Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

Bild:
<< vorherige Seite

Kopffüßer.
finden. Die Kopffüßer sind ausschließlich Meeresbewohner, wie sie es zu allen Zeiten der Erde
waren. Viele Arten leben gesellig, und gerade diese machen Wanderungen, wobei sie sich aus den
tieferen Meeresgründen und dem hohen Meere den Küsten zu nähern pflegen. Verany hat jedoch
darauf aufmerksam gemacht, daß der Umstand, daß man gewisse Arten nur in bestimmten Monaten
auf den Fischmärkten anträfe, nicht von ihrer Wanderung, sondern von dem Gebrauch gewisser, nur in
jenen Monaten zur Anwendung kommender Netze abhänge. Man erhält z. B. die Histiotenthis
Rüppeli,
welche in den größten Tiefen sich aufhält, nur im Mai und September, wo man zum Fange
eines Fisches (des Sparus centrodontus) das Grundnetz in Tiefen von 2400 Fuß hinabläßt.

Alle Kopffüßer sind, wie wir schon erwähnten, räuberische Fleischfresser und vernichten eine
Menge Fische, Krebse, Schnecken und Muscheln. Sie sind sogar so gefräßig, daß sie sich auf die
an der Angel gefangenen Thiere ihres eigenen Geschlechtes stürzen und sich mit ihnen an die Ober-
fläche ziehen und ergreifen lassen. Den in der Nähe des Landes auf den Felsen und zwischen den
Tangen herumkriechenden und auf Beute lauernden Arten dienen mancherlei fadenförmige Anhänge,
welche sie spielen lassen, zur Anlockung ihrer Opfer. Glücklicher Weise wird dieser Schaden dadurch
ausgeglichen, daß eine Reihe sehr wichtiger Thiere, z. B. mehrere Wale, der Potwal, die Kabeljaus
fast ausschließlich oder vorzugsweise von Kopffüßern leben, und daß mehrere Arten auch dem Menschen
ein Nahrungsmittel sind.

Wie die Cephalopoden die am höchsten organisirten Weichthiere, so erreichen sie auch die
größte Kraft, Stärke und Länge. Die hierauf bezüglichen Angaben alter und neuer Zeit hat Kefer-
stein
in seinem trefflichen Sammelwerk über die Mollusken gesichtet. "Seit Alters", sagt er, "hat
man geglaubt, daß es Cephalopoden von gewaltiger Größe gebe, die Menschen und selbst Schiffen
gefährlich werden könnten, und die nordischen Sagen vom Kraken, nach dem Oken sogar die ganze
Klasse der Cephalopoden benannte, haben zu Zeiten sehr allgemeinen Eingang gefunden. Jn der
neueren Zeit erwiesen sich viele dieser Angaben als Fabeln oder wenigstens ohne wissenschaftliche
Begründung, und gegen die frühere Leichtgläubigkeit schlug man in das andere Extrem um, indem
man den Cephalopoden höchstens eine Größe von 3 bis 4 Fuß beilegen wollte. Jetzt weiß man aller-
dings, daß es gewaltige Riesen unter unseren Thieren gibt, doch hat man noch immer nur eine
sehr ungenügende Nachricht von ihnen und kann bei vielen derselben nicht bestimmen, ob diese Riesen-
cephalopoden bloß außerordentlich alte und darum so sehr große Thiere sind, wie es eben so bei
den Fischen ist, die eben so wie die Bäume beständig wachsen, oder ob sie besonderen Arten angehören,
welche uns ihres pelagischen (auf hohem Meere) Lebens wegen bisher und in den Jugendformen
entgingen, stets aber, um zur Reife zu gelangen, diese Riesengröße erreichen müssen. Die erstere
Annahme scheint mir die wahrscheinlichere und erklärt auch die Seltenheit dieser Riesenthiere, indem
nur wenige den zahlreichen Feinden entgehen und ein außerordentliches Alter erreichen werden.
Allerdings ist damit gar nicht gesagt, daß das hohe Meer, namentlich in seinen Tiefen, nicht noch
viele Arten von Cephalopoden birgt, von deren Dasein wir zur Zeit noch keinen Begriff haben, und
die sich durch gewaltige Größe auszeichnen können.

