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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Treiberameise. Ecitons.
ihren Schlupfwinkeln. Auch in menschlichen Wohnungen lassen sie sich bisweilen blicken, wo eine
allgemeine Flucht der Ratten, Mäuse, Schaben, Eidechsen, welche sich etwa darin aufhalten, ihre
Annäherung verkündigt und die Einwohner mahnt, schleunigst ihre Betten zu verlassen und das
Freie zu suchen. Werden zur Regenzeit ihre Schlupfwinkel überschwemmt, so schaaren sie sich in
einen runden Haufen, die Brut und Schwächlinge in die Mitte nehmend, zusammen und treiben
auf den Fluthen, bis sie an irgend einer Stelle auf das Land abgesetzt werden. Ueber Bäche und
schmälere Gewässer, auf welche sie bei ihren Wanderungen stoßen, sollen sie eine lebendige Brücke
schlagen, indem sie sich an einander befestigen.

Die Knotenameisen (Myrmicidae) bieten den größten Formenreichthum dar und nöthigen
die Systematiker, sie auf ungefähr zweiundvierzig Gattungen zu vertheilen. Der zweiknotige
Hinterleibsstiel und Stachel bei Weibchen und Arbeitern bilden die allen gemeinsamen Merkmale.
Gattungen wie Myrmica, Eciton und Atta, Aphaenogaster, Monomorium, Typhlatta u. a.,
deren drei erstere älteren Datums sind, die anderen den beiden eifrigsten Myrmecologen der Neuzeit,
Herrn Dr. G. Mayr in Wien und Smith in London, ihre Gründung verdanken, gehören
hierher und liefern zum Theil zahlreiche Arten. -- Die Ecitons leben in Brasilien, einige bis
Meriko reichend, und sind bisher nur im Arbeiterstande bekannt geworden. Generisch unter-
scheiden sie sich von den übrigen Knotenameisen durch zweigliederige Kiefer-, dreigliederige Lippen-
taster, durch eine Grube der zwölfgliederigen Fühler, welche nach innen von den Stirnleisten,
nach außen von einem Kiele begrenzt wird, durch sehr kleine, einfache Augen an Stelle der
Netzaugen, oder gänzlichen Mangel derselben, und endlich durch die meist zweizähnigen Fußklauen.
Bates gibt in seinem "Naturforscher am Amazonenstrome" höchst interessante Einzelnheiten über
das Leben dieser von den Eingebornen Touoca genannten Thiere, welche wir den folgenden
Mittheilungen zu Grunde legen.

Die Ecitous ziehen alle in Schaaren auf Raub aus und werden dabei von einer Fliege
(Stylogaster) begleitet, welche in vibrirender Flügelbewegung einen Fuß hoch, oder niedriger über
ihren Schaaren schwebt, sich plötzlich herabläßt, wahrscheinlich um mittelst ihrer langen Legröhre
ein Ei bei den von den Ameisen fortgeschleppten Larven unterzubringen. Beinahe jede Art hat
ihre Eigenthümlichkeiten, wie und wo sie in geordneten Heerschaaren aufmarschirt, und auch die-
jenigen, welche diese zusammensetzen, sind nicht gleich. Man unterscheidet sehr wohl zwischen groß-
köpfigen und kleinköpfigen Arbeitern, welche aber nur bei einigen Arten (E. hamata, erratica,
vastator
) durch andere Bildung der Kinnbacken beweisen, daß beide nicht zu gleicher Arbeit befähigt
sind; in den meisten anderen Fällen finden sich Uebergänge in der Körpergröße, und Bates konnte
keinen Unterschied in den Verrichtungen der groß- und kleinköpfigen Jndividuen wahrnehmen.
Eciton rapax, der Riese des Geschlechts, insofern bis sechs Linien große Arbeiter vorkommen,
durchzieht in nur schwachen Kolonnen den Wald und scheint hauptsächlich die Nester einer Formica-
Art zu plündern, wenigstens fanden sich häufig verstümmelte Körper derselben auf ihren Wegen. --
Auch bei einer zweiten Art, Eciton legionis, welche bedeutend kleiner ist und sich in dieser
Beziehung, wie in der Farbe wenig von unserer europäischen rothen Knotenameise (Myrmica rubra)
unterscheidet, theilen sich die beiden Arbeiterformen nicht in die Geschäfte, wenigstens betragen sie
sich auf den Zügen ganz gleich. Diese wurden von Bates auf den sandigen Campos von
Santarem selten gesehen, aber um so besser beobachtet, weil das Dickicht die Aussicht nicht ver-
sperrte. Die Heere bestehen aus vielen Tausenden, welche sich in breiten Kolonnen vorwärts
bewegen; werden sie dabei gestört, so greifen sie den eindringenden Gegenstand mit derselben Wuth
an, wie die anderen Arten. Bei einer Gelegenheit gruben sie am Hange eines Hügels in die
lockere Erde Minen bis zu zehn Zoll Tiefe, um dicke Ameisen (Formica) herauszuholen. Die
vereinten Kräfte verdoppelten und verdreifachten den Eifer, mit welchem sie die Beute vorzogen
und in Stücke zerrissen. Der Beobachter wünschte einige der angefallenen Ameisen zu sammeln

