Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.Die Hantflügler. Faltenwespen. Gesellige Wespen. sollte, sie wickele ein Band von einem Knaule ab und lege es zu dem bereits Vorhandenen.Gleichmäßig mit Vermehrung der Zellen wächst die sie umgebende Hülle durch schraubenartig fortschreitenden Ansatz, welcher zuletzt eine blättrige, von flachen Blasenräumen durchsetzte, ziemlich bröckliche Schale bildet. Jst eine kleine Anzahl von Zellen fertig, so beginnt das Eier- legen. Wie die königliche Honigbiene, so steckt die besorgte Hornissenmutter erst den Kopf in jede Zelle, betastet sie inwendig mit ihren Fühlern, dreht sich um, schiebt den Hinterleib hinein, und wenn sie nach acht bis zehn Minuten wieder herausgekommen ist, kann man hinten am Boden das Ei kleben sehen. Fünf Tage später kriecht die Larve aus und findet einen Vorrath von Futter. Jch erhielt ein sehr lehrreiches Stück eines Hornissennestes mit vertrockneten Larven in offenen und versponnenen Zellen, sowie in letzteren auch entwickelte Junge. Jm Grunde der ersten lag eine schwarze, wurstförmige Masse, welche sich in Pulver zerreiben ließ, zweifelsohne der ein- getrocknete Futterbrei, welcher aus klar gekauten Jnsektenleibern, Bienen etc. besteht, auch mit Honig vermischt wird, wenn solcher zu haben ist. Von oben fällt die Hornisse wie die Wespe über die ausersehene Beute her, wirst sie zu Boden, bricht ihr Beine und Flügel ab, setzt sich dann mit ihr auf den Zweig eines benachbarten Baumes, kaut den Theil, welchen sie eintragen will, gründlich durch und trägt ihn nach vollendeter Arbeit zwischen den Freßzangen nach Hause. Hier angelangt, setzt sie sich auf die Wabe, nimmt das Futter, wie das Baumaterial zwischen die vordersten Kniee, knetet es nochmals durch, beißt Stückchen los und legt sie den schon größeren Larven auf den Mund, der Reihe nach jeder ein Stückchen, bis sie Alles vertheilt hat. Diese Art, die erwachsenen Larven zu füttern, gibt der Pfarrer Müller an, welcher in seinem Bienen- stande einst Gelegenheit hatte, ein solches Nest entstehen zu sehen; so lange die Larven noch klein waren, konnte er die Art der Versorgung nicht beobachten; er selbst reichte ihnen auf einem Stäbchen dicken Honig, welchen sie mit derselben Gier verzehrten, wie das von der Mutter gereichte Futter. Wenn die Made am neunten Tage ihres Alters erwachsen ist, füllt sie nicht nur die Zelle ganz aus, sondern ragt sogar ein Stückchen aus ihr hervor, darum hat der Deckel, mit welchem sie selbst ihre Klause zuspinnt, eine vollkommen halbkugelige Gestalt. Daß er aus einem Gespinnst und nicht aus der Zellenmasse besteht, habe ich an meinem instructiven Nest- stückchen sehr deutlich wahrgenommen. Jetzt erst, nachdem die Zelle geschlossen ist, darf die Made wagen, hinten von ihr loszulassen, jetzt kann sie nicht mehr herausfallen, und muß loslassen, damit sie ein Cocon um sich spinnen könne. Jst dieses auch fertig, so streift sie ihre Haut ab und wird zu einer Puppe, welche sämmtliche Theile der künftigen Hornisse deutlich erkennen läßt, wie dies bei allen Aderflüglern der Fall ist. Nach abermals vierzehn Tagen kommt die junge Hornissen- arbeiterin zum Vorschein, welche mithin Alles in Allem vier Wochen zu ihrer Ausbildung bedarf. Sobald sie den ersten Schreck über das vollkommen Ungewohnte ihrer Lage überwunden, putzt sie sich Fühler und Beine, kriecht dann zurück in ihre Wiege, um sie vollkommen zu säubern und zur Aufnahme eines zweiten Eies vorzubereiten. Welch Muster von Ordnungssinn und Sauber- keit, nicht angelernt, sondern angeboren! Findet sie schon Schwestern vor, so nimmt sie der ersten besten, welche mit Futter ankommt, ein Stückchen ab, verfüttert es, und nachdem sie zwei Tage in dieser Weise sich häuslichen Geschäften widmete, fliegt sie, wie die übrigen, aus, geht auf die Jagd, bringt Baumaterial und vergißt nicht, auch für ihre eigene Erhaltung Sorge zu tragen. Bald reicht die erste Bruttafel nicht mehr aus, man führt ein Säulchen auf, fängt die zweite in einem Zwischenraume von etwa einer Zellenlänge an, vermehrt nach Bedürfniß die Pfeiler, welche keine bestimmte Stelle einnehmen, aber um so zahlreicher werden, je größer der Wabenboden wird. Je nach der Witterung, ob dem Bau und dem Jagen auf Futter günstig oder nicht, wächst das Nest schnell oder langsam. Jch maß eins, welches in seinem untern Theil der Hülle zerbrochen war, fünf Etagen von Waben über einander hatte, und brachte bis zur letzten von oben herab einen, am Grunde von einer Wand der Hülle zur entgegengesetzten anderthalb Fuß heraus. Jm Herbst, von der zweiten Hälfte des September, besonders aber im Anfange des Oktober, werden nun Die Hantflügler. Faltenwespen. Geſellige Wespen. ſollte, ſie wickele ein Band von einem Knaule ab und lege es zu dem bereits Vorhandenen.Gleichmäßig mit Vermehrung der Zellen wächſt die ſie umgebende Hülle durch ſchraubenartig fortſchreitenden Anſatz, welcher zuletzt eine blättrige, von flachen Blaſenräumen durchſetzte, ziemlich bröckliche Schale bildet. Jſt eine kleine Anzahl von Zellen fertig, ſo beginnt das Eier- legen. Wie die königliche Honigbiene, ſo ſteckt die beſorgte Horniſſenmutter erſt den Kopf in jede Zelle, betaſtet ſie inwendig mit ihren Fühlern, dreht ſich um, ſchiebt den Hinterleib hinein, und wenn ſie nach acht bis zehn Minuten wieder herausgekommen iſt, kann man hinten am Boden das