Hälfte des Juni zum zweiten Male das Kleid gewechselt haben. Jetzt kann man die Geschlechter äußerlich an der kurzen Legröhre des Weibchens unterscheiden. Jn der ersten Hälfte des Juli erscheinen sie nach der dritten Häutung mit den Flügelscheiden und Anfangs August durch die vollkommene Ausbildung dieser als vollendete branne Heupferdchen. Alsbald beginnen die Männchen ihren Gesang. Es nahet sich das Weibchen und macht ihm seine Gegenwart durch Hin- und Herschlagen mit den langen Fühlern bemerklich. Das Männchen verstummt, legt die Fühler nach hinten und untersucht, ob man sich ihm in freundlicher oder feindlicher Absicht nähert. Ueberzeugt es sich von ersterem, so bewillkommnet es die Angekommene mit sauften Zwitscher- tönen. Wenige Tage später sucht das Weibchen eine lockere Stelle, am liebsten im Grase, bohrt seinen Säbel hinein und läßt 6 bis 8 weißliche Eier durch denselben in die Erde gleiten, welche Arbeit so und so oft wiederholt wird; denn jeder der beiden weiblichen Eierstöcke enthält ungefähr 50 Eier. Fängt man eine erwachsene Heuschrecke, so beißt sie heftig, daß die Haut mit Blut unterläuft und Kopf sammt Schlund häugen bleiben, wenn man sie schnell abreißt. Beim Beißen läßt sie einen braunen Saft ausfließen, der möglichenfalls zum Vertilgen der Warzen nach der Meinung derer beitragen mag, welche sich von ihnen dieselben abbeißen ließen, von welcher irrigen Ansicht der erste Name herrührt. Manchmal finden sich lange Fadenwürmer in dem Leibe.
Noch bekannter ist das etwas schmächtigere, einen Zoll lange, große grüne Heupferd (Locusta viridissima), welches hie und da z. B. in Leipzig von den Kindern in eigens dazu käuflichen Drahthäuschen gefüttert und deshalb auf Kosten der reisen Getreidefelder in denselben aufgesucht wird. Man ergötzt sich am Gesange und -- tanzt wohl auch darnach! Die langen, gleichbreiten Flügeldecken, wie der Körper von saftgrüner Grundfarbe, bräunen nur am wagrechten Rückentheile und überragen den Hinterleib um das Doppelte. Auch der Kopf und der Vorder- rücken, meist in einer Längsstrieme, erscheinen nicht selten rostroth. Die fast gerade Legscheide des Weibchens erreicht die Körperlänge mit Ausschluß des Kopfes. Das Thier fliegt gern im Sonnenscheine eine Strecke flach über der Erde hin, um Nachstellungen zu entgehen und verursacht dabei ein schwirrendes Geräusch durch das Schlagen seiner Flügel. Wir erblicken es mitten auf dem Bilde "Nächtliches Treiben der Jnsekten" beim Verzehren eines Schmetterlinges. Die Gattung Locusta unterscheidet sich von der vorigen nur durch den Mangel der beiden Haftlappen am Grunde der Hinterfüße, durch schmaleren Gipfel des Kopfes und längere Aftergriffel. Eine zweite, mehr in der Schweiz, Westphalen und Holstein verbreitete Art ist die etwas kleinere (10 Linien), ebenso gefärbte Zwitscherheuschrecke(L. cantans), deren Flügeldecken aber nur wenig über die Leibesspitze hinausreichen.