"Schon Aristoteles erzählt von einem Loligo, der fünf Ellen lang war, und Plinius
erwähnt die Angaben des Trebius Niger, nach denen zu Carteja ein Riesenpolyp des Nachts
an die Küste kam, um die Fischbehälter zu plündern, und der die Hunde durch sein Geschnaube
und seine Arme verjagte. Der Kopf dieses Thieres, den man Lucull zeigte, war so groß wie
ein Faß von 15 Amphoren, und seine Arme, die ein Mann kaum umklaftern konnte, maßen
30 Fuß in der Länge und trugen Vertiefungen -- Saugnäpfe --, die eine Urne Wasser faßten.
Von dem größten Cephalopoden, dem sogenannten Kraken, wird uns aber aus Norwegen berichtet,
zuerst von Olaus Magnus, dann vom Bischof Pontoppidan. Nach dem letzteren bemerken
die Fischer beim Fischfang einen großen Reichthum von Fischen, dann aber auch, daß die Tiefe
beständig abnimmt, sie fliehen, denn es naht der Kraken. Dann erhebt sich aus der Fluth,
erzählt er, ein breites, unebenes Feld von einer halben Stunde im Durchmesser, welches nicht

Kopffüßer.
finden. Die Kopffüßer ſind ausſchließlich Meeresbewohner, wie ſie es zu allen Zeiten der Erde
waren. Viele Arten leben geſellig, und gerade dieſe machen Wanderungen, wobei ſie ſich aus den
tieferen Meeresgründen und dem hohen Meere den Küſten zu nähern pflegen. Verany hat jedoch
darauf aufmerkſam gemacht, daß der Umſtand, daß man gewiſſe Arten nur in beſtimmten Monaten
auf den Fiſchmärkten anträfe, nicht von ihrer Wanderung, ſondern von dem Gebrauch gewiſſer, nur in
jenen Monaten zur Anwendung kommender Netze abhänge. Man erhält z. B. die Histiotenthis
Rüppeli,
welche in den größten Tiefen ſich aufhält, nur im Mai und September, wo man zum Fange
eines Fiſches (des Sparus centrodontus) das Grundnetz in Tiefen von 2400 Fuß hinabläßt.

Alle Kopffüßer ſind, wie wir ſchon erwähnten, räuberiſche Fleiſchfreſſer und vernichten eine
Menge Fiſche, Krebſe, Schnecken und Muſcheln. Sie ſind ſogar ſo gefräßig, daß ſie ſich auf die
an der Angel gefangenen Thiere ihres eigenen Geſchlechtes ſtürzen und ſich mit ihnen an die Ober-
fläche ziehen und ergreifen laſſen. Den in der Nähe des Landes auf den Felſen und zwiſchen den
Tangen herumkriechenden und auf Beute lauernden Arten dienen mancherlei fadenförmige Anhänge,
welche ſie ſpielen laſſen, zur Anlockung ihrer Opfer. Glücklicher Weiſe wird dieſer Schaden dadurch
ausgeglichen, daß eine Reihe ſehr wichtiger Thiere, z. B. mehrere Wale, der Potwal, die Kabeljaus
faſt ausſchließlich oder vorzugsweiſe von Kopffüßern leben, und daß mehrere Arten auch dem Menſchen
ein Nahrungsmittel ſind.

