schneiden hat, ein Eingriff, der an sich das Leben des Thieres durchaus nicht gefährdet. Nur in den Hautbedeckungen mancher Weichthiere kommen Absonderungen horniger und kalkiger Platten vor, die ihrer Lage wegen den Eindruck innerer Skeletstücke und Knochen machen, im Wesentlichen aber mit jenen äußeren Schalenbildungen übereinstimmen.
So haben wir denn, um über den allgemeinen Charakter der Weichthiere ins Reine zu kommen, uns an die zu halten, welche keine Gehäuse besitzen, und die anderen ihrer Schalen zu entkleiden. Sie stehen dann vor uns als ungegliederte, oft sehr ungeschickt aussehende Thiere, deren in der Anlage vorhandene Symmetrie oft einer unsymmetrischen Gestalt gewichen ist. Die Haut ist schlüpfrig und weich, und ausnahmslos finden wir dieselbe in Lappen und mantelartige Falten ausgezogen, von welchen der Körper ganz oder theilweise verhüllt werden kann. Es ist nichts leichter, als sich von dieser Grundeigenthümlichkeit der Weichthiere eine Anschauung zu verschaffen. Wenn die Schnecke sich in das Gehäus zurückzieht, bemerkt man, wie ein dicker Hautlappen sich über den verschwindenden Kopf hinweg legt: es ist ein Stück des Mantels. Schält man eine Muschel aus, so ist der Körper vollständig von jeder Seite mit einem großen häutigen Lappen bedeckt: das sind die beiden Hälften des Mantels. Alle Schalenbildung geht vom Mantel aus, besonders von seinen freien Rändern.
Wenn wir anführen, daß die am höchsten ausgebildeten Weichthiere bei einem nicht selten drei Fuß, wohl aber auch sechs und sieben, ja in riesenhaften Dimensionen zwanzig Fuß und darüber langen Körper fast so vollendete Sinneswerkzeuge tragen, wie die höheren Wirbelthiere, und ihrer Größe entsprechende Muskelkraft entwickeln, während die niedrigsten mikroskopische Thierchen sind und durch einige Eigenschaften sich an die Polypen anschließen, so wird man auch hier nicht erwarten, daß der Bau, das Leben und Vorkommen dieses Kreises im Allgemeinen geschildert werden kann. Nachdem wir die Wichtigkeit der Hautbedeckungen hervorgehoben, deuten wir nur an, daß der Haupttheil des Nervensystems in einem Schlundring besteht, mit welchem die übrigen im Körper zerstreuten Nerven und Nervenknoten zusammenhängen. Das Vorhandensein der Sinnesorgane richtet sich nach der Stufe der Ausbildung des Körpers im Ganzen und nach Aufenthalt und Lebensweise. So finden sich, um nur einige Beispiele anzuführen, nur wenige Muschelthiere mit Augen; sie haben keinen Raub zu erspähen, und ihre Nahrung wird ihnen durch unausgesetzte Flimmerbewegung an den Körperflächen zugeführt. Aber alle Schnecken und vor allen die hoch organisirten raubgierigen Tintenschnecken suchen nach ihrer Nahrung, und demgemäß spiegelt sich in ihren Augen die Umgebung ab.
