kann, offenbar auch zur Vertheidigung gebraucht wird. Jch sah besonders häufig bei einer Art, welche ich Prostomum furiosum genannt habe, wie das Thier, sowie es in eine kritische
[Abbildung]
1. Prostomum. a Rüssel, b Mundöffnung mit Sangorgan. 2. Convoluta. 3. Vortex. Vergrößert.
Lage kommt, mit dem Stachel ganz wüthend um sich sticht, nicht anders, als eine gefangene Wespe.
Eine gar absonderliche Ge- stalt hat die Gattung Convoluta. Jndem nämlich das Thier die dünnen Seitentheile des Körpers nach unten umbiegt, nimmt es die Form einer Papierdüte an. Die trichterförmige Mundhöhle liegt am Bauche und vor ihr ein Bläschen, welches wohl ein Gehörwerkzeug vorstellt. Jn den nordischen Meeren lebt die meh- rere Linien lange, braune Con- voluta paradoxa. Andere Arten sind aus dem adriatischen Meere beschrieben. Das süße Wasser birgt keine.
Mit Uebergehung einer Reihe von Gattungen, welche meist von mir im Mittelmeere beobachtet wurden, kommen wir zu einer der wichtigsten und artenreichsten, Mesostomum. Die Mundöffnung der meist platten Thiere liegt am Bauche, gewöhnlich ziemlich in der Mitte, bei
[Abbildung]
Mesostomum tetragonum. Vergrößert.
einzelnen Arten vor, bei andern hinter derselben. Jn der Mundhöhle befindet sich ein kuglicher Schlundkopf, ein sehr wirksames Haft- und Saugorgan, wel- ches zum Ergreifen und Aussaugen lebender Thiere benutzt wird. Eine der schönsten Arten ist das 1/2 Zoll lang werdende Mesostomum Ehren- bergii, im Frühjahr und Sommer auf überschwemmten Wiesen und in Teichen mit Lehmgrund und Schilf und Binsen häufig. Obgleich so durchsichtig wie Glas, und scheinbar höchst zerbrechlich, ist es einer der geschicktesten und gewandtesten Schwimmer. Für gewöhn- lich durchzieht es ruhig oder mit vereinzelten Wellenbewegungen der Körperränder das Wasser, oder gleitet es an den Stengeln der Pflanzen umher. Wird es aber gestört, besonders durch die unsanfte Begegnung mit einem hastig anschwimmenden Käfer, so schüttelt es sich fast zitternd und schlängelnd so schnell und gewandt, wie die Egel. Höchst interessant ist die Art, wie es sich der größeren Daphnien und Cypriden bemächtigt, um sie auszusaugen. Es fängt sie, ungefähr so, wie man mit der Hand eine Fliege fängt, indem es eine Höhle bildet durch Anlegen des Hin- terendes an das Vorderende und Umbiegen der Seitenränder. Zuerst tobt der gefangene Krebs gewaltig, bald aber gelingt es dem Mesostomum, an den Gefangenen den mächtigen Schlundkopf anzusetzen. Die Befreiungsversuche der Daphnie lassen dann bald nach, sein Vampyr streckt sich wieder aus und ich sah oft, wie ein zweites Mesostomum sich hinzugesellte und vom Sieger fried- lich einen Beutetheil abbekam.
Eine der auffallendsten Formen hat das drei bis fünf Linien lange gelbbraune Mesostomum tetragonum, das ich an der Elbe nach Ueberschwemmungen in kleinen, während des Sommers
Strudelwürmer. Rhabdocoelen. Dendrocoelen.
kann, offenbar auch zur Vertheidigung gebraucht wird. Jch ſah beſonders häufig bei einer Art, welche ich Prostomum furiosum genannt habe, wie das Thier, ſowie es in eine kritiſche
[Abbildung]
1. Prostomum. a Rüſſel, b Mundöffnung mit Sangorgan. 2. Convoluta. 3. Vortex. Vergrößert.
Lage kommt, mit dem Stachel ganz wüthend um ſich ſticht, nicht anders, als eine gefangene Wespe.