Auf dürren Haiden, sandigen Feldern, von der Sonne beschienenen Berglehnen Europas und des vordern Asiens gräbt der schwarze Dickkopf, welchen wir auf der nächsten Seite abgebildet sehen, Röhren in die Erde, um sich bei nahender Gesahr hineinzuflüchten, rauhe und regnerische Tage darin zu verbringen und schließlich die Brutstätte daselbst zu begründen. Der Dichter, welcher ihn besingt, nennt ihn mit vollem Rechte die "faule Grille", der nicht moralisirende Forscher die Feld- grille(Gryllus campestris). Die Löcher, nicht viel weiter als der Umfang des Thieres gehen erst wagrecht in die Erde, und senken sich weiterhin etwas nach unten. Sie werden vorzugsweise zu der Zeit angelegt, wo von Seiten des Männchens der Gesang beginnt, also von Ende Juni ab und nur von einem Thiere bewohnt. Dabei entstehen häufig Kämpfe; denn jede Grille benutzt gern einen vorhandenen Bau, begegnet sie darin aber einer anderen, die ihn entweder anlegte oder als verlassenen früher bezog, so weicht keiner von beiden Theilen freiwillig. Man beißt sich, stößt mit den Köpfen gegen einander und ist der Sieg auf der einen Seite so vollständig, daß der Gegner auf dem Kampfplatze bleibt, so wird seine Leiche -- -- aufgefressen. Das Männchen steckt gern den Kopf aus seiner Höhle heraus und stimmt sein Liedchen an; weit weg davon geht
Hälfte des Juni zum zweiten Male das Kleid gewechſelt haben. Jetzt kann man die Geſchlechter äußerlich an der kurzen Legröhre des Weibchens unterſcheiden. Jn der erſten Hälfte des Juli erſcheinen ſie nach der dritten Häutung mit den Flügelſcheiden und Anfangs Auguſt durch die vollkommene Ausbildung dieſer als vollendete branne Heupferdchen. Alsbald beginnen die Männchen ihren Geſang. Es nahet ſich das Weibchen und macht ihm ſeine Gegenwart durch Hin- und Herſchlagen mit den langen Fühlern bemerklich. Das Männchen verſtummt, legt die Fühler nach hinten und unterſucht, ob man ſich ihm in freundlicher oder feindlicher Abſicht nähert. Ueberzeugt es ſich von erſterem, ſo bewillkommnet es die Angekommene mit ſauften Zwitſcher- tönen. Wenige Tage ſpäter ſucht das Weibchen eine lockere Stelle, am liebſten im Graſe, bohrt ſeinen Säbel hinein und läßt 6 bis 8 weißliche Eier durch denſelben in die Erde gleiten, welche Arbeit ſo und ſo oft wiederholt wird; denn jeder der beiden weiblichen Eierſtöcke enthält ungefähr 50 Eier. Fängt man eine erwachſene Heuſchrecke, ſo beißt ſie heftig, daß die Haut mit Blut unterläuft und Kopf ſammt Schlund häugen bleiben, wenn man ſie ſchnell abreißt. Beim Beißen läßt ſie einen braunen Saft ausfließen, der möglichenfalls zum Vertilgen der Warzen nach der Meinung derer beitragen mag, welche ſich von ihnen dieſelben abbeißen ließen, von welcher irrigen Anſicht der erſte Name herrührt. Manchmal finden ſich lange Fadenwürmer in dem Leibe.
Noch bekannter iſt das etwas ſchmächtigere, einen Zoll lange, große grüne Heupferd (Locusta viridissima), welches hie und da z. B. in Leipzig von den Kindern in eigens dazu käuflichen Drahthäuschen gefüttert und deshalb auf Koſten der reiſen Getreidefelder in denſelben aufgeſucht wird. Man ergötzt ſich am Geſange und — tanzt wohl auch darnach! Die langen, gleichbreiten Flügeldecken, wie der Körper von ſaftgrüner Grundfarbe, bräunen nur am wagrechten Rückentheile und überragen den Hinterleib um das Doppelte. Auch der Kopf und der Vorder- rücken, meiſt in einer Längsſtrieme, erſcheinen nicht ſelten roſtroth. Die faſt gerade Legſcheide des Weibchens erreicht die Körperlänge mit Ausſchluß des Kopfes. Das Thier fliegt gern im Sonnenſcheine eine Strecke flach über der Erde hin, um Nachſtellungen zu entgehen und verurſacht dabei ein ſchwirrendes Geräuſch durch das Schlagen ſeiner Flügel. Wir erblicken es mitten auf dem Bilde „Nächtliches Treiben der Jnſekten“ beim Verzehren eines Schmetterlinges. Die Gattung Locusta unterſcheidet ſich von der vorigen nur durch den Mangel der beiden Haftlappen am Grunde der Hinterfüße, durch ſchmaleren Gipfel des Kopfes und längere Aftergriffel. Eine zweite, mehr in der Schweiz, Weſtphalen und Holſtein verbreitete Art iſt die etwas kleinere (10 Linien), ebenſo gefärbte Zwitſcherheuſchrecke(L. cantans), deren Flügeldecken aber nur wenig über die Leibesſpitze hinausreichen.
