Eine zweite, zwar nur wenige Species enthaltende, aber durch ihren Bau anziehende Familie bildet die vor zwanzig Jahren von mir auf den Faröern entdeckte Gattung Dinophilus. Jch sam- melte und untersuchte damals die niedere Thierwelt des Meeres auf diesen entlegenen Eilanden, deren Küstenfauna unter dem erwärmenden Einfluß des Golfstromes, gleich der von Norwegen, eine sehr reiche ist. Wenn ich zur Ebbezeit die felsigen Ufer der Bucht von Thorshaven absuchte, war die Ernte an Weichthieren und Würmern aller Art eine sehr ergiebige. Darunter war das kleine, bis eine Linie lange Würmchen von ziegel- oder orangenrother Farbe, das gesellig unter Steinen lebt und von allen andern seiner Klasse durch den Bau seines Darmkanals abweicht. Läßt sich dieser einigermaßen mit dem der Schnurwürmer vergleichen, so ist auch die Trennung der Geschlechter dort wie hier ein weiterer Fingerzeig für die Verwandtschaft. Die ganze Körper- form, der Eindruck, den das Thier, ohne es näher zu untersuchen, auf das Auge macht, ist aber der der Gattung Vortex aus der folgenden Unterordnung. Der Dinophilus vorticoides scheint eine sehr große Verbreitung zu haben, da er auch bei Ostende gesehen wurde. Eine andere Art habe ich an der mit Strudelwürmern sehr gesegneten Küste von Neapel gefunden.
Die nun folgende Unterordnung der Rhabdocoela enthält fast nur mikroskopische Strudel- würmer, deren Darmkanal ein einfacher Blindsack ist, in welchen der Eingang durch einen sehr kräftigen muskulösen Schlund führt. Wenn ich das Wort Blindsack hier gebrauche, so muß ich nach neueren, sehr wichtigen Entdeckungen diesen Begriff sogleich etwas modificiren. Allerdings sieht man bei den meisten Rhabdocoelen die Nahrung wie in einem Sack angehäuft, allein von der Vorstellung, daß dieser Sack sich wie der Magen eines Kalbes oder unser eigner verhalte, das heißt, ein Hohlraum mit eignen, bestimmten Rundungen sei, muß man sich für die Mehr- zahl dieser Würmer losmachen. Der Magen- und Darmraum ist vielmehr mit einer eiweiß- artigen Masse erfüllt, die einen Theil des Organismus bildet und zwischen welche die Nahrung gleichsam hineingeschoben wird, um von ihr verdaut zu werden. Die Entdeckung ist deshalb von Wichtigkeit, weil sie einen weiteren Beleg giebt für die zuerst von mir vertretene Ansicht, daß die Strudelwürmer die nächsten Verwandten der Jnfusorien seien. Wir haben bei diesen den so abweichenden Ernährungsapparat noch näher kennen zu lernen. Eine weitere, beiden Klassen, den Jnfusorien und Turbellarien und unter diesen besonders den Rhabdocoelen und der folgenden Unterordnung angehörige Eigenthümlichkeit ist, daß in der Haut unzählige kleine stabförmige Organe liegen, welche eine beißende, nesselnde Flüssigkeit abzusondern scheinen und wohl zur Betäubung und Vergiftung der zu bewältigenden Beute dienen.
Die Eintheilung unserer Rhabdocoelen in Familien geschieht nach Lage und Beschaffenheit des Mundes und Schlundes und der sehr complicirten zwittrigen Fortpflanzungsorgane. Jn den meisten Fällen reicht die Kenntniß des Aeußern nicht aus, um die Art zu bestimmen, sondern die mikroskopische Anatomie muß aushelfen. Wir werden am besten thun, an einigen typischen Gattungen die Familiencharaktere zu entwickeln.
Jn Teichen, Gräben und im Meere leben die Arten von Prostomum. Die kleinen, sehr agilen Thierchen haben in dem zugespitzten Vorderende einen hervorstülpbaren Rüssel liegen (a), welcher an den Rüssel der Schnurwürmer erinnert, indem er gleich diesem in einer besondern Höhlung enthalten ist, mit dem Darmkanal nicht in Verbindung steht und bloß zur Bewältigung der Beute dient. Die Mundöffnung liegt vom Vorderende entfernt an der Bauchseite, und aus ihr kann das muskulöse Schlundorgan (b) hervortreten, womit das Thier sich an seine Beute, namentlich die mikroskopischen Krebschen anhängt und sie aussaugt. Jn dem dickeren, fast keulen- förmigen Leibesende liegt ein sehr scharfer Stachel in einer Scheide, der mit den Fortpflanzungs- organen in Verbindung zu stehen scheint, allein, wie man sich an jedem Exemplare überzeugen
Engmaul. Dinophilus. Proſtomum.