Wie die Cephalopoden die am höchſten organiſirten Weichthiere, ſo erreichen ſie auch die
größte Kraft, Stärke und Länge. Die hierauf bezüglichen Angaben alter und neuer Zeit hat Kefer-
ſtein
in ſeinem trefflichen Sammelwerk über die Mollusken geſichtet. „Seit Alters“, ſagt er, „hat
man geglaubt, daß es Cephalopoden von gewaltiger Größe gebe, die Menſchen und ſelbſt Schiffen
gefährlich werden könnten, und die nordiſchen Sagen vom Kraken, nach dem Oken ſogar die ganze
Klaſſe der Cephalopoden benannte, haben zu Zeiten ſehr allgemeinen Eingang gefunden. Jn der
neueren Zeit erwieſen ſich viele dieſer Angaben als Fabeln oder wenigſtens ohne wiſſenſchaftliche
Begründung, und gegen die frühere Leichtgläubigkeit ſchlug man in das andere Extrem um, indem
man den Cephalopoden höchſtens eine Größe von 3 bis 4 Fuß beilegen wollte. Jetzt weiß man aller-
dings, daß es gewaltige Rieſen unter unſeren Thieren gibt, doch hat man noch immer nur eine
ſehr ungenügende Nachricht von ihnen und kann bei vielen derſelben nicht beſtimmen, ob dieſe Rieſen-
cephalopoden bloß außerordentlich alte und darum ſo ſehr große Thiere ſind, wie es eben ſo bei
den Fiſchen iſt, die eben ſo wie die Bäume beſtändig wachſen, oder ob ſie beſonderen Arten angehören,
welche uns ihres pelagiſchen (auf hohem Meere) Lebens wegen bisher und in den Jugendformen
entgingen, ſtets aber, um zur Reife zu gelangen, dieſe Rieſengröße erreichen müſſen. Die erſtere
Annahme ſcheint mir die wahrſcheinlichere und erklärt auch die Seltenheit dieſer Rieſenthiere, indem
nur wenige den zahlreichen Feinden entgehen und ein außerordentliches Alter erreichen werden.
Allerdings iſt damit gar nicht geſagt, daß das hohe Meer, namentlich in ſeinen Tiefen, nicht noch
viele Arten von Cephalopoden birgt, von deren Daſein wir zur Zeit noch keinen Begriff haben, und
die ſich durch gewaltige Größe auszeichnen können.

„Schon Ariſtoteles erzählt von einem Loligo, der fünf Ellen lang war, und Plinius
erwähnt die Angaben des Trebius Niger, nach denen zu Carteja ein Rieſenpolyp des Nachts
an die Küſte kam, um die Fiſchbehälter zu plündern, und der die Hunde durch ſein Geſchnaube
und ſeine Arme verjagte. Der Kopf dieſes Thieres, den man Lucull zeigte, war ſo groß wie
ein Faß von 15 Amphoren, und ſeine Arme, die ein Mann kaum umklaftern konnte, maßen
30 Fuß in der Länge und trugen Vertiefungen — Saugnäpfe —, die eine Urne Waſſer faßten.
Von dem größten Cephalopoden, dem ſogenannten Kraken, wird uns aber aus Norwegen berichtet,
zuerſt von Olaus Magnus, dann vom Biſchof Pontoppidan. Nach dem letzteren bemerken
die Fiſcher beim Fiſchfang einen großen Reichthum von Fiſchen, dann aber auch, daß die Tiefe
beſtändig abnimmt, ſie fliehen, denn es naht der Kraken. Dann erhebt ſich aus der Fluth,
erzählt er, ein breites, unebenes Feld von einer halben Stunde im Durchmeſſer, welches nicht

<TEI>
  <text>
    <body>
      <floatingText>
        <body>
          <div n="1">
            <div n="2">
              <p><pb facs="#f0806" n="762"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Kopffüßer.</hi></fw><lb/>
finden. Die Kopffüßer &#x017F;ind aus&#x017F;chließlich Meeresbewohner, wie &#x017F;ie es zu allen Zeiten der Erde<lb/>
waren. Viele Arten leben ge&#x017F;ellig, und gerade die&#x017F;e machen Wanderungen, wobei &#x017F;ie &#x017F;ich aus den<lb/>
tieferen Meeresgründen und dem hohen Meere den Kü&#x017F;ten zu nähern pflegen. <hi rendition="#g">Verany</hi> hat jedoch<lb/>