Auf dürren Haiden, ſandigen Feldern, von der Sonne beſchienenen Berglehnen Europas und des vordern Aſiens gräbt der ſchwarze Dickkopf, welchen wir auf der nächſten Seite abgebildet ſehen, Röhren in die Erde, um ſich bei nahender Geſahr hineinzuflüchten, rauhe und regneriſche Tage darin zu verbringen und ſchließlich die Brutſtätte daſelbſt zu begründen. Der Dichter, welcher ihn beſingt, nennt ihn mit vollem Rechte die „faule Grille“, der nicht moraliſirende Forſcher die Feld- grille(Gryllus campestris). Die Löcher, nicht viel weiter als der Umfang des Thieres gehen erſt wagrecht in die Erde, und ſenken ſich weiterhin etwas nach unten. Sie werden vorzugsweiſe zu der Zeit angelegt, wo von Seiten des Männchens der Geſang beginnt, alſo von Ende Juni ab und nur von einem Thiere bewohnt. Dabei entſtehen häufig Kämpfe; denn jede Grille benutzt gern einen vorhandenen Bau, begegnet ſie darin aber einer anderen, die ihn entweder anlegte oder als verlaſſenen früher bezog, ſo weicht keiner von beiden Theilen freiwillig. Man beißt ſich, ſtößt mit den Köpfen gegen einander und iſt der Sieg auf der einen Seite ſo vollſtändig, daß der Gegner auf dem Kampfplatze bleibt, ſo wird ſeine Leiche — — aufgefreſſen. Das Männchen ſteckt gern den Kopf aus ſeiner Höhle heraus und ſtimmt ſein Liedchen an; weit weg davon geht
<TEI><text><body><floatingText><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0523"n="491"/><fwplace="top"type="header">Großes braunes, großes grünes Heupferd, Zwitſcherheuſchrecke.</fw><lb/>
Hälfte des Juni zum zweiten Male das Kleid gewechſelt haben. Jetzt kann man die Geſchlechter<lb/>
äußerlich an der kurzen Legröhre des Weibchens unterſcheiden. Jn der erſten Hälfte des Juli<lb/>
erſcheinen ſie nach der dritten Häutung mit den Flügelſcheiden und Anfangs Auguſt durch die<lb/>
vollkommene Ausbildung dieſer als vollendete branne Heupferdchen. Alsbald beginnen die<lb/>
Männchen ihren Geſang. Es nahet ſich das Weibchen und macht ihm ſeine Gegenwart durch<lb/>
Hin- und Herſchlagen mit den langen Fühlern bemerklich. Das Männchen verſtummt, legt die<lb/>
Fühler nach hinten und unterſucht, ob man ſich ihm in freundlicher oder feindlicher Abſicht nähert.<lb/>
Ueberzeugt es ſich von erſterem, ſo bewillkommnet es die Angekommene mit ſauften Zwitſcher-<lb/>
tönen. Wenige Tage ſpäter ſucht das Weibchen eine lockere Stelle, am liebſten im Graſe, bohrt<lb/>ſeinen Säbel hinein und läßt 6 bis 8 weißliche Eier durch denſelben in die Erde gleiten, welche<lb/>
Arbeit ſo und ſo oft wiederholt wird; denn jeder der beiden weiblichen Eierſtöcke enthält ungefähr<lb/>
50 Eier. Fängt man eine erwachſene Heuſchrecke, ſo beißt ſie heftig, daß die Haut mit Blut<lb/>
unterläuft und Kopf ſammt Schlund häugen bleiben, wenn man ſie ſchnell abreißt. Beim Beißen<lb/>
läßt ſie einen braunen Saft ausfließen, der möglichenfalls zum Vertilgen der Warzen nach der<lb/>
Meinung derer beitragen mag, welche ſich von ihnen dieſelben abbeißen ließen, von welcher<lb/>
irrigen Anſicht der erſte Name herrührt. Manchmal finden ſich lange Fadenwürmer in dem Leibe.</p><lb/><p>Noch bekannter iſt das etwas ſchmächtigere, einen Zoll lange, <hirendition="#g">große grüne Heupferd</hi><lb/><hirendition="#aq">(Locusta viridissima),</hi> welches hie und da z. B. in Leipzig von den Kindern in eigens dazu<lb/>
käuflichen Drahthäuschen gefüttert und deshalb auf Koſten der reiſen Getreidefelder in denſelben<lb/>
aufgeſucht wird. Man ergötzt ſich am Geſange und — tanzt wohl auch darnach! Die langen,<lb/>