Eine gar abſonderliche Ge- ſtalt hat die Gattung Convoluta. Jndem nämlich das Thier die dünnen Seitentheile des Körpers nach unten umbiegt, nimmt es die Form einer Papierdüte an. Die trichterförmige Mundhöhle liegt am Bauche und vor ihr ein Bläschen, welches wohl ein Gehörwerkzeug vorſtellt. Jn den nordiſchen Meeren lebt die meh- rere Linien lange, braune Con- voluta paradoxa. Andere Arten ſind aus dem adriatiſchen Meere beſchrieben. Das ſüße Waſſer birgt keine.
Mit Uebergehung einer Reihe von Gattungen, welche meiſt von mir im Mittelmeere beobachtet wurden, kommen wir zu einer der wichtigſten und artenreichſten, Mesostomum. Die Mundöffnung der meiſt platten Thiere liegt am Bauche, gewöhnlich ziemlich in der Mitte, bei
[Abbildung]
Mesostomum tetragonum. Vergrößert.
einzelnen Arten vor, bei andern hinter derſelben. Jn der Mundhöhle befindet ſich ein kuglicher Schlundkopf, ein ſehr wirkſames Haft- und Saugorgan, wel- ches zum Ergreifen und Ausſaugen lebender Thiere benutzt wird. Eine der ſchönſten Arten iſt das ½ Zoll lang werdende Mesostomum Ehren- bergii, im Frühjahr und Sommer auf überſchwemmten Wieſen und in Teichen mit Lehmgrund und Schilf und Binſen häufig. Obgleich ſo durchſichtig wie Glas, und ſcheinbar höchſt zerbrechlich, iſt es einer der geſchickteſten und gewandteſten Schwimmer. Für gewöhn- lich durchzieht es ruhig oder mit vereinzelten Wellenbewegungen der Körperränder das Waſſer, oder gleitet es an den Stengeln der Pflanzen umher. Wird es aber geſtört, beſonders durch die unſanfte Begegnung mit einem haſtig anſchwimmenden Käfer, ſo ſchüttelt es ſich faſt zitternd und ſchlängelnd ſo ſchnell und gewandt, wie die Egel. Höchſt intereſſant iſt die Art, wie es ſich der größeren Daphnien und Cypriden bemächtigt, um ſie auszuſaugen. Es fängt ſie, ungefähr ſo, wie man mit der Hand eine Fliege fängt, indem es eine Höhle bildet durch Anlegen des Hin- terendes an das Vorderende und Umbiegen der Seitenränder. Zuerſt tobt der gefangene Krebs gewaltig, bald aber gelingt es dem Mesostomum, an den Gefangenen den mächtigen Schlundkopf anzuſetzen. Die Befreiungsverſuche der Daphnie laſſen dann bald nach, ſein Vampyr ſtreckt ſich wieder aus und ich ſah oft, wie ein zweites Mesostomum ſich hinzugeſellte und vom Sieger fried- lich einen Beutetheil abbekam.
