gut möglich ist, muß doch auch der Gattungscharakter festgestellt werden, welcher sich auf 15 europäische und zahlreiche ausländische Arten bezieht. Man erkennt sie an dem dicken, gerundeten Kopfe, dem quadratischen Vorderrücken, dem drehrunden, plumpen Körper, welcher in zwei lange, gegliederte Raife und beim Weibchen außerdem noch in eine gerade Legröhre ausläuft, an den drei Fußgliedern aller Beine, deren hinterste zum Springen befähigen, und endlich an den eigen- thümlich gebildeten Hinterflügeln. Dieselben laufen nämlich am hornigen Vorderrande in eine Spitze aus und falten sich unter diesen "Gräten" zusammen, welche mehr oder weniger über die dem Rücken platt aufliegenden, gegitterten Decken hinausragen.
Das Heimchen oder die Hausgrille(Gryllus domesticus), kleiner und zierlicher als vorige, von lederbrauner Farbe, an den Beinen und dem Kopfe lichter, mehr gelb, trägt über letzterem eine braune Querbinde und auf dem Halsschilde zwei dreieckige, braune Flecken. Die Gräten der Hinterflügel ragen über den Körper hinaus und vermehren beim Weibchen die drei Anhängsel um noch zwei. Die Länge des Thierchens beträgt 8 bis 9 Linien. Jn geselligem Beisammensein, den nächtlichen Ausbrüchen aus seinen Verstecken, dem Aufsuchen der Wärme und derselben Nahrungsmittel erinnert das Heimchen lebhaft an die Küchenschabe, in deren Gesellschaft es nicht selten in Backhäusern, Mühlen, Brauereien, Kasernen, wo es mitunter als "kleine Krebse" die langen Brühen der Suppen würzt, in Hospitälern und andern ähnlichen Oertlichkeiten zu finden ist. Ein einzelnes unterbricht mit seinem melancholischen Gezirp die nächtliche Ruhe auf nicht unangenehme Weise, die vielstimmigen Concerte können aber diejenigen zur Verzweiflung bringen, welche sie allnächtlich mit anhören müssen. Die Töne werden von den Männchen in derselben Weise hervorgebracht wie von der Feldgrille, nur sind sie schwächer und höher in Folge der geringen Größe des Musicirenden und der dichter stehenden Stege an der Schrillader. Nie in meinem Leben hatte ich bessere Gelegenheit, die Thiere in ihrem Treiben zu beobachten, als in meiner Kindheit, wenn ich die Hundstagsferien bei den Großeltern verbrachte. Die düstere Küche der alten Pfarrwohnung in Großgörschen war für die Heimchen eine wahre Residenz. Durch sie nahm ich dann und wann meinen Weg mit der Großmutter, wenn wir uns zur Nachtruhe begeben wollten. Tausende von Heimchen tummelten sich hier, manche noch nicht so groß, wie eine Stuben- fliege, kleinere und größere bis zu vollkommen Erwachsenen, je nach den verschiedenen Alters- stufen. Aus allen Winkeln zirpte es. Hier füllte das Mauerloch ein dicker Kopf aus, dessen lange Fühlfäden sich scharf gegen das verrußte Gestein abgrenzten, zog sich aber schen zurück, sobald das Licht in die Nähe kam; dort spazierte eine Heerde Junge, nach Nahrung suchend, keck umher, verrieth aber bald, daß Furchtsamkeit jedem einzelnen angeboren ist. Mit den Händen eines der frei umherschweifenden Thiere zu erhaschen war beinahe ein Ding der Unmöglichkeit, und gelang es ja, so war der blinde Zufall dabei im Spiele, welcher bei der großen Menge einmal Eins zwischen die Finger trieb, auf welches es nicht abgesehen gewesen war. Sie werden in dieser Hinsicht mehr durch ihre große Gewandtheit und Schnelligkeit im Laufen geschützt, als durch das Springvermögen, welches sie natürlich auch zu Hilfe nehmen, wobei man ihnen aber ansieht, daß der feiste Körper ihnen hinderlich ist und größere Sätze ihnen sauer werden. Eine Stelle ward ausgemittelt, wo der Fang keine Schwierigkeiten hatte. Jm Heerde war nämlich ein kupferner Kessel eingemauert und mit einem schlecht schließenden Holzdeckel versehen. Wenn nun zu irgend einem wirthschaftlichen Zwecke hier einmal den Tag über Wasser heiß gemacht worden war, wovon immer auf dem Boden etwas zurückblieb, nebst einer behaglichen Wärme in der Umgebung, so saßen die Thiere in solchen Mengen im Grunde des Kessels, aus welchem sie natürlich nicht wieder herauskonnten, daß man sie händeweis greisen konnte. Jch verschaffte mir manchmal das Vergnügen und sperrte die auf solche Weise in meine Gewalt Gekommenen über Nacht in ein Zuckerglas, welches oben wohl verwahrt wurde. Am andern Morgen war ein unbeschädigtes Jndividuum eine Seltenheit. Gewöhnlich fehlten Beine, Fühler, ja selbst Stücke aus dem Leibe. Die Springbeine, welche sich die Schrecken in der Gesangenschaft leicht abstrampeln und
Feldgrille. Heimchen.