Eine zweite, zwar nur wenige Species enthaltende, aber durch ihren Bau anziehende Familie bildet die vor zwanzig Jahren von mir auf den Faröern entdeckte Gattung Dinophilus. Jch ſam- melte und unterſuchte damals die niedere Thierwelt des Meeres auf dieſen entlegenen Eilanden, deren Küſtenfauna unter dem erwärmenden Einfluß des Golfſtromes, gleich der von Norwegen, eine ſehr reiche iſt. Wenn ich zur Ebbezeit die felſigen Ufer der Bucht von Thorshaven abſuchte, war die Ernte an Weichthieren und Würmern aller Art eine ſehr ergiebige. Darunter war das kleine, bis eine Linie lange Würmchen von ziegel- oder orangenrother Farbe, das geſellig unter Steinen lebt und von allen andern ſeiner Klaſſe durch den Bau ſeines Darmkanals abweicht. Läßt ſich dieſer einigermaßen mit dem der Schnurwürmer vergleichen, ſo iſt auch die Trennung der Geſchlechter dort wie hier ein weiterer Fingerzeig für die Verwandtſchaft. Die ganze Körper- form, der Eindruck, den das Thier, ohne es näher zu unterſuchen, auf das Auge macht, iſt aber der der Gattung Vortex aus der folgenden Unterordnung. Der Dinophilus vorticoides ſcheint eine ſehr große Verbreitung zu haben, da er auch bei Oſtende geſehen wurde. Eine andere Art habe ich an der mit Strudelwürmern ſehr geſegneten Küſte von Neapel gefunden.
Die nun folgende Unterordnung der Rhabdocoela enthält faſt nur mikroſkopiſche Strudel- würmer, deren Darmkanal ein einfacher Blindſack iſt, in welchen der Eingang durch einen ſehr kräftigen muskulöſen Schlund führt. Wenn ich das Wort Blindſack hier gebrauche, ſo muß ich nach neueren, ſehr wichtigen Entdeckungen dieſen Begriff ſogleich etwas modificiren. Allerdings ſieht man bei den meiſten Rhabdocoelen die Nahrung wie in einem Sack angehäuft, allein von der Vorſtellung, daß dieſer Sack ſich wie der Magen eines Kalbes oder unſer eigner verhalte, das heißt, ein Hohlraum mit eignen, beſtimmten Rundungen ſei, muß man ſich für die Mehr- zahl dieſer Würmer losmachen. Der Magen- und Darmraum iſt vielmehr mit einer eiweiß- artigen Maſſe erfüllt, die einen Theil des Organismus bildet und zwiſchen welche die Nahrung gleichſam hineingeſchoben wird, um von ihr verdaut zu werden. Die Entdeckung iſt deshalb von Wichtigkeit, weil ſie einen weiteren Beleg giebt für die zuerſt von mir vertretene Anſicht, daß die Strudelwürmer die nächſten Verwandten der Jnfuſorien ſeien. Wir haben bei dieſen den ſo abweichenden Ernährungsapparat noch näher kennen zu lernen. Eine weitere, beiden Klaſſen, den Jnfuſorien und Turbellarien und unter dieſen beſonders den Rhabdocoelen und der folgenden Unterordnung angehörige Eigenthümlichkeit iſt, daß in der Haut unzählige kleine ſtabförmige Organe liegen, welche eine beißende, neſſelnde Flüſſigkeit abzuſondern ſcheinen und wohl zur Betäubung und Vergiftung der zu bewältigenden Beute dienen.
Die Eintheilung unſerer Rhabdocoelen in Familien geſchieht nach Lage und Beſchaffenheit des Mundes und Schlundes und der ſehr complicirten zwittrigen Fortpflanzungsorgane. Jn den meiſten Fällen reicht die Kenntniß des Aeußern nicht aus, um die Art zu beſtimmen, ſondern die mikroſkopiſche Anatomie muß aushelfen. Wir werden am beſten thun, an einigen typiſchen Gattungen die Familiencharaktere zu entwickeln.
Jn Teichen, Gräben und im Meere leben die Arten von Prostomum. Die kleinen, ſehr agilen Thierchen haben in dem zugeſpitzten Vorderende einen hervorſtülpbaren Rüſſel liegen (a), welcher an den Rüſſel der Schnurwürmer erinnert, indem er gleich dieſem in einer beſondern Höhlung enthalten iſt, mit dem Darmkanal nicht in Verbindung ſteht und bloß zur Bewältigung der Beute dient. Die Mundöffnung liegt vom Vorderende entfernt an der Bauchſeite, und aus ihr kann das muskulöſe Schlundorgan (b) hervortreten, womit das Thier ſich an ſeine Beute, namentlich die mikroſkopiſchen Krebschen anhängt und ſie ausſaugt. Jn dem dickeren, faſt keulen- förmigen Leibesende liegt ein ſehr ſcharfer Stachel in einer Scheide, der mit den Fortpflanzungs- organen in Verbindung zu ſtehen ſcheint, allein, wie man ſich an jedem Exemplare überzeugen
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Engmaul. Dinophilus. Proſtomum.