Eine der auffallendſten Formen hat das drei bis fünf Linien lange gelbbraune Mesostomum tetragonum, das ich an der Elbe nach Ueberſchwemmungen in kleinen, während des Sommers
<TEI><text><body><floatingText><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0778"n="734"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Strudelwürmer. Rhabdocoelen. Dendrocoelen.</hi></fw><lb/>
kann, offenbar auch zur Vertheidigung gebraucht wird. Jch ſah beſonders häufig bei einer<lb/>
Art, welche ich <hirendition="#aq">Prostomum furiosum</hi> genannt habe, wie das Thier, ſowie es in eine kritiſche<lb/><figure><head><hirendition="#c">1. <hirendition="#aq">Prostomum. a</hi> Rüſſel, <hirendition="#aq">b</hi> Mundöffnung mit Sangorgan. 2. <hirendition="#aq">Convoluta.<lb/>
3. Vortex.</hi> Vergrößert.</hi></head></figure><lb/>
Lage kommt, mit dem Stachel<lb/>
ganz wüthend um ſich ſticht,<lb/>
nicht anders, als eine gefangene<lb/>
Wespe.</p><lb/><p>Eine gar abſonderliche Ge-<lb/>ſtalt hat die Gattung <hirendition="#aq">Convoluta.</hi><lb/>
Jndem nämlich das Thier die<lb/>
dünnen Seitentheile des Körpers<lb/>
nach unten umbiegt, nimmt es<lb/>
die Form einer Papierdüte an.<lb/>
Die trichterförmige Mundhöhle<lb/>
liegt am Bauche und vor ihr<lb/>
ein Bläschen, welches wohl ein<lb/>
Gehörwerkzeug vorſtellt. Jn den<lb/>
nordiſchen Meeren lebt die meh-<lb/>
rere Linien lange, braune <hirendition="#aq">Con-<lb/>
voluta paradoxa.</hi> Andere Arten ſind aus dem adriatiſchen Meere beſchrieben. Das ſüße Waſſer<lb/>
birgt keine.</p><lb/><p>Mit Uebergehung einer Reihe von Gattungen, welche meiſt von mir im Mittelmeere<lb/>
beobachtet wurden, kommen wir zu einer der wichtigſten und artenreichſten, <hirendition="#aq">Mesostomum.</hi> Die<lb/>
Mundöffnung der meiſt platten Thiere liegt am Bauche, gewöhnlich ziemlich in der Mitte, bei<lb/><figure><head><hirendition="#c"><hirendition="#aq">Mesostomum tetragonum.</hi> Vergrößert.</hi></head></figure><lb/>
einzelnen Arten vor, bei andern hinter<lb/>
derſelben. Jn der Mundhöhle befindet<lb/>ſich ein kuglicher Schlundkopf, ein ſehr<lb/>
wirkſames Haft- und Saugorgan, wel-<lb/>
ches zum Ergreifen und Ausſaugen<lb/>
lebender Thiere benutzt wird. Eine<lb/>
der ſchönſten Arten iſt das ½ Zoll<lb/>
lang werdende <hirendition="#aq">Mesostomum Ehren-<lb/>
bergii,</hi> im Frühjahr und Sommer<lb/>
auf überſchwemmten Wieſen und in<lb/>
Teichen mit Lehmgrund und Schilf und Binſen häufig. Obgleich ſo durchſichtig wie Glas, und<lb/>ſcheinbar höchſt zerbrechlich, iſt es einer der geſchickteſten und gewandteſten Schwimmer. Für gewöhn-<lb/>
lich durchzieht es ruhig oder mit vereinzelten Wellenbewegungen der Körperränder das Waſſer,<lb/>
oder gleitet es an den Stengeln der Pflanzen umher. Wird es aber geſtört, beſonders durch die<lb/>
unſanfte Begegnung mit einem haſtig anſchwimmenden Käfer, ſo ſchüttelt es ſich faſt zitternd und<lb/>ſchlängelnd ſo ſchnell und gewandt, wie die Egel. Höchſt intereſſant iſt die Art, wie es ſich der<lb/>
größeren Daphnien und Cypriden bemächtigt, um ſie auszuſaugen. Es fängt ſie, ungefähr ſo,<lb/>
wie man mit der Hand eine Fliege fängt, indem es eine Höhle bildet durch Anlegen des Hin-<lb/>
terendes an das Vorderende und Umbiegen der Seitenränder. Zuerſt tobt der gefangene Krebs<lb/>
gewaltig, bald aber gelingt es dem <hirendition="#aq">Mesostomum,</hi> an den Gefangenen den mächtigen Schlundkopf<lb/>
anzuſetzen. Die Befreiungsverſuche der Daphnie laſſen dann bald nach, ſein Vampyr ſtreckt ſich<lb/>
wieder aus und ich ſah oft, wie ein zweites <hirendition="#aq">Mesostomum</hi>ſich hinzugeſellte und vom Sieger fried-<lb/>
lich einen Beutetheil abbekam.</p><lb/><p>Eine der auffallendſten Formen hat das drei bis fünf Linien lange gelbbraune <hirendition="#aq">Mesostomum<lb/>
tetragonum,</hi> das ich an der Elbe nach Ueberſchwemmungen in kleinen, während des Sommers<lb/></p></div></div></div></body></floatingText></body></text></TEI>
[734/0778]
Strudelwürmer. Rhabdocoelen. Dendrocoelen.
kann, offenbar auch zur Vertheidigung gebraucht wird. Jch ſah beſonders häufig bei einer
Art, welche ich Prostomum furiosum genannt habe, wie das Thier, ſowie es in eine kritiſche
[Abbildung 1. Prostomum. a Rüſſel, b Mundöffnung mit Sangorgan. 2. Convoluta.