gut möglich iſt, muß doch auch der Gattungscharakter feſtgeſtellt werden, welcher ſich auf 15 europäiſche und zahlreiche ausländiſche Arten bezieht. Man erkennt ſie an dem dicken, gerundeten Kopfe, dem quadratiſchen Vorderrücken, dem drehrunden, plumpen Körper, welcher in zwei lange, gegliederte Raife und beim Weibchen außerdem noch in eine gerade Legröhre ausläuft, an den drei Fußgliedern aller Beine, deren hinterſte zum Springen befähigen, und endlich an den eigen- thümlich gebildeten Hinterflügeln. Dieſelben laufen nämlich am hornigen Vorderrande in eine Spitze aus und falten ſich unter dieſen „Gräten“ zuſammen, welche mehr oder weniger über die dem Rücken platt aufliegenden, gegitterten Decken hinausragen.
Das Heimchen oder die Hausgrille(Gryllus domesticus), kleiner und zierlicher als vorige, von lederbrauner Farbe, an den Beinen und dem Kopfe lichter, mehr gelb, trägt über letzterem eine braune Querbinde und auf dem Halsſchilde zwei dreieckige, braune Flecken. Die Gräten der Hinterflügel ragen über den Körper hinaus und vermehren beim Weibchen die drei Anhängſel um noch zwei. Die Länge des Thierchens beträgt 8 bis 9 Linien. Jn geſelligem Beiſammenſein, den nächtlichen Ausbrüchen aus ſeinen Verſtecken, dem Aufſuchen der Wärme und derſelben Nahrungsmittel erinnert das Heimchen lebhaft an die Küchenſchabe, in deren Geſellſchaft es nicht ſelten in Backhäuſern, Mühlen, Brauereien, Kaſernen, wo es mitunter als „kleine Krebſe“ die langen Brühen der Suppen würzt, in Hospitälern und andern ähnlichen Oertlichkeiten zu finden iſt. Ein einzelnes unterbricht mit ſeinem melancholiſchen Gezirp die nächtliche Ruhe auf nicht unangenehme Weiſe, die vielſtimmigen Concerte können aber diejenigen zur Verzweiflung bringen, welche ſie allnächtlich mit anhören müſſen. Die Töne werden von den Männchen in derſelben Weiſe hervorgebracht wie von der Feldgrille, nur ſind ſie ſchwächer und höher in Folge der geringen Größe des Muſicirenden und der dichter ſtehenden Stege an der Schrillader. Nie in meinem Leben hatte ich beſſere Gelegenheit, die Thiere in ihrem Treiben zu beobachten, als in meiner Kindheit, wenn ich die Hundstagsferien bei den Großeltern verbrachte. Die düſtere Küche der alten Pfarrwohnung in Großgörſchen war für die Heimchen eine wahre Reſidenz. Durch ſie nahm ich dann und wann meinen Weg mit der Großmutter, wenn wir uns zur Nachtruhe begeben wollten. Tauſende von Heimchen tummelten ſich hier, manche noch nicht ſo groß, wie eine Stuben- fliege, kleinere und größere bis zu vollkommen Erwachſenen, je nach den verſchiedenen Alters- ſtufen. Aus allen Winkeln zirpte es. Hier füllte das Mauerloch ein dicker Kopf aus, deſſen lange Fühlfäden ſich ſcharf gegen das verrußte Geſtein abgrenzten, zog ſich aber ſchen zurück, ſobald das Licht in die Nähe kam; dort ſpazierte eine Heerde Junge, nach Nahrung ſuchend, keck umher, verrieth aber bald, daß Furchtſamkeit jedem einzelnen angeboren iſt. Mit den Händen eines der frei umherſchweifenden Thiere zu erhaſchen war beinahe ein Ding der Unmöglichkeit, und gelang es ja, ſo war der blinde Zufall dabei im Spiele, welcher bei der großen Menge einmal Eins zwiſchen die Finger trieb, auf welches es nicht abgeſehen geweſen war. Sie werden in dieſer Hinſicht mehr durch ihre große Gewandtheit und Schnelligkeit im Laufen geſchützt, als durch das Springvermögen, welches ſie natürlich auch zu Hilfe nehmen, wobei man ihnen