noch verdaut, dann aber füllt sich der Magen mit einem bräunlichem Brei, mit Galle. Die Wärme des April und Mai weckt die Lebensthätigkeit; das Herz schlägt lebhafter und ohne Zweifel wird das Thier durch das gesteigerte Athembedürfniß, gewiß auch durch einen rechtschaffenen Hunger getrieben, mit dem Fuße gegen die häutigen Deckel sich zu legen. Dieselben werden nicht durch- stoßen, sondern leicht abgeweicht, und auch das Abheben des Kalkverschlusses der Mündung erfordert keine besondere Kraft. Er ist mit der Mündung nicht verwachsen, sondern bildet einen flachen Pfropf mit glattem, gut schließendem Rande.
Die nächsten Tage und Wochen nach der Auferstehung aus dem Winter benutzt unsre Schnecke, um sich an den jungen Gräsern und Kräutern gütlich zu thun. Erst in den feuchten Tagen des Mai und Juni geht sie zur Begattung über, ein mit den sonderbarsten Vorbereitungen und den auffallendsten begleitenden Umständen verbundener Akt. Ergötzlich spricht Johnston von den Uebertreibungen hinsichtlich der Rolle, welche der Liebespfeil dabei spielen sollte. Er sagt: "Wenn verliebte Dichter vom Cupido, von seinem Köcher und seinen Pfeilen singen, so gebrauchen sie Ausdrücke, welche einige ernsthafte Naturforscher geglaubt haben buchstäblich bei der Beschreibung der Liebesverhältnisse einiger unserer Gartenschnecken (Helix pomatia u. a.) anwenden zu können. Die Jahreszeit treibt sie zur Vereinigung, und das verbindende Paar nähert sich, indem es von Zeit zu Zeit kleine Pfeile auf einander abschießt. Diese Pfeile sind einigermaßen wie ein Bajonnet gestaltet; sie stecken in einer Höhle, Köcher, an der rechten Seite des Halses, aus welcher sie abgeschossen werden sollen, wenn die Thiere noch zwei Zoll von einander entfernt sind; und wenn die Pfeile ausgetauscht, so sind die Neigungen gewonnen und eine Hochzeit ist die Folge". Aller- dings gehört der Pfeilschuß mit in das Vorspiel, bildet aber erst die Schlußscene der ersten Abtheilung. Eröffnet wird dieselbe häufig durch eine Art sehr schneckenhaften Rundtanzes, indem die beiden Thiere in immer kleiner werdenden Kreisen um einander herumkriechen. Oft jedoch ist, wie Johnston sagt, die Art der Bewerbung weniger förmlich. Haben sie sich erreicht, so legen sie sich mit den Fußsohlen platt auf einander, indem sie sich aufrichten und das Ende der Sohle gegen die Erde stemmen. Dabei sind die wellenförmigen Bewegungen der Fußmuskeln besonders stark. Nun berühren sich die Fühler, immer und immer wieder sich aus- und einstülpend; auch mit den Lippen betasten sie sich, so daß Swammerdam es mit dem Schnäbeln der Tauben vergleicht. Nach diesen und anderen Vorbereitungen und durch gewisse Bewegungen treten auch die Pfeile hervor, welche, wenn alles richtig von statten geht, gegenseitig in die Geschlechtsorgane eindringen, häufig aber daneben die Haut durchbohren oder auch herabfallen, ohne irgend ein Ziel erreicht zu haben. Es geht daraus hervor, daß die Bedeutung der Liebespfeile für den Begattungsakt, dessen wichtigster Theil nun erst beginnt, jedenfalls eine sehr geringe ist, und daß sie auch kaum als Reizorgane betrachtet werden können.