Treiberameiſe. Ecitons.
ihren Schlupfwinkeln. Auch in menſchlichen Wohnungen laſſen ſie ſich bisweilen blicken, wo eine
allgemeine Flucht der Ratten, Mäuſe, Schaben, Eidechſen, welche ſich etwa darin aufhalten, ihre
Annäherung verkündigt und die Einwohner mahnt, ſchleunigſt ihre Betten zu verlaſſen und das
Freie zu ſuchen. Werden zur Regenzeit ihre Schlupfwinkel überſchwemmt, ſo ſchaaren ſie ſich in
einen runden Haufen, die Brut und Schwächlinge in die Mitte nehmend, zuſammen und treiben
auf den Fluthen, bis ſie an irgend einer Stelle auf das Land abgeſetzt werden. Ueber Bäche und
ſchmälere Gewäſſer, auf welche ſie bei ihren Wanderungen ſtoßen, ſollen ſie eine lebendige Brücke
ſchlagen, indem ſie ſich an einander befeſtigen.

Die Knotenameiſen (Myrmicidae) bieten den größten Formenreichthum dar und nöthigen
die Syſtematiker, ſie auf ungefähr zweiundvierzig Gattungen zu vertheilen. Der zweiknotige
Hinterleibsſtiel und Stachel bei Weibchen und Arbeitern bilden die allen gemeinſamen Merkmale.
Gattungen wie Myrmica, Eciton und Atta, Aphaenogaster, Monomorium, Typhlatta u. a.,
deren drei erſtere älteren Datums ſind, die anderen den beiden eifrigſten Myrmecologen der Neuzeit,
Herrn Dr. G. Mayr in Wien und Smith in London, ihre Gründung verdanken, gehören
hierher und liefern zum Theil zahlreiche Arten. — Die Ecitons leben in Braſilien, einige bis
Meriko reichend, und ſind bisher nur im Arbeiterſtande bekannt geworden. Generiſch unter-
ſcheiden ſie ſich von den übrigen Knotenameiſen durch zweigliederige Kiefer-, dreigliederige Lippen-
taſter, durch eine Grube der zwölfgliederigen Fühler, welche nach innen von den Stirnleiſten,
nach außen von einem Kiele begrenzt wird, durch ſehr kleine, einfache Augen an Stelle der
Netzaugen, oder gänzlichen Mangel derſelben, und endlich durch die meiſt zweizähnigen Fußklauen.
Bates gibt in ſeinem „Naturforſcher am Amazonenſtrome“ höchſt intereſſante Einzelnheiten über
das Leben dieſer von den Eingebornen Touóca genannten Thiere, welche wir den folgenden
Mittheilungen zu Grunde legen.