Sehr vollständig ist bei allen Weichthieren der Ernährungsapparat ausgebildet. Die höheren Ordnungen, nämlich alle, welche eine feste Nahrung zerkleinern, sind mit sehr auffallen- den Beiß- und Raspelwerkzeugen ausgestattet, die in neuerer Zeit mit eben dem Erfolg für eine naturgemäße Systematik sich haben verwerthen lassen, wie man seit Langem an der Beschaffen- heit des Gebisses der Säuger ihre Lebensweise und systematische Stellung erkennt. Als starke Fresser bedürfen die Weichthiere nicht blos eines geräumigen Darmkanales, sondern auch ein reich- liches Maß der die Verdauung einleitenden und befördernden Säfte, daher wir die den Speichel und die Galle bereitenden Drüsen, Speicheldrüsen und Leber ausnehmend entwickelt finden. Wir sehen den Blutlauf geregelt durch ein Herz, aus Kammer und einer oder zwei Vorkammern bestehend, in welches das Blut aus dem Athmungsorgan eintritt, um aus demselben in erneutem zur Ernährung des Organismus tauglichem Zustande dem Körper zugeführt zu werden. Auch die Athmungsorgane, meist Kiemen, sind immer ansehnlich entfaltet und bieten der Thierbeschreibung durch ihre manchfaltige Stellung und Form viele Anhaltepunkte. Eine außerordentliche Ent- wickelung pflegt auch die andre, der vegetativen Seite des Lebens gehörige Organgruppe, die der Fortpflanzungswerkzeuge zu sein. Doch dieß alles, und wie Zwitterformen mit getrennten Geschlechtern abwechseln, wie uns dort der Generationswechsel, hier Verwandlung, hier wiederum die Entwicklung ohne Verwandlung begegnet, ferner das Verhältniß der Weichthiere zu sich
Allgemeines über die Weichthiere.
ſchneiden hat, ein Eingriff, der an ſich das Leben des Thieres durchaus nicht gefährdet. Nur in den Hautbedeckungen mancher Weichthiere kommen Abſonderungen horniger und kalkiger Platten vor, die ihrer Lage wegen den Eindruck innerer Skeletſtücke und Knochen machen, im Weſentlichen aber mit jenen äußeren Schalenbildungen übereinſtimmen.
So haben wir denn, um über den allgemeinen Charakter der Weichthiere ins Reine zu kommen, uns an die zu halten, welche keine Gehäuſe beſitzen, und die anderen ihrer Schalen zu entkleiden. Sie ſtehen dann vor uns als ungegliederte, oft ſehr ungeſchickt ausſehende Thiere, deren in der Anlage vorhandene Symmetrie oft einer unſymmetriſchen Geſtalt gewichen iſt. Die Haut iſt ſchlüpfrig und weich, und ausnahmslos finden wir dieſelbe in Lappen und mantelartige Falten ausgezogen, von welchen der Körper ganz oder theilweiſe verhüllt werden kann. Es iſt nichts leichter, als ſich von dieſer Grundeigenthümlichkeit der Weichthiere eine Anſchauung zu verſchaffen. Wenn die Schnecke ſich in das Gehäus zurückzieht, bemerkt man, wie ein dicker Hautlappen ſich über den verſchwindenden Kopf hinweg legt: es iſt ein Stück des Mantels. Schält man eine Muſchel aus, ſo iſt der Körper vollſtändig von jeder Seite mit einem großen häutigen Lappen bedeckt: das ſind die beiden Hälften des Mantels. Alle Schalenbildung geht vom Mantel aus, beſonders von ſeinen freien Rändern.
Wenn wir anführen, daß die am höchſten ausgebildeten Weichthiere bei einem nicht ſelten drei Fuß, wohl aber auch ſechs und ſieben, ja in rieſenhaften Dimenſionen zwanzig Fuß und darüber langen Körper faſt ſo vollendete Sinneswerkzeuge tragen, wie die höheren Wirbelthiere, und ihrer Größe entſprechende Muskelkraft entwickeln, während die niedrigſten mikroſkopiſche Thierchen ſind und durch einige Eigenſchaften ſich an die Polypen anſchließen, ſo wird man auch hier nicht erwarten, daß der Bau, das Leben und Vorkommen dieſes Kreiſes im Allgemeinen geſchildert werden kann. Nachdem wir die Wichtigkeit der Hautbedeckungen hervorgehoben, deuten wir nur an, daß der Haupttheil des Nervenſyſtems in einem Schlundring beſteht, mit welchem die übrigen im Körper zerſtreuten Nerven und Nervenknoten zuſammenhängen. Das Vorhandenſein der Sinnesorgane richtet ſich nach der Stufe der Ausbildung des Körpers im Ganzen und nach Aufenthalt und Lebensweiſe. So finden ſich, um nur einige Beiſpiele anzuführen, nur wenige Muſchelthiere mit Augen; ſie haben keinen Raub zu erſpähen, und ihre Nahrung wird ihnen durch unausgeſetzte Flimmerbewegung an den Körperflächen zugeführt. Aber alle Schnecken und vor allen die hoch organiſirten raubgierigen Tintenſchnecken ſuchen nach ihrer Nahrung, und demgemäß ſpiegelt ſich in ihren Augen die Umgebung ab.