aber anſieht, daß der feiſte Körper ihnen hinderlich iſt und größere Sätze ihnen ſauer werden. Eine Stelle ward ausgemittelt, wo der Fang keine Schwierigkeiten hatte. Jm Heerde war nämlich ein kupferner Keſſel eingemauert und mit einem ſchlecht ſchließenden Holzdeckel verſehen. Wenn nun zu irgend einem wirthſchaftlichen Zwecke hier einmal den Tag über Waſſer heiß gemacht worden war, wovon immer auf dem Boden etwas zurückblieb, nebſt einer behaglichen Wärme in der Umgebung, ſo ſaßen die Thiere in ſolchen Mengen im Grunde des Keſſels, aus welchem ſie natürlich nicht wieder herauskonnten, daß man ſie händeweis greiſen konnte. Jch verſchaffte mir manchmal das Vergnügen und ſperrte die auf ſolche Weiſe in meine Gewalt Gekommenen über Nacht in ein Zuckerglas, welches oben wohl verwahrt wurde. Am andern Morgen war ein unbeſchädigtes Jndividuum eine Seltenheit. Gewöhnlich fehlten Beine, Fühler, ja ſelbſt Stücke aus dem Leibe. Die Springbeine, welche ſich die Schrecken in der Geſangenſchaft leicht abſtrampeln und
<TEI><text><body><floatingText><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0525"n="493"/><fwplace="top"type="header">Feldgrille. Heimchen.</fw><lb/>
gut möglich iſt, muß doch auch der Gattungscharakter feſtgeſtellt werden, welcher ſich auf<lb/>
15 europäiſche und zahlreiche ausländiſche Arten bezieht. Man erkennt ſie an dem dicken, gerundeten<lb/>
Kopfe, dem quadratiſchen Vorderrücken, dem drehrunden, plumpen Körper, welcher in zwei lange,<lb/><hirendition="#g">gegliederte</hi> Raife und beim Weibchen außerdem noch in eine gerade Legröhre ausläuft, an den<lb/><hirendition="#g">drei</hi> Fußgliedern aller Beine, deren hinterſte zum Springen befähigen, und endlich an den eigen-<lb/>
thümlich gebildeten Hinterflügeln. Dieſelben laufen nämlich am hornigen Vorderrande in eine<lb/>
Spitze aus und falten ſich unter dieſen „Gräten“ zuſammen, welche mehr oder weniger über die<lb/>
dem Rücken platt aufliegenden, gegitterten Decken hinausragen.</p><lb/><p>Das <hirendition="#g">Heimchen</hi> oder die <hirendition="#g">Hausgrille</hi><hirendition="#aq">(Gryllus domesticus),</hi> kleiner und zierlicher als vorige,<lb/>
von lederbrauner Farbe, an den Beinen und dem Kopfe lichter, mehr gelb, trägt über letzterem eine<lb/>
braune Querbinde und auf dem Halsſchilde zwei dreieckige, braune Flecken. Die Gräten der<lb/>
Hinterflügel ragen über den Körper hinaus und vermehren beim Weibchen die drei Anhängſel um<lb/>
noch zwei. Die Länge des Thierchens beträgt 8 bis 9 Linien. Jn geſelligem Beiſammenſein,<lb/>
den nächtlichen Ausbrüchen aus ſeinen Verſtecken, dem Aufſuchen der Wärme und derſelben<lb/>
Nahrungsmittel erinnert das Heimchen lebhaft an die Küchenſchabe, in deren Geſellſchaft es nicht<lb/>ſelten in Backhäuſern, Mühlen, Brauereien, Kaſernen, wo es mitunter als „kleine Krebſe“ die<lb/>
langen Brühen der Suppen würzt, in Hospitälern und andern ähnlichen Oertlichkeiten zu finden<lb/>
iſt. Ein einzelnes unterbricht mit ſeinem melancholiſchen Gezirp die nächtliche Ruhe auf nicht<lb/>
unangenehme Weiſe, die vielſtimmigen Concerte können aber diejenigen zur Verzweiflung bringen,<lb/>
welche ſie allnächtlich mit anhören müſſen. Die Töne werden von den Männchen in derſelben<lb/>
Weiſe hervorgebracht wie von der Feldgrille, nur ſind ſie ſchwächer und höher in Folge der geringen<lb/>
Größe des Muſicirenden und der dichter ſtehenden Stege an der Schrillader. Nie in meinem<lb/>