Die Ecitous ziehen alle in Schaaren auf Raub aus und werden dabei von einer Fliege
(Stylogaster) begleitet, welche in vibrirender Flügelbewegung einen Fuß hoch, oder niedriger über
ihren Schaaren ſchwebt, ſich plötzlich herabläßt, wahrſcheinlich um mittelſt ihrer langen Legröhre
ein Ei bei den von den Ameiſen fortgeſchleppten Larven unterzubringen. Beinahe jede Art hat
ihre Eigenthümlichkeiten, wie und wo ſie in geordneten Heerſchaaren aufmarſchirt, und auch die-
jenigen, welche dieſe zuſammenſetzen, ſind nicht gleich. Man unterſcheidet ſehr wohl zwiſchen groß-
köpfigen und kleinköpfigen Arbeitern, welche aber nur bei einigen Arten (E. hamata, erratica,
vastator
) durch andere Bildung der Kinnbacken beweiſen, daß beide nicht zu gleicher Arbeit befähigt
ſind; in den meiſten anderen Fällen finden ſich Uebergänge in der Körpergröße, und Bates konnte
keinen Unterſchied in den Verrichtungen der groß- und kleinköpfigen Jndividuen wahrnehmen.
Eciton rapax, der Rieſe des Geſchlechts, inſofern bis ſechs Linien große Arbeiter vorkommen,
durchzieht in nur ſchwachen Kolonnen den Wald und ſcheint hauptſächlich die Neſter einer Formica-
Art zu plündern, wenigſtens fanden ſich häufig verſtümmelte Körper derſelben auf ihren Wegen. —
Auch bei einer zweiten Art, Eciton legionis, welche bedeutend kleiner iſt und ſich in dieſer
Beziehung, wie in der Farbe wenig von unſerer europäiſchen rothen Knotenameiſe (Myrmica rubra)
unterſcheidet, theilen ſich die beiden Arbeiterformen nicht in die Geſchäfte, wenigſtens betragen ſie
ſich auf den Zügen ganz gleich. Dieſe wurden von Bates auf den ſandigen Campos von
Santarem ſelten geſehen, aber um ſo beſſer beobachtet, weil das Dickicht die Ausſicht nicht ver-
ſperrte. Die Heere beſtehen aus vielen Tauſenden, welche ſich in breiten Kolonnen vorwärts
bewegen; werden ſie dabei geſtört, ſo greifen ſie den eindringenden Gegenſtand mit derſelben Wuth
an, wie die anderen Arten. Bei einer Gelegenheit gruben ſie am Hange eines Hügels in die
lockere Erde Minen bis zu zehn Zoll Tiefe, um dicke Ameiſen (Formica) herauszuholen. Die
vereinten Kräfte verdoppelten und verdreifachten den Eifer, mit welchem ſie die Beute vorzogen
und in Stücke zerriſſen. Der Beobachter wünſchte einige der angefallenen Ameiſen zu ſammeln