gleichbreiten Flügeldecken, wie der Körper von ſaftgrüner Grundfarbe, bräunen nur am wagrechten<lb/>
Rückentheile und überragen den Hinterleib um das Doppelte. Auch der Kopf und der Vorder-<lb/>
rücken, meiſt in einer Längsſtrieme, erſcheinen nicht ſelten roſtroth. Die faſt gerade Legſcheide<lb/>
des Weibchens erreicht die Körperlänge mit Ausſchluß des Kopfes. Das Thier fliegt gern im<lb/>
Sonnenſcheine eine Strecke flach über der Erde hin, um Nachſtellungen zu entgehen und verurſacht<lb/>
dabei ein ſchwirrendes Geräuſch durch das Schlagen ſeiner Flügel. Wir erblicken es mitten auf<lb/>
dem Bilde „Nächtliches Treiben der Jnſekten“ beim Verzehren eines Schmetterlinges. Die Gattung<lb/><hirendition="#aq">Locusta</hi> unterſcheidet ſich von der vorigen nur durch den Mangel der beiden Haftlappen am Grunde<lb/>
der Hinterfüße, durch ſchmaleren Gipfel des Kopfes und längere Aftergriffel. Eine zweite, mehr<lb/>
in der Schweiz, Weſtphalen und Holſtein verbreitete Art iſt die etwas kleinere (10 Linien),<lb/>
ebenſo gefärbte <hirendition="#g">Zwitſcherheuſchrecke</hi><hirendition="#aq">(L. cantans),</hi> deren Flügeldecken aber nur wenig über die<lb/>
Leibesſpitze hinausreichen.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p>Auf dürren Haiden, ſandigen Feldern, von der Sonne beſchienenen Berglehnen Europas<lb/>
und des vordern Aſiens gräbt der ſchwarze Dickkopf, welchen wir auf der nächſten Seite abgebildet<lb/>ſehen, Röhren in die Erde, um ſich bei nahender Geſahr hineinzuflüchten, rauhe und regneriſche Tage<lb/>
darin zu verbringen und ſchließlich die Brutſtätte daſelbſt zu begründen. Der Dichter, welcher ihn<lb/>
beſingt, nennt ihn mit vollem Rechte die „faule Grille“, der nicht moraliſirende Forſcher die <hirendition="#g">Feld-<lb/>
grille</hi><hirendition="#aq">(Gryllus campestris)</hi>. Die Löcher, nicht viel weiter als der Umfang des Thieres gehen erſt<lb/>
wagrecht in die Erde, und ſenken ſich weiterhin etwas nach unten. Sie werden vorzugsweiſe zu der<lb/>
Zeit angelegt, wo von Seiten des Männchens der Geſang beginnt, alſo von Ende Juni ab und<lb/>
nur von <hirendition="#g">einem</hi> Thiere bewohnt. Dabei entſtehen häufig Kämpfe; denn jede Grille benutzt gern<lb/>
einen vorhandenen Bau, begegnet ſie darin aber einer anderen, die ihn entweder anlegte oder als<lb/>
verlaſſenen früher bezog, ſo weicht keiner von beiden Theilen freiwillig. Man beißt ſich, ſtößt<lb/>
mit den Köpfen gegen einander und iſt der Sieg auf der einen Seite ſo vollſtändig, daß der<lb/>
Gegner auf dem Kampfplatze bleibt, ſo wird ſeine Leiche —— aufgefreſſen. Das Männchen<lb/>ſteckt gern den Kopf aus ſeiner Höhle heraus und ſtimmt ſein Liedchen an; weit weg davon geht<lb/></p></div></div></body></floatingText></body></text></TEI>
[491/0523]
Großes braunes, großes grünes Heupferd, Zwitſcherheuſchrecke.
Hälfte des Juni zum zweiten Male das Kleid gewechſelt haben. Jetzt kann man die Geſchlechter
äußerlich an der kurzen Legröhre des Weibchens unterſcheiden. Jn der erſten Hälfte des Juli
erſcheinen ſie nach der dritten Häutung mit den Flügelſcheiden und Anfangs Auguſt durch die
vollkommene Ausbildung dieſer als vollendete branne Heupferdchen. Alsbald beginnen die
Männchen ihren Geſang. Es nahet ſich das Weibchen und macht ihm ſeine Gegenwart durch
Hin- und Herſchlagen mit den langen Fühlern bemerklich. Das Männchen verſtummt, legt die
Fühler nach hinten und unterſucht, ob man ſich ihm in freundlicher oder feindlicher Abſicht nähert.