Leben hatte ich beſſere Gelegenheit, die Thiere in ihrem Treiben zu beobachten, als in meiner<lb/>
Kindheit, wenn ich die Hundstagsferien bei den Großeltern verbrachte. Die düſtere Küche der<lb/>
alten Pfarrwohnung in Großgörſchen war für die Heimchen eine wahre Reſidenz. Durch ſie<lb/>
nahm ich dann und wann meinen Weg mit der Großmutter, wenn wir uns zur Nachtruhe begeben<lb/>
wollten. Tauſende von Heimchen tummelten ſich hier, manche noch nicht ſo groß, wie eine Stuben-<lb/>
fliege, kleinere und größere bis zu vollkommen Erwachſenen, je nach den verſchiedenen Alters-<lb/>ſtufen. Aus allen Winkeln zirpte es. Hier füllte das Mauerloch ein dicker Kopf aus, deſſen<lb/>
lange Fühlfäden ſich ſcharf gegen das verrußte Geſtein abgrenzten, zog ſich aber ſchen zurück, ſobald<lb/>
das Licht in die Nähe kam; dort ſpazierte eine Heerde Junge, nach Nahrung ſuchend, keck umher,<lb/>
verrieth aber bald, daß Furchtſamkeit jedem einzelnen angeboren iſt. Mit den Händen eines der<lb/>
frei umherſchweifenden Thiere zu erhaſchen war beinahe ein Ding der Unmöglichkeit, und gelang<lb/>
es ja, ſo war der blinde Zufall dabei im Spiele, welcher bei der großen Menge einmal Eins<lb/>
zwiſchen die Finger trieb, auf welches es nicht abgeſehen geweſen war. Sie werden in dieſer<lb/>
Hinſicht mehr durch ihre große Gewandtheit und Schnelligkeit im Laufen geſchützt, als durch das<lb/>
Springvermögen, welches ſie natürlich auch zu Hilfe nehmen, wobei man ihnen aber anſieht,<lb/>
daß der feiſte Körper ihnen hinderlich iſt und größere Sätze ihnen ſauer werden. Eine Stelle<lb/>
ward ausgemittelt, wo der Fang keine Schwierigkeiten hatte. Jm Heerde war nämlich ein kupferner<lb/>
Keſſel eingemauert und mit einem ſchlecht ſchließenden Holzdeckel verſehen. Wenn nun zu irgend<lb/>
einem wirthſchaftlichen Zwecke hier einmal den Tag über Waſſer heiß gemacht worden war, wovon<lb/>
immer auf dem Boden etwas zurückblieb, nebſt einer behaglichen Wärme in der Umgebung, ſo<lb/>ſaßen die Thiere in ſolchen Mengen im Grunde des Keſſels, aus welchem ſie natürlich nicht<lb/>
wieder herauskonnten, daß man ſie händeweis greiſen konnte. Jch verſchaffte mir manchmal das<lb/>
Vergnügen und ſperrte die auf ſolche Weiſe in meine Gewalt Gekommenen über Nacht in ein<lb/>
Zuckerglas, welches oben wohl verwahrt wurde. Am andern Morgen war ein <hirendition="#g">unbeſchädigtes</hi><lb/>
Jndividuum eine Seltenheit. Gewöhnlich fehlten Beine, Fühler, ja ſelbſt Stücke aus dem<lb/>
Leibe. Die Springbeine, welche ſich die Schrecken in der Geſangenſchaft leicht abſtrampeln und<lb/></p></div></div></body></floatingText></body></text></TEI>
[493/0525]
Feldgrille. Heimchen.
gut möglich iſt, muß doch auch der Gattungscharakter feſtgeſtellt werden, welcher ſich auf
15 europäiſche und zahlreiche ausländiſche Arten bezieht. Man erkennt ſie an dem dicken, gerundeten
Kopfe, dem quadratiſchen Vorderrücken, dem drehrunden, plumpen Körper, welcher in zwei lange,
gegliederte Raife und beim Weibchen außerdem noch in eine gerade Legröhre ausläuft, an den
drei Fußgliedern aller Beine, deren hinterſte zum Springen befähigen, und endlich an den eigen-
thümlich gebildeten Hinterflügeln. Dieſelben laufen nämlich am hornigen Vorderrande in eine
Spitze aus und falten ſich unter dieſen „Gräten“ zuſammen, welche mehr oder weniger über die
dem Rücken platt aufliegenden, gegitterten Decken hinausragen.