darauf aufmerk&#x017F;am gemacht, daß der Um&#x017F;tand, daß man gewi&#x017F;&#x017F;e Arten nur in be&#x017F;timmten Monaten<lb/>
auf den Fi&#x017F;chmärkten anträfe, nicht von ihrer Wanderung, &#x017F;ondern von dem Gebrauch gewi&#x017F;&#x017F;er, nur in<lb/>
jenen Monaten zur Anwendung kommender Netze abhänge. Man erhält z. B. die <hi rendition="#aq">Histiotenthis<lb/>
Rüppeli,</hi> welche in den größten Tiefen &#x017F;ich aufhält, nur im Mai und September, wo man zum Fange<lb/>
eines Fi&#x017F;ches (des <hi rendition="#aq">Sparus centrodontus</hi>) das Grundnetz in Tiefen von 2400 Fuß hinabläßt.</p><lb/>
              <p>Alle Kopffüßer &#x017F;ind, wie wir &#x017F;chon erwähnten, räuberi&#x017F;che Flei&#x017F;chfre&#x017F;&#x017F;er und vernichten eine<lb/>
Menge Fi&#x017F;che, Kreb&#x017F;e, Schnecken und Mu&#x017F;cheln. Sie &#x017F;ind &#x017F;ogar &#x017F;o gefräßig, daß &#x017F;ie &#x017F;ich auf die<lb/>
an der Angel gefangenen Thiere ihres eigenen Ge&#x017F;chlechtes &#x017F;türzen und &#x017F;ich mit ihnen an die Ober-<lb/>
fläche ziehen und ergreifen la&#x017F;&#x017F;en. Den in der Nähe des Landes auf den Fel&#x017F;en und zwi&#x017F;chen den<lb/>
Tangen herumkriechenden und auf Beute lauernden Arten dienen mancherlei fadenförmige Anhänge,<lb/>
welche &#x017F;ie &#x017F;pielen la&#x017F;&#x017F;en, zur Anlockung ihrer Opfer. Glücklicher Wei&#x017F;e wird die&#x017F;er Schaden dadurch<lb/>
ausgeglichen, daß eine Reihe &#x017F;ehr wichtiger Thiere, z. B. mehrere Wale, der Potwal, die Kabeljaus<lb/>
fa&#x017F;t aus&#x017F;chließlich oder vorzugswei&#x017F;e von Kopffüßern leben, und daß mehrere Arten auch dem Men&#x017F;chen<lb/>
ein Nahrungsmittel &#x017F;ind.</p><lb/>
              <p>Wie die Cephalopoden die am höch&#x017F;ten organi&#x017F;irten Weichthiere, &#x017F;o erreichen &#x017F;ie auch die<lb/>
größte Kraft, Stärke und Länge. Die hierauf bezüglichen Angaben alter und neuer Zeit hat <hi rendition="#g">Kefer-<lb/>
&#x017F;tein</hi> in &#x017F;einem trefflichen Sammelwerk über die Mollusken ge&#x017F;ichtet. &#x201E;Seit Alters&#x201C;, &#x017F;agt er, &#x201E;hat<lb/>
man geglaubt, daß es Cephalopoden von gewaltiger Größe gebe, die Men&#x017F;chen und &#x017F;elb&#x017F;t Schiffen<lb/>
gefährlich werden könnten, und die nordi&#x017F;chen Sagen vom Kraken, nach dem <hi rendition="#g">Oken</hi> &#x017F;ogar die ganze<lb/>
Kla&#x017F;&#x017F;e der Cephalopoden benannte, haben zu Zeiten &#x017F;ehr allgemeinen Eingang gefunden. Jn der<lb/>
neueren Zeit erwie&#x017F;en &#x017F;ich viele die&#x017F;er Angaben als Fabeln oder wenig&#x017F;tens ohne wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftliche<lb/>
Begründung, und gegen die frühere Leichtgläubigkeit &#x017F;chlug man in das andere Extrem um, indem<lb/>
man den Cephalopoden höch&#x017F;tens eine Größe von 3 bis 4 Fuß beilegen wollte. Jetzt weiß man aller-<lb/>
dings, daß es gewaltige Rie&#x017F;en unter un&#x017F;eren Thieren gibt, doch hat man noch immer nur eine<lb/>
&#x017F;ehr ungenügende Nachricht von ihnen und kann bei vielen der&#x017F;elben nicht be&#x017F;timmen, ob die&#x017F;e Rie&#x017F;en-<lb/>
cephalopoden bloß außerordentlich alte und darum &#x017F;o &#x017F;ehr große Thiere &#x017F;ind, wie es eben &#x017F;o bei<lb/>
den Fi&#x017F;chen i&#x017F;t, die eben &#x017F;o wie die Bäume be&#x017F;tändig wach&#x017F;en, oder ob &#x017F;ie be&#x017F;onderen Arten angehören,<lb/>