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[217/0239] Treiberameiſe. Ecitons. ihren Schlupfwinkeln. Auch in menſchlichen Wohnungen laſſen ſie ſich bisweilen blicken, wo eine allgemeine Flucht der Ratten, Mäuſe, Schaben, Eidechſen, welche ſich etwa darin aufhalten, ihre Annäherung verkündigt und die Einwohner mahnt, ſchleunigſt ihre Betten zu verlaſſen und das Freie zu ſuchen. Werden zur Regenzeit ihre Schlupfwinkel überſchwemmt, ſo ſchaaren ſie ſich in einen runden Haufen, die Brut und Schwächlinge in die Mitte nehmend, zuſammen und treiben auf den Fluthen, bis ſie an irgend einer Stelle auf das Land abgeſetzt werden. Ueber Bäche und ſchmälere Gewäſſer, auf welche ſie bei ihren Wanderungen ſtoßen, ſollen ſie eine lebendige Brücke ſchlagen, indem ſie ſich an einander befeſtigen. Die Knotenameiſen (Myrmicidae) bieten den größten Formenreichthum dar und nöthigen die Syſtematiker, ſie auf ungefähr zweiundvierzig Gattungen zu vertheilen. Der zweiknotige Hinterleibsſtiel und Stachel bei Weibchen und Arbeitern bilden die allen gemeinſamen Merkmale. Gattungen wie Myrmica, Eciton und Atta, Aphaenogaster, Monomorium, Typhlatta u. a., deren drei erſtere älteren Datums ſind, die anderen den beiden eifrigſten Myrmecologen der Neuzeit, Herrn Dr. G. Mayr in Wien und Smith in London, ihre Gründung verdanken, gehören hierher und liefern zum Theil zahlreiche Arten. — Die Ecitons leben in Braſilien, einige bis Meriko reichend, und ſind bisher nur im Arbeiterſtande bekannt geworden. Generiſch unter- ſcheiden ſie ſich von den übrigen Knotenameiſen durch zweigliederige Kiefer-, dreigliederige Lippen- taſter, durch eine Grube der zwölfgliederigen Fühler, welche nach innen von den Stirnleiſten, nach außen von einem Kiele begrenzt wird, durch ſehr kleine, einfache Augen an Stelle der Netzaugen, oder gänzlichen Mangel derſelben, und endlich durch die meiſt zweizähnigen Fußklauen. Bates gibt in ſeinem „Naturforſcher am Amazonenſtrome“ höchſt intereſſante Einzelnheiten über das Leben dieſer von den Eingebornen Touóca genannten Thiere, welche wir den folgenden Mittheilungen zu Grunde legen. Die Ecitous ziehen alle in Schaaren auf Raub aus und werden dabei von einer Fliege (Stylogaster) begleitet, welche in vibrirender Flügelbewegung einen Fuß hoch, oder niedriger über ihren Schaaren ſchwebt, ſich plötzlich herabläßt, wahrſcheinlich um mittelſt ihrer langen Legröhre ein Ei bei den von den Ameiſen fortgeſchleppten Larven unterzubringen. Beinahe jede Art hat ihre Eigenthümlichkeiten, wie und wo ſie in geordneten Heerſchaaren aufmarſchirt, und auch die- jenigen, welche dieſe zuſammenſetzen, ſind nicht gleich. Man unterſcheidet ſehr wohl zwiſchen groß- köpfigen und kleinköpfigen Arbeitern, welche aber nur bei einigen Arten (E. hamata, erratica, vastator) durch andere Bildung der Kinnbacken beweiſen, daß beide nicht zu gleicher Arbeit befähigt ſind; in den meiſten anderen Fällen finden ſich Uebergänge in der Körpergröße, und Bates konnte keinen Unterſchied in den Verrichtungen der groß- und kleinköpfigen Jndividuen wahrnehmen. Eciton rapax, der Rieſe des Geſchlechts, inſofern bis ſechs Linien große Arbeiter vorkommen, durchzieht in nur ſchwachen Kolonnen den Wald und ſcheint hauptſächlich die Neſter einer Formica- Art zu plündern, wenigſtens fanden ſich häufig verſtümmelte Körper derſelben auf ihren Wegen. — Auch bei einer zweiten Art, Eciton legionis, welche bedeutend kleiner iſt und ſich in dieſer Beziehung, wie in der Farbe wenig von unſerer europäiſchen rothen Knotenameiſe (Myrmica rubra) unterſcheidet, theilen ſich die beiden Arbeiterformen nicht in die Geſchäfte, wenigſtens betragen ſie ſich auf den Zügen ganz gleich. Dieſe wurden von Bates auf den ſandigen Campos von Santarem ſelten geſehen, aber um ſo beſſer beobachtet, weil das Dickicht die Ausſicht nicht ver- ſperrte. Die Heere beſtehen aus vielen Tauſenden, welche ſich in breiten Kolonnen vorwärts bewegen; werden ſie dabei geſtört, ſo greifen ſie den eindringenden Gegenſtand mit derſelben Wuth an, wie die anderen Arten. Bei einer Gelegenheit gruben ſie am Hange eines Hügels in die lockere Erde Minen bis zu zehn Zoll Tiefe, um dicke Ameiſen (Formica) herauszuholen. Die vereinten Kräfte verdoppelten und verdreifachten den Eifer, mit welchem ſie die Beute vorzogen und in Stücke zerriſſen. Der Beobachter wünſchte einige der angefallenen Ameiſen zu ſammeln

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/239>, abgerufen am 25.11.2024.