Eine zweite, zwar nur wenige Species enthaltende, aber durch ihren Bau anziehende Familie
bildet die vor zwanzig Jahren von mir auf den Faröern entdeckte Gattung Dinophilus. Jch ſam-
melte und unterſuchte damals die niedere Thierwelt des Meeres auf dieſen entlegenen Eilanden,
deren Küſtenfauna unter dem erwärmenden Einfluß des Golfſtromes, gleich der von Norwegen,
eine ſehr reiche iſt. Wenn ich zur Ebbezeit die felſigen Ufer der Bucht von Thorshaven abſuchte,
war die Ernte an Weichthieren und Würmern aller Art eine ſehr ergiebige. Darunter war das
kleine, bis eine Linie lange Würmchen von ziegel- oder orangenrother Farbe, das geſellig unter
Steinen lebt und von allen andern ſeiner Klaſſe durch den Bau ſeines Darmkanals abweicht.
Läßt ſich dieſer einigermaßen mit dem der Schnurwürmer vergleichen, ſo iſt auch die Trennung
der Geſchlechter dort wie hier ein weiterer Fingerzeig für die Verwandtſchaft. Die ganze Körper-
form, der Eindruck, den das Thier, ohne es näher zu unterſuchen, auf das Auge macht, iſt aber
der der Gattung Vortex aus der folgenden Unterordnung. Der Dinophilus vorticoides ſcheint
eine ſehr große Verbreitung zu haben, da er auch bei Oſtende geſehen wurde. Eine andere Art
habe ich an der mit Strudelwürmern ſehr geſegneten Küſte von Neapel gefunden.
Die nun folgende Unterordnung der Rhabdocoela enthält faſt nur mikroſkopiſche Strudel-
würmer, deren Darmkanal ein einfacher Blindſack iſt, in welchen der Eingang durch einen ſehr
kräftigen muskulöſen Schlund führt. Wenn ich das Wort Blindſack hier gebrauche, ſo muß ich
nach neueren, ſehr wichtigen Entdeckungen dieſen Begriff ſogleich etwas modificiren. Allerdings
ſieht man bei den meiſten Rhabdocoelen die Nahrung wie in einem Sack angehäuft, allein von
der Vorſtellung, daß dieſer Sack ſich wie der Magen eines Kalbes oder unſer eigner verhalte,
das heißt, ein Hohlraum mit eignen, beſtimmten Rundungen ſei, muß man ſich für die Mehr-
zahl dieſer Würmer losmachen. Der Magen- und Darmraum iſt vielmehr mit einer eiweiß-
artigen Maſſe erfüllt, die einen Theil des Organismus bildet und zwiſchen welche die Nahrung
gleichſam hineingeſchoben wird, um von ihr verdaut zu werden. Die Entdeckung iſt deshalb von
Wichtigkeit, weil ſie einen weiteren Beleg giebt für die zuerſt von mir vertretene Anſicht, daß die
Strudelwürmer die nächſten Verwandten der Jnfuſorien ſeien. Wir haben bei dieſen den ſo
abweichenden Ernährungsapparat noch näher kennen zu lernen. Eine weitere, beiden Klaſſen,
den Jnfuſorien und Turbellarien und unter dieſen beſonders den Rhabdocoelen und der folgenden
Unterordnung angehörige Eigenthümlichkeit iſt, daß in der Haut unzählige kleine ſtabförmige
Organe liegen, welche eine beißende, neſſelnde Flüſſigkeit abzuſondern ſcheinen und wohl zur
Betäubung und Vergiftung der zu bewältigenden Beute dienen.
Die Eintheilung unſerer Rhabdocoelen in Familien geſchieht nach Lage und Beſchaffenheit
des Mundes und Schlundes und der ſehr complicirten zwittrigen Fortpflanzungsorgane. Jn den
meiſten Fällen reicht die Kenntniß des Aeußern nicht aus, um die Art zu beſtimmen, ſondern
die mikroſkopiſche Anatomie muß aushelfen. Wir werden am beſten thun, an einigen typiſchen
Gattungen die Familiencharaktere zu entwickeln.
Jn Teichen, Gräben und im Meere leben die Arten von Prostomum. Die kleinen, ſehr
agilen Thierchen haben in dem zugeſpitzten Vorderende einen hervorſtülpbaren Rüſſel liegen (a),
welcher an den Rüſſel der Schnurwürmer erinnert, indem er gleich dieſem in einer beſondern
Höhlung enthalten iſt, mit dem Darmkanal nicht in Verbindung ſteht und bloß zur Bewältigung
der Beute dient. Die Mundöffnung liegt vom Vorderende entfernt an der Bauchſeite, und aus
ihr kann das muskulöſe Schlundorgan (b) hervortreten, womit das Thier ſich an ſeine Beute,
namentlich die mikroſkopiſchen Krebschen anhängt und ſie ausſaugt. Jn dem dickeren, faſt keulen-
förmigen Leibesende liegt ein ſehr ſcharfer Stachel in einer Scheide, der mit den Fortpflanzungs-
organen in Verbindung zu ſtehen ſcheint, allein, wie man ſich an jedem Exemplare überzeugen
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 733. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/777>, abgerufen am 24.11.2024.
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