3. Vortex. Vergrößert.]
Lage kommt, mit dem Stachel
ganz wüthend um ſich ſticht,
nicht anders, als eine gefangene
Wespe.
Eine gar abſonderliche Ge-
ſtalt hat die Gattung Convoluta.
Jndem nämlich das Thier die
dünnen Seitentheile des Körpers
nach unten umbiegt, nimmt es
die Form einer Papierdüte an.
Die trichterförmige Mundhöhle
liegt am Bauche und vor ihr
ein Bläschen, welches wohl ein
Gehörwerkzeug vorſtellt. Jn den
nordiſchen Meeren lebt die meh-
rere Linien lange, braune Con-
voluta paradoxa. Andere Arten ſind aus dem adriatiſchen Meere beſchrieben. Das ſüße Waſſer
birgt keine.
Mit Uebergehung einer Reihe von Gattungen, welche meiſt von mir im Mittelmeere
beobachtet wurden, kommen wir zu einer der wichtigſten und artenreichſten, Mesostomum. Die
Mundöffnung der meiſt platten Thiere liegt am Bauche, gewöhnlich ziemlich in der Mitte, bei
[Abbildung Mesostomum tetragonum. Vergrößert.]
einzelnen Arten vor, bei andern hinter
derſelben. Jn der Mundhöhle befindet
ſich ein kuglicher Schlundkopf, ein ſehr
wirkſames Haft- und Saugorgan, wel-
ches zum Ergreifen und Ausſaugen
lebender Thiere benutzt wird. Eine
der ſchönſten Arten iſt das ½ Zoll
lang werdende Mesostomum Ehren-
bergii, im Frühjahr und Sommer
auf überſchwemmten Wieſen und in
Teichen mit Lehmgrund und Schilf und Binſen häufig. Obgleich ſo durchſichtig wie Glas, und
ſcheinbar höchſt zerbrechlich, iſt es einer der geſchickteſten und gewandteſten Schwimmer. Für gewöhn-
lich durchzieht es ruhig oder mit vereinzelten Wellenbewegungen der Körperränder das Waſſer,
oder gleitet es an den Stengeln der Pflanzen umher. Wird es aber geſtört, beſonders durch die
unſanfte Begegnung mit einem haſtig anſchwimmenden Käfer, ſo ſchüttelt es ſich faſt zitternd und
ſchlängelnd ſo ſchnell und gewandt, wie die Egel. Höchſt intereſſant iſt die Art, wie es ſich der
größeren Daphnien und Cypriden bemächtigt, um ſie auszuſaugen. Es fängt ſie, ungefähr ſo,
wie man mit der Hand eine Fliege fängt, indem es eine Höhle bildet durch Anlegen des Hin-
terendes an das Vorderende und Umbiegen der Seitenränder. Zuerſt tobt der gefangene Krebs
gewaltig, bald aber gelingt es dem Mesostomum, an den Gefangenen den mächtigen Schlundkopf
anzuſetzen. Die Befreiungsverſuche der Daphnie laſſen dann bald nach, ſein Vampyr ſtreckt ſich
wieder aus und ich ſah oft, wie ein zweites Mesostomum ſich hinzugeſellte und vom Sieger fried-
lich einen Beutetheil abbekam.
Eine der auffallendſten Formen hat das drei bis fünf Linien lange gelbbraune Mesostomum
tetragonum, das ich an der Elbe nach Ueberſchwemmungen in kleinen, während des Sommers
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 734. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/778>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.