſcheinen Vermetus-Arten zu leben, welche jedoch von den
Muſchelſammlern bis jetzt ſehr vernachläſſigt ſind. Eine im Mittelmeere vertretene, verwandte
Gattung iſt die Schlangenſchnecke (Siliquaria), deren unregelmäßig gewundenes Gehäus auf
der rechten Seite geſpalten iſt, entſprechend einem Schlitz im Mantel. Sie wachſen nicht an
Steinen feſt, ſondern ſtecken in Schwämmen und in den Seekork genannten Polypen. Die mittel-
meeriſche Art iſt Siliquaria anguina.

Die Syſtematiker machen aus den genannten Gattungen entweder eine beſondere Familie
(Vermetacea) oder bringen ſie mit den Thurmſchnecken (Turritellacea) unter einen Hut.
Den Stamm derſelben bildet Turritella. Das Gehäus iſt thurmförmig und beſteht aus zahlreichen
— bis dreißig — meiſt mit Querrippen verſehenen Windungen; auch der hornartige ſpiralförmige
Deckel zeigt zahlreiche Windungen. Das Thier hat den Kopf in eine lange, platte, ausgerandete
Schnauze verlängert. Der Mantelrand iſt gefranſt und außerdem liegt quer über dem Nacken eine
gefranſte Hautfalte. Man kennt etwa 40 Arten aus allen Meeren, die zahlreichſten und größten aus
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[823/0871] Wurmſchnecke. Schlangenſchnecke. Thurmſchnecke. umgebende Waſſer Millionen und aber Millionen befruchtender Samenelemente enthalten und müſſen viele derſelben nicht ſowohl zufällig ſondern mit poſitiver Sicherheit in die Röhren der Weibchen gerathen. Die frei lebenden Schnecken pflegen ihre Eier nicht dem Treiben der Wellen zu überlaſſen, ſondern ſie in beſtimmter Weiſe irgendwo anzuheften. Das Vermetus-Weibchen hat die Wahl, entweder das erſtere zu thun, oder ſie, da ihnen die freie Bewegung nicht geſtattet iſt, bei ſich zu hüten. Das letztere geſchieht. Es bildet eine Reihe blaſenförmiger Behälter — man vergleiche unſere Abbildung —, welche im Gehäuſe auf kurzen Stielen befeſtigt ſind und je zehn bis dreißig Eier enthalten. Der erſte dieſer Cocons wird am nächſten bei der Mündung abgeſetzt; er iſt der größte, indem der Umfang mit dem Wachsthum der Embryonen zunimmt. Obſchon die Aufeinanderfolge der Organe in ihrer Entwicklung im Ei bei den verſchiedenen Abtheilungen der Schnecken nicht ganz übereinſtimmt, ſo pflegen doch der Fuß und das ſogenannte Segel am früheſten zu erſcheinen, auch der Mantel und die Schale. Das geſchieht auch beim Vermetus, aus deſſen Entwicklung wir leider nur einen ſpäteren Zuſtand haben abbilden können, der uns das Segel in voller Entwicklung zeigt. Das Segel beſteht aus einem Paar halb- kreisförmiger Lappen zu beiden Seiten des Mundes, deren Rand mit langen Wimpern beſetzt iſt. Schon im Ei ſind dieſe thätig, und der erſtaunte Beobachter ſieht das Thier in der Eiflüſſigkeit in ſpiraliger Bewegung. Der Fuß des jungen Vermetus iſt beim Verlaſſen des Eies ſo wohl ausgebildet, wie man es nur von einer Schnecke verlangen kann. Die wichtigeren Organe, welche man ſonſt noch am Embryo ſieht, ſind Fühler, Augen, Mantel, Speiſeröhre, im Mittelkörper der Magen und hinten die Leber. Was uns aber außer dem Segel am meiſten auffällt, iſt die zierliche rechts gewundene Schale, welche unſer Thierchen am beſten als eine wahre Schnecke charakteriſirt. So ausgeſtattet verläßt der junge Vermetus Ei und Cocon und ſchwimmt, gleich allen See- ſchnecken, mit Hülfe der Segellappen frei im Meere. Schon iſt er mit dem Schalenmuskel verſehen, vermag auch mit großer Leichtigkeit die Segel einzuziehen und ſammt den übrigen Weichtheilen ganz im Gehäuſe zu verbergen. Seine Verwandlung und die Weiterbildung der Schale ſind zwar nicht direkt beobachtet; es liegt aber klar vor, was mit ihm vorgehen muß, um ſeine definitive Geſtalt zu erreichen. Es iſt nicht unwahrſcheinlich, daß die kleinen, für das Auge punktförmigen Thierchen noch eine Zeit lang frei mit Hülfe des Fußes kriechen, nachdem das Segel ſeine Wimpern verloren hat, verkümmert und eingegangen iſt, und daß während dieſer noch freien Periode noch einige Umgänge des Gehäuſes wachſen. Jedenfalls wird dieſer Zuſtand nicht lange währen. Auch der Fuß zieht ſich zuſammen, während die Schale auf unbekannte Weiſe ſich an den Felſen anheftet und ankittet, und das Wachsthum geſchieht von nun an vorzugsweiſe in die Länge. Jn allen wärmeren Meeren ſcheinen Vermetus-Arten zu leben, welche jedoch von den Muſchelſammlern bis jetzt ſehr vernachläſſigt ſind. Eine im Mittelmeere vertretene, verwandte Gattung iſt die Schlangenſchnecke (Siliquaria), deren unregelmäßig gewundenes Gehäus auf der rechten Seite geſpalten iſt, entſprechend einem Schlitz im Mantel. Sie wachſen nicht an Steinen feſt, ſondern ſtecken in Schwämmen und in den Seekork genannten Polypen. Die mittel- meeriſche Art iſt Siliquaria anguina. Die Syſtematiker machen aus den genannten Gattungen entweder eine beſondere Familie (Vermetacea) oder bringen ſie mit den Thurmſchnecken (Turritellacea) unter einen Hut. Den Stamm derſelben bildet Turritella. Das Gehäus iſt thurmförmig und beſteht aus zahlreichen — bis dreißig — meiſt mit Querrippen verſehenen Windungen; auch der hornartige ſpiralförmige Deckel zeigt zahlreiche Windungen. Das Thier hat den Kopf in eine lange, platte, ausgerandete Schnauze verlängert. Der Mantelrand iſt gefranſt und außerdem liegt quer über dem Nacken eine gefranſte Hautfalte. Man kennt etwa 40 Arten aus allen Meeren, die zahlreichſten und größten aus der heißen Zone. Die Thiere ſind Fleiſchfreſſer, aber träge und treten ſelten aus dem Gehäuſe heraus.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 823. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/871>, abgerufen am 24.11.2024.