Ueberzeugt es ſich von erſterem, ſo bewillkommnet es die Angekommene mit ſauften Zwitſcher-
tönen. Wenige Tage ſpäter ſucht das Weibchen eine lockere Stelle, am liebſten im Graſe, bohrt
ſeinen Säbel hinein und läßt 6 bis 8 weißliche Eier durch denſelben in die Erde gleiten, welche
Arbeit ſo und ſo oft wiederholt wird; denn jeder der beiden weiblichen Eierſtöcke enthält ungefähr
50 Eier. Fängt man eine erwachſene Heuſchrecke, ſo beißt ſie heftig, daß die Haut mit Blut
unterläuft und Kopf ſammt Schlund häugen bleiben, wenn man ſie ſchnell abreißt. Beim Beißen
läßt ſie einen braunen Saft ausfließen, der möglichenfalls zum Vertilgen der Warzen nach der
Meinung derer beitragen mag, welche ſich von ihnen dieſelben abbeißen ließen, von welcher
irrigen Anſicht der erſte Name herrührt. Manchmal finden ſich lange Fadenwürmer in dem Leibe.
Noch bekannter iſt das etwas ſchmächtigere, einen Zoll lange, große grüne Heupferd
(Locusta viridissima), welches hie und da z. B. in Leipzig von den Kindern in eigens dazu
käuflichen Drahthäuschen gefüttert und deshalb auf Koſten der reiſen Getreidefelder in denſelben
aufgeſucht wird. Man ergötzt ſich am Geſange und — tanzt wohl auch darnach! Die langen,
gleichbreiten Flügeldecken, wie der Körper von ſaftgrüner Grundfarbe, bräunen nur am wagrechten
Rückentheile und überragen den Hinterleib um das Doppelte. Auch der Kopf und der Vorder-
rücken, meiſt in einer Längsſtrieme, erſcheinen nicht ſelten roſtroth. Die faſt gerade Legſcheide
des Weibchens erreicht die Körperlänge mit Ausſchluß des Kopfes. Das Thier fliegt gern im
Sonnenſcheine eine Strecke flach über der Erde hin, um Nachſtellungen zu entgehen und verurſacht
dabei ein ſchwirrendes Geräuſch durch das Schlagen ſeiner Flügel. Wir erblicken es mitten auf
dem Bilde „Nächtliches Treiben der Jnſekten“ beim Verzehren eines Schmetterlinges. Die Gattung
Locusta unterſcheidet ſich von der vorigen nur durch den Mangel der beiden Haftlappen am Grunde
der Hinterfüße, durch ſchmaleren Gipfel des Kopfes und längere Aftergriffel. Eine zweite, mehr
in der Schweiz, Weſtphalen und Holſtein verbreitete Art iſt die etwas kleinere (10 Linien),
ebenſo gefärbte Zwitſcherheuſchrecke (L. cantans), deren Flügeldecken aber nur wenig über die
Leibesſpitze hinausreichen.
Auf dürren Haiden, ſandigen Feldern, von der Sonne beſchienenen Berglehnen Europas
und des vordern Aſiens gräbt der ſchwarze Dickkopf, welchen wir auf der nächſten Seite abgebildet
ſehen, Röhren in die Erde, um ſich bei nahender Geſahr hineinzuflüchten, rauhe und regneriſche Tage
darin zu verbringen und ſchließlich die Brutſtätte daſelbſt zu begründen. Der Dichter, welcher ihn
beſingt, nennt ihn mit vollem Rechte die „faule Grille“, der nicht moraliſirende Forſcher die Feld-
grille (Gryllus campestris). Die Löcher, nicht viel weiter als der Umfang des Thieres gehen erſt
wagrecht in die Erde, und ſenken ſich weiterhin etwas nach unten. Sie werden vorzugsweiſe zu der
Zeit angelegt, wo von Seiten des Männchens der Geſang beginnt, alſo von Ende Juni ab und
nur von einem Thiere bewohnt. Dabei entſtehen häufig Kämpfe; denn jede Grille benutzt gern
einen vorhandenen Bau, begegnet ſie darin aber einer anderen, die ihn entweder anlegte oder als
verlaſſenen früher bezog, ſo weicht keiner von beiden Theilen freiwillig. Man beißt ſich, ſtößt
mit den Köpfen gegen einander und iſt der Sieg auf der einen Seite ſo vollſtändig, daß der
Gegner auf dem Kampfplatze bleibt, ſo wird ſeine Leiche — — aufgefreſſen. Das Männchen
ſteckt gern den Kopf aus ſeiner Höhle heraus und ſtimmt ſein Liedchen an; weit weg davon geht
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 491. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/523>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.