welche uns ihres pelagi&#x017F;chen (auf hohem Meere) Lebens wegen bisher und in den Jugendformen<lb/>
entgingen, &#x017F;tets aber, um zur Reife zu gelangen, die&#x017F;e Rie&#x017F;engröße erreichen mü&#x017F;&#x017F;en. Die er&#x017F;tere<lb/>
Annahme &#x017F;cheint mir die wahr&#x017F;cheinlichere und erklärt auch die Seltenheit die&#x017F;er Rie&#x017F;enthiere, indem<lb/>
nur wenige den zahlreichen Feinden entgehen und ein außerordentliches Alter erreichen werden.<lb/>
Allerdings i&#x017F;t damit gar nicht ge&#x017F;agt, daß das hohe Meer, namentlich in &#x017F;einen Tiefen, nicht noch<lb/>
viele Arten von Cephalopoden birgt, von deren Da&#x017F;ein wir zur Zeit noch keinen Begriff haben, und<lb/>
die &#x017F;ich durch gewaltige Größe auszeichnen können.</p><lb/>
              <p>&#x201E;Schon <hi rendition="#g">Ari&#x017F;toteles</hi> erzählt von einem Loligo, der fünf Ellen lang war, und <hi rendition="#g">Plinius</hi><lb/>
erwähnt die Angaben des <hi rendition="#g">Trebius Niger,</hi> nach denen zu Carteja ein Rie&#x017F;enpolyp des Nachts<lb/>
an die Kü&#x017F;te kam, um die Fi&#x017F;chbehälter zu plündern, und der die Hunde durch &#x017F;ein Ge&#x017F;chnaube<lb/>
und &#x017F;eine Arme verjagte. Der Kopf die&#x017F;es Thieres, den man <hi rendition="#g">Lucull</hi> zeigte, war &#x017F;o groß wie<lb/>
ein Faß von 15 Amphoren, und &#x017F;eine Arme, die ein Mann kaum umklaftern konnte, maßen<lb/>
30 Fuß in der Länge und trugen Vertiefungen &#x2014; Saugnäpfe &#x2014;, die eine Urne Wa&#x017F;&#x017F;er faßten.<lb/>
Von dem größten Cephalopoden, dem &#x017F;ogenannten <hi rendition="#g">Kraken,</hi> wird uns aber aus Norwegen berichtet,<lb/>
zuer&#x017F;t von <hi rendition="#g">Olaus Magnus,</hi> dann vom Bi&#x017F;chof <hi rendition="#g">Pontoppidan.</hi> Nach dem letzteren bemerken<lb/>
die Fi&#x017F;cher beim Fi&#x017F;chfang einen großen Reichthum von Fi&#x017F;chen, dann aber auch, daß die Tiefe<lb/>
be&#x017F;tändig abnimmt, &#x017F;ie fliehen, denn es naht der Kraken. Dann erhebt &#x017F;ich aus der Fluth,<lb/>
erzählt er, ein breites, unebenes Feld von einer halben Stunde im Durchme&#x017F;&#x017F;er, welches nicht<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </body>
      </floatingText>
    </body>
  </text>
</TEI>
[762/0806] Kopffüßer. finden. Die Kopffüßer ſind ausſchließlich Meeresbewohner, wie ſie es zu allen Zeiten der Erde waren. Viele Arten leben geſellig, und gerade dieſe machen Wanderungen, wobei ſie ſich aus den tieferen Meeresgründen und dem hohen Meere den Küſten zu nähern pflegen. Verany hat jedoch darauf aufmerkſam gemacht, daß der Umſtand, daß man gewiſſe Arten nur in beſtimmten Monaten auf den Fiſchmärkten anträfe, nicht von ihrer Wanderung, ſondern von dem Gebrauch gewiſſer, nur in jenen Monaten zur Anwendung kommender Netze abhänge. Man erhält z. B. die Histiotenthis Rüppeli, welche in den größten Tiefen ſich aufhält, nur im Mai und September, wo man zum Fange eines Fiſches (des Sparus centrodontus) das Grundnetz in Tiefen von 2400 Fuß hinabläßt. Alle Kopffüßer ſind, wie wir ſchon erwähnten, räuberiſche Fleiſchfreſſer und vernichten eine Menge Fiſche, Krebſe, Schnecken und Muſcheln. Sie ſind ſogar ſo gefräßig, daß ſie ſich auf die an der Angel gefangenen Thiere ihres eigenen Geſchlechtes ſtürzen und ſich mit ihnen an die Ober- fläche ziehen und ergreifen laſſen. Den in der Nähe des Landes auf den Felſen und zwiſchen den Tangen herumkriechenden