Sehr vollſtändig iſt bei allen Weichthieren der Ernährungsapparat ausgebildet. Die höheren Ordnungen, nämlich alle, welche eine feſte Nahrung zerkleinern, ſind mit ſehr auffallen- den Beiß- und Raspelwerkzeugen ausgeſtattet, die in neuerer Zeit mit eben dem Erfolg für eine naturgemäße Syſtematik ſich haben verwerthen laſſen, wie man ſeit Langem an der Beſchaffen- heit des Gebiſſes der Säuger ihre Lebensweiſe und ſyſtematiſche Stellung erkennt. Als ſtarke Freſſer bedürfen die Weichthiere nicht blos eines geräumigen Darmkanales, ſondern auch ein reich- liches Maß der die Verdauung einleitenden und befördernden Säfte, daher wir die den Speichel und die Galle bereitenden Drüſen, Speicheldrüſen und Leber ausnehmend entwickelt finden. Wir ſehen den Blutlauf geregelt durch ein Herz, aus Kammer und einer oder zwei Vorkammern beſtehend, in welches das Blut aus dem Athmungsorgan eintritt, um aus demſelben in erneutem zur Ernährung des Organismus tauglichem Zuſtande dem Körper zugeführt zu werden. Auch die Athmungsorgane, meiſt Kiemen, ſind immer anſehnlich entfaltet und bieten der Thierbeſchreibung durch ihre manchfaltige Stellung und Form viele Anhaltepunkte. Eine außerordentliche Ent- wickelung pflegt auch die andre, der vegetativen Seite des Lebens gehörige Organgruppe, die der Fortpflanzungswerkzeuge zu ſein. Doch dieß alles, und wie Zwitterformen mit getrennten Geſchlechtern abwechſeln, wie uns dort der Generationswechſel, hier Verwandlung, hier wiederum die Entwicklung ohne Verwandlung begegnet, ferner das Verhältniß der Weichthiere zu ſich
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[757/0801]
Allgemeines über die Weichthiere.
ſchneiden hat, ein Eingriff, der an ſich das Leben des Thieres durchaus nicht gefährdet. Nur in
den Hautbedeckungen mancher Weichthiere kommen Abſonderungen horniger und kalkiger Platten
vor, die ihrer Lage wegen den Eindruck innerer Skeletſtücke und Knochen machen, im Weſentlichen
aber mit jenen äußeren Schalenbildungen übereinſtimmen.
So haben wir denn, um über den allgemeinen Charakter der Weichthiere ins Reine zu
kommen, uns an die zu halten, welche keine Gehäuſe beſitzen, und die anderen ihrer Schalen zu
entkleiden. Sie ſtehen dann vor uns als ungegliederte, oft ſehr ungeſchickt ausſehende Thiere,
deren in der Anlage vorhandene Symmetrie oft einer unſymmetriſchen Geſtalt gewichen iſt. Die
Haut iſt ſchlüpfrig und weich, und ausnahmslos finden wir dieſelbe in Lappen und mantelartige
Falten ausgezogen, von welchen der Körper ganz oder theilweiſe verhüllt werden kann. Es iſt
nichts leichter, als ſich von dieſer Grundeigenthümlichkeit der Weichthiere eine Anſchauung zu
verſchaffen. Wenn die Schnecke ſich in das Gehäus zurückzieht, bemerkt man, wie ein dicker
Hautlappen ſich über den verſchwindenden Kopf hinweg legt: es iſt ein Stück des Mantels.