Die Eier der Weinbergsschnecke haben drei Linien Durchmesser und werden von einer weißen mit Kalkkrystallen imprägnirten und darum festen Schale umgeben. "Diese Eier werden in großer Menge in kleine Erdhöhlen gelegt, welche die Schnecken dazu selbst bilden. Der Vorderkörper wühlt sich, soweit er sich aus der Schale hervorstrecken kann, in weiche feuchte Erde hinein und bildet so ein rundes 1 bis 11/2 Zoll tiefes Loch, dessen Oeffnung oben stets vom Schneckenhaus verschlossen bleibt und so hineingestreckt legt die Schnecke im Verlauf von 1 bis 2 Tagen ihre 60 bis 80 Eier. Dann scharrt sie das Loch mit Erde zu und ebnet den Boden darüber, so daß das Eiernest, wenn man nicht bald nach dem Legen die lockere Erde dort noch erkennt, schwer zu finden ist." (Keferstein.) Die Entwicklung im Ei nimmt etwa 26 Tage in Anspruch. Einige Züge der Entwicklung der Landpulmonaten sollen unten bei der Ackerschnecke mitgetheilt werden. Bis tief in den Herbst hinein sind Alt und Jung sehr gefrässig, um mit Eintritt der Kälte sich zum Winterschlaf anzuschicken.
Die Weinbergschnecke ist seit alten Zeiten im mittleren Deutschland eine beliebte Speise gewesen, besonders zur Fasching- und Fastenzeit. Jn der Schweiz und in den Donaugegenden
Lungenſchnecken. Heliciden.
noch verdaut, dann aber füllt ſich der Magen mit einem bräunlichem Brei, mit Galle. Die Wärme des April und Mai weckt die Lebensthätigkeit; das Herz ſchlägt lebhafter und ohne Zweifel wird das Thier durch das geſteigerte Athembedürfniß, gewiß auch durch einen rechtſchaffenen Hunger getrieben, mit dem Fuße gegen die häutigen Deckel ſich zu legen. Dieſelben werden nicht durch- ſtoßen, ſondern leicht abgeweicht, und auch das Abheben des Kalkverſchluſſes der Mündung erfordert keine beſondere Kraft. Er iſt mit der Mündung nicht verwachſen, ſondern bildet einen flachen Pfropf mit glattem, gut ſchließendem Rande.
Die nächſten Tage und Wochen nach der Auferſtehung aus dem Winter benutzt unſre Schnecke, um ſich an den jungen Gräſern und Kräutern gütlich zu thun. Erſt in den feuchten Tagen des Mai und Juni geht ſie zur Begattung über, ein mit den ſonderbarſten Vorbereitungen und den auffallendſten begleitenden Umſtänden verbundener Akt. Ergötzlich ſpricht Johnſton von den Uebertreibungen hinſichtlich der Rolle, welche der Liebespfeil dabei ſpielen ſollte. Er ſagt: „Wenn verliebte Dichter vom Cupido, von ſeinem Köcher und ſeinen Pfeilen ſingen, ſo gebrauchen ſie Ausdrücke, welche einige ernſthafte Naturforſcher geglaubt haben buchſtäblich bei der Beſchreibung der Liebesverhältniſſe einiger unſerer Gartenſchnecken (Helix pomatia u. a.) anwenden zu können. Die Jahreszeit treibt ſie zur Vereinigung, und das verbindende Paar nähert ſich, indem es von Zeit zu Zeit kleine Pfeile auf einander abſchießt. Dieſe Pfeile ſind einigermaßen wie ein Bajonnet geſtaltet; ſie ſtecken in einer Höhle, Köcher, an der rechten Seite des Halſes, aus welcher ſie abgeſchoſſen werden ſollen, wenn die Thiere noch zwei Zoll von einander entfernt ſind; und wenn die Pfeile ausgetauſcht, ſo ſind die Neigungen gewonnen und eine Hochzeit iſt die Folge“. Aller- dings gehört der Pfeilſchuß mit in das Vorſpiel, bildet aber erſt die Schlußſcene der erſten Abtheilung. Eröffnet wird dieſelbe häufig durch eine Art ſehr ſchneckenhaften Rundtanzes, indem die beiden Thiere in immer kleiner werdenden Kreiſen um einander herumkriechen. Oft jedoch iſt, wie Johnſton ſagt, die Art der Bewerbung weniger förmlich. Haben ſie ſich erreicht, ſo legen ſie ſich mit den Fußſohlen platt auf einander, indem ſie ſich aufrichten und das Ende der Sohle gegen die Erde ſtemmen. Dabei ſind die wellenförmigen Bewegungen der Fußmuskeln beſonders ſtark. Nun berühren ſich die Fühler, immer und immer wieder ſich aus- und einſtülpend; auch mit den Lippen betaſten ſie ſich, ſo daß Swammerdam es mit dem Schnäbeln der Tauben vergleicht. Nach dieſen und anderen Vorbereitungen und durch gewiſſe Bewegungen treten auch die Pfeile hervor, welche, wenn alles richtig von ſtatten geht, gegenſeitig in die Geſchlechtsorgane eindringen, häufig aber daneben die Haut durchbohren oder auch herabfallen, ohne irgend ein Ziel erreicht zu haben. Es geht daraus hervor, daß die Bedeutung der Liebespfeile für den Begattungsakt, deſſen wichtigſter Theil nun erſt beginnt, jedenfalls eine ſehr geringe iſt, und daß ſie auch kaum als Reizorgane betrachtet werden können.