und auf Beute lauernden Arten dienen mancherlei fadenförmige Anhänge, welche ſie ſpielen laſſen, zur Anlockung ihrer Opfer. Glücklicher Weiſe wird dieſer Schaden dadurch ausgeglichen, daß eine Reihe ſehr wichtiger Thiere, z. B. mehrere Wale, der Potwal, die Kabeljaus faſt ausſchließlich oder vorzugsweiſe von Kopffüßern leben, und daß mehrere Arten auch dem Menſchen ein Nahrungsmittel ſind. Wie die Cephalopoden die am höchſten organiſirten Weichthiere, ſo erreichen ſie auch die größte Kraft, Stärke und Länge. Die hierauf bezüglichen Angaben alter und neuer Zeit hat Kefer- ſtein in ſeinem trefflichen Sammelwerk über die Mollusken geſichtet. „Seit Alters“, ſagt er, „hat man geglaubt, daß es Cephalopoden von gewaltiger Größe gebe, die Menſchen und ſelbſt Schiffen gefährlich werden könnten, und die nordiſchen Sagen vom Kraken, nach dem Oken ſogar die ganze Klaſſe der Cephalopoden benannte, haben zu Zeiten ſehr allgemeinen Eingang gefunden. Jn der neueren Zeit erwieſen ſich viele dieſer Angaben als Fabeln oder wenigſtens ohne wiſſenſchaftliche Begründung, und gegen die frühere Leichtgläubigkeit ſchlug man in das andere Extrem um, indem man den Cephalopoden höchſtens eine Größe von 3 bis 4 Fuß beilegen wollte. Jetzt weiß man aller- dings, daß es gewaltige Rieſen unter unſeren Thieren gibt, doch hat man noch immer nur eine ſehr ungenügende Nachricht von ihnen und kann bei vielen derſelben nicht beſtimmen, ob dieſe Rieſen- cephalopoden bloß außerordentlich alte und darum ſo ſehr große Thiere ſind, wie es eben ſo bei den Fiſchen iſt, die eben ſo wie die Bäume beſtändig wachſen, oder ob ſie beſonderen Arten angehören, welche uns ihres pelagiſchen (auf hohem Meere) Lebens wegen bisher und in den Jugendformen entgingen, ſtets aber, um zur Reife zu gelangen, dieſe Rieſengröße erreichen müſſen. Die erſtere Annahme ſcheint mir die wahrſcheinlichere und erklärt auch die Seltenheit dieſer Rieſenthiere, indem nur wenige den zahlreichen Feinden entgehen und ein außerordentliches Alter erreichen werden. Allerdings iſt damit gar nicht geſagt, daß das hohe Meer, namentlich in ſeinen Tiefen, nicht noch viele Arten von Cephalopoden birgt, von deren Daſein wir zur Zeit noch keinen Begriff haben, und die ſich durch gewaltige Größe auszeichnen können. „Schon Ariſtoteles erzählt von einem Loligo, der fünf Ellen lang war, und Plinius erwähnt die Angaben des Trebius Niger, nach denen zu Carteja ein Rieſenpolyp des Nachts an die Küſte kam, um die Fiſchbehälter zu plündern, und der die Hunde durch ſein Geſchnaube und ſeine Arme verjagte. Der Kopf dieſes Thieres, den man Lucull zeigte, war ſo groß wie ein Faß von 15 Amphoren, und ſeine Arme, die ein Mann kaum umklaftern konnte, maßen 30 Fuß in der Länge und trugen Vertiefungen — Saugnäpfe —, die eine Urne Waſſer faßten. Von dem größten Cephalopoden, dem ſogenannten Kraken, wird uns aber aus Norwegen berichtet, zuerſt von Olaus Magnus, dann vom Biſchof Pontoppidan. Nach dem letzteren bemerken die Fiſcher beim Fiſchfang einen großen Reichthum von Fiſchen, dann aber auch, daß die Tiefe beſtändig abnimmt, ſie fliehen, denn es naht der Kraken. Dann erhebt ſich aus der Fluth, erzählt er, ein breites, unebenes Feld von einer halben Stunde im Durchmeſſer, welches nicht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/806
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 762. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/806>, abgerufen am 24.11.2024.