Das Heimchen oder die Hausgrille (Gryllus domesticus), kleiner und zierlicher als vorige,
von lederbrauner Farbe, an den Beinen und dem Kopfe lichter, mehr gelb, trägt über letzterem eine
braune Querbinde und auf dem Halsſchilde zwei dreieckige, braune Flecken. Die Gräten der
Hinterflügel ragen über den Körper hinaus und vermehren beim Weibchen die drei Anhängſel um
noch zwei. Die Länge des Thierchens beträgt 8 bis 9 Linien. Jn geſelligem Beiſammenſein,
den nächtlichen Ausbrüchen aus ſeinen Verſtecken, dem Aufſuchen der Wärme und derſelben
Nahrungsmittel erinnert das Heimchen lebhaft an die Küchenſchabe, in deren Geſellſchaft es nicht
ſelten in Backhäuſern, Mühlen, Brauereien, Kaſernen, wo es mitunter als „kleine Krebſe“ die
langen Brühen der Suppen würzt, in Hospitälern und andern ähnlichen Oertlichkeiten zu finden
iſt. Ein einzelnes unterbricht mit ſeinem melancholiſchen Gezirp die nächtliche Ruhe auf nicht
unangenehme Weiſe, die vielſtimmigen Concerte können aber diejenigen zur Verzweiflung bringen,
welche ſie allnächtlich mit anhören müſſen. Die Töne werden von den Männchen in derſelben
Weiſe hervorgebracht wie von der Feldgrille, nur ſind ſie ſchwächer und höher in Folge der geringen
Größe des Muſicirenden und der dichter ſtehenden Stege an der Schrillader. Nie in meinem
Leben hatte ich beſſere Gelegenheit, die Thiere in ihrem Treiben zu beobachten, als in meiner
Kindheit, wenn ich die Hundstagsferien bei den Großeltern verbrachte. Die düſtere Küche der
alten Pfarrwohnung in Großgörſchen war für die Heimchen eine wahre Reſidenz. Durch ſie
nahm ich dann und wann meinen Weg mit der Großmutter, wenn wir uns zur Nachtruhe begeben
wollten. Tauſende von Heimchen tummelten ſich hier, manche noch nicht ſo groß, wie eine Stuben-
fliege, kleinere und größere bis zu vollkommen Erwachſenen, je nach den verſchiedenen Alters-
ſtufen. Aus allen Winkeln zirpte es. Hier füllte das Mauerloch ein dicker Kopf aus, deſſen
lange Fühlfäden ſich ſcharf gegen das verrußte Geſtein abgrenzten, zog ſich aber ſchen zurück, ſobald
das Licht in die Nähe kam; dort ſpazierte eine Heerde Junge, nach Nahrung ſuchend, keck umher,
verrieth aber bald, daß Furchtſamkeit jedem einzelnen angeboren iſt. Mit den Händen eines der
frei umherſchweifenden Thiere zu erhaſchen war beinahe ein Ding der Unmöglichkeit, und gelang
es ja, ſo war der blinde Zufall dabei im Spiele, welcher bei der großen Menge einmal Eins
zwiſchen die Finger trieb, auf welches es nicht abgeſehen geweſen war. Sie werden in dieſer
Hinſicht mehr durch ihre große Gewandtheit und Schnelligkeit im Laufen geſchützt, als durch das
Springvermögen, welches ſie natürlich auch zu Hilfe nehmen, wobei man ihnen aber anſieht,
daß der feiſte Körper ihnen hinderlich iſt und größere Sätze ihnen ſauer werden. Eine Stelle
ward ausgemittelt, wo der Fang keine Schwierigkeiten hatte. Jm Heerde war nämlich ein kupferner
Keſſel eingemauert und mit einem ſchlecht ſchließenden Holzdeckel verſehen. Wenn nun zu irgend
einem wirthſchaftlichen Zwecke hier einmal den Tag über Waſſer heiß gemacht worden war, wovon
immer auf dem Boden etwas zurückblieb, nebſt einer behaglichen Wärme in der Umgebung, ſo
ſaßen die Thiere in ſolchen Mengen im Grunde des Keſſels, aus welchem ſie natürlich nicht
wieder herauskonnten, daß man ſie händeweis greiſen konnte. Jch verſchaffte mir manchmal das
Vergnügen und ſperrte die auf ſolche Weiſe in meine Gewalt Gekommenen über Nacht in ein
Zuckerglas, welches oben wohl verwahrt wurde. Am andern Morgen war ein unbeſchädigtes
Jndividuum eine Seltenheit. Gewöhnlich fehlten Beine, Fühler, ja ſelbſt Stücke aus dem
Leibe. Die Springbeine, welche ſich die Schrecken in der Geſangenſchaft leicht abſtrampeln und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 493. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/525>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.