Die Eier der Weinbergsſchnecke haben drei Linien Durchmeſſer und werden von einer weißen mit Kalkkryſtallen imprägnirten und darum feſten Schale umgeben. „Dieſe Eier werden in großer Menge in kleine Erdhöhlen gelegt, welche die Schnecken dazu ſelbſt bilden. Der Vorderkörper wühlt ſich, ſoweit er ſich aus der Schale hervorſtrecken kann, in weiche feuchte Erde hinein und bildet ſo ein rundes 1 bis 1½ Zoll tiefes Loch, deſſen Oeffnung oben ſtets vom Schneckenhaus verſchloſſen bleibt und ſo hineingeſtreckt legt die Schnecke im Verlauf von 1 bis 2 Tagen ihre 60 bis 80 Eier. Dann ſcharrt ſie das Loch mit Erde zu und ebnet den Boden darüber, ſo daß das Eierneſt, wenn man nicht bald nach dem Legen die lockere Erde dort noch erkennt, ſchwer zu finden iſt.“ (Keferſtein.) Die Entwicklung im Ei nimmt etwa 26 Tage in Anſpruch. Einige Züge der Entwicklung der Landpulmonaten ſollen unten bei der Ackerſchnecke mitgetheilt werden. Bis tief in den Herbſt hinein ſind Alt und Jung ſehr gefräſſig, um mit Eintritt der Kälte ſich zum Winterſchlaf anzuſchicken.
Die Weinbergſchnecke iſt ſeit alten Zeiten im mittleren Deutſchland eine beliebte Speiſe geweſen, beſonders zur Faſching- und Faſtenzeit. Jn der Schweiz und in den Donaugegenden
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[796/0842]
Lungenſchnecken. Heliciden.
noch verdaut, dann aber füllt ſich der Magen mit einem bräunlichem Brei, mit Galle. Die Wärme
des April und Mai weckt die Lebensthätigkeit; das Herz ſchlägt lebhafter und ohne Zweifel wird
das Thier durch das geſteigerte Athembedürfniß, gewiß auch durch einen rechtſchaffenen Hunger
getrieben, mit dem Fuße gegen die häutigen Deckel ſich zu legen. Dieſelben werden nicht durch-
ſtoßen, ſondern leicht abgeweicht, und auch das Abheben des Kalkverſchluſſes der Mündung
erfordert keine beſondere Kraft. Er iſt mit der Mündung nicht verwachſen, ſondern bildet einen
flachen Pfropf mit glattem, gut ſchließendem Rande.
Die nächſten Tage und Wochen nach der Auferſtehung aus dem Winter benutzt unſre Schnecke,
um ſich an den jungen Gräſern und Kräutern gütlich zu thun. Erſt in den feuchten Tagen des
Mai und Juni geht ſie zur Begattung über, ein mit den ſonderbarſten Vorbereitungen und den
auffallendſten begleitenden Umſtänden verbundener Akt. Ergötzlich ſpricht Johnſton von den
Uebertreibungen hinſichtlich der Rolle, welche der Liebespfeil dabei ſpielen ſollte. Er ſagt: „Wenn
verliebte Dichter vom Cupido, von ſeinem Köcher und ſeinen Pfeilen ſingen, ſo gebrauchen ſie
Ausdrücke, welche einige ernſthafte Naturforſcher geglaubt haben buchſtäblich bei der Beſchreibung
der Liebesverhältniſſe einiger unſerer Gartenſchnecken (Helix pomatia u. a.) anwenden zu können.