Schält man eine Muſchel aus, ſo iſt der Körper vollſtändig von jeder Seite mit einem großen
häutigen Lappen bedeckt: das ſind die beiden Hälften des Mantels. Alle Schalenbildung geht vom
Mantel aus, beſonders von ſeinen freien Rändern.
Wenn wir anführen, daß die am höchſten ausgebildeten Weichthiere bei einem nicht ſelten
drei Fuß, wohl aber auch ſechs und ſieben, ja in rieſenhaften Dimenſionen zwanzig Fuß und
darüber langen Körper faſt ſo vollendete Sinneswerkzeuge tragen, wie die höheren Wirbelthiere, und
ihrer Größe entſprechende Muskelkraft entwickeln, während die niedrigſten mikroſkopiſche Thierchen
ſind und durch einige Eigenſchaften ſich an die Polypen anſchließen, ſo wird man auch hier nicht
erwarten, daß der Bau, das Leben und Vorkommen dieſes Kreiſes im Allgemeinen geſchildert
werden kann. Nachdem wir die Wichtigkeit der Hautbedeckungen hervorgehoben, deuten wir nur
an, daß der Haupttheil des Nervenſyſtems in einem Schlundring beſteht, mit welchem die
übrigen im Körper zerſtreuten Nerven und Nervenknoten zuſammenhängen. Das Vorhandenſein
der Sinnesorgane richtet ſich nach der Stufe der Ausbildung des Körpers im Ganzen und
nach Aufenthalt und Lebensweiſe. So finden ſich, um nur einige Beiſpiele anzuführen, nur
wenige Muſchelthiere mit Augen; ſie haben keinen Raub zu erſpähen, und ihre Nahrung wird
ihnen durch unausgeſetzte Flimmerbewegung an den Körperflächen zugeführt. Aber alle Schnecken
und vor allen die hoch organiſirten raubgierigen Tintenſchnecken ſuchen nach ihrer Nahrung, und
demgemäß ſpiegelt ſich in ihren Augen die Umgebung ab.
Sehr vollſtändig iſt bei allen Weichthieren der Ernährungsapparat ausgebildet. Die
höheren Ordnungen, nämlich alle, welche eine feſte Nahrung zerkleinern, ſind mit ſehr auffallen-
den Beiß- und Raspelwerkzeugen ausgeſtattet, die in neuerer Zeit mit eben dem Erfolg für eine
naturgemäße Syſtematik ſich haben verwerthen laſſen, wie man ſeit Langem an der Beſchaffen-
heit des Gebiſſes der Säuger ihre Lebensweiſe und ſyſtematiſche Stellung erkennt. Als ſtarke
Freſſer bedürfen die Weichthiere nicht blos eines geräumigen Darmkanales, ſondern auch ein reich-
liches Maß der die Verdauung einleitenden und befördernden Säfte, daher wir die den Speichel
und die Galle bereitenden Drüſen, Speicheldrüſen und Leber ausnehmend entwickelt finden. Wir
ſehen den Blutlauf geregelt durch ein Herz, aus Kammer und einer oder zwei Vorkammern
beſtehend, in welches das Blut aus dem Athmungsorgan eintritt, um aus demſelben in erneutem
zur Ernährung des Organismus tauglichem Zuſtande dem Körper zugeführt zu werden. Auch die
Athmungsorgane, meiſt Kiemen, ſind immer anſehnlich entfaltet und bieten der Thierbeſchreibung
durch ihre manchfaltige Stellung und Form viele Anhaltepunkte. Eine außerordentliche Ent-
wickelung pflegt auch die andre, der vegetativen Seite des Lebens gehörige Organgruppe, die der
Fortpflanzungswerkzeuge zu ſein. Doch dieß alles, und wie Zwitterformen mit getrennten
Geſchlechtern abwechſeln, wie uns dort der Generationswechſel, hier Verwandlung, hier wiederum
die Entwicklung ohne Verwandlung begegnet, ferner das Verhältniß der Weichthiere zu ſich
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 757. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/801>, abgerufen am 24.11.2024.
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