Die Jahreszeit treibt ſie zur Vereinigung, und das verbindende Paar nähert ſich, indem es von
Zeit zu Zeit kleine Pfeile auf einander abſchießt. Dieſe Pfeile ſind einigermaßen wie ein Bajonnet
geſtaltet; ſie ſtecken in einer Höhle, Köcher, an der rechten Seite des Halſes, aus welcher ſie
abgeſchoſſen werden ſollen, wenn die Thiere noch zwei Zoll von einander entfernt ſind; und wenn
die Pfeile ausgetauſcht, ſo ſind die Neigungen gewonnen und eine Hochzeit iſt die Folge“. Aller-
dings gehört der Pfeilſchuß mit in das Vorſpiel, bildet aber erſt die Schlußſcene der erſten
Abtheilung. Eröffnet wird dieſelbe häufig durch eine Art ſehr ſchneckenhaften Rundtanzes, indem
die beiden Thiere in immer kleiner werdenden Kreiſen um einander herumkriechen. Oft jedoch iſt,
wie Johnſton ſagt, die Art der Bewerbung weniger förmlich. Haben ſie ſich erreicht, ſo legen
ſie ſich mit den Fußſohlen platt auf einander, indem ſie ſich aufrichten und das Ende der Sohle
gegen die Erde ſtemmen. Dabei ſind die wellenförmigen Bewegungen der Fußmuskeln beſonders
ſtark. Nun berühren ſich die Fühler, immer und immer wieder ſich aus- und einſtülpend; auch
mit den Lippen betaſten ſie ſich, ſo daß Swammerdam es mit dem Schnäbeln der Tauben
vergleicht. Nach dieſen und anderen Vorbereitungen und durch gewiſſe Bewegungen treten auch
die Pfeile hervor, welche, wenn alles richtig von ſtatten geht, gegenſeitig in die Geſchlechtsorgane
eindringen, häufig aber daneben die Haut durchbohren oder auch herabfallen, ohne irgend ein
Ziel erreicht zu haben. Es geht daraus hervor, daß die Bedeutung der Liebespfeile für den
Begattungsakt, deſſen wichtigſter Theil nun erſt beginnt, jedenfalls eine ſehr geringe iſt, und daß
ſie auch kaum als Reizorgane betrachtet werden können.
Die Eier der Weinbergsſchnecke haben drei Linien Durchmeſſer und werden von einer weißen
mit Kalkkryſtallen imprägnirten und darum feſten Schale umgeben. „Dieſe Eier werden in großer
Menge in kleine Erdhöhlen gelegt, welche die Schnecken dazu ſelbſt bilden. Der Vorderkörper
wühlt ſich, ſoweit er ſich aus der Schale hervorſtrecken kann, in weiche feuchte Erde hinein und
bildet ſo ein rundes 1 bis 1½ Zoll tiefes Loch, deſſen Oeffnung oben ſtets vom Schneckenhaus
verſchloſſen bleibt und ſo hineingeſtreckt legt die Schnecke im Verlauf von 1 bis 2 Tagen ihre 60
bis 80 Eier. Dann ſcharrt ſie das Loch mit Erde zu und ebnet den Boden darüber, ſo daß das
Eierneſt, wenn man nicht bald nach dem Legen die lockere Erde dort noch erkennt, ſchwer zu
finden iſt.“ (Keferſtein.) Die Entwicklung im Ei nimmt etwa 26 Tage in Anſpruch. Einige
Züge der Entwicklung der Landpulmonaten ſollen unten bei der Ackerſchnecke mitgetheilt werden.
Bis tief in den Herbſt hinein ſind Alt und Jung ſehr gefräſſig, um mit Eintritt der Kälte ſich
zum Winterſchlaf anzuſchicken.
Die Weinbergſchnecke iſt ſeit alten Zeiten im mittleren Deutſchland eine beliebte Speiſe
geweſen, beſonders zur Faſching- und Faſtenzeit. Jn der Schweiz und in den Donaugegenden
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 796. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/842>, abgerufen am 24.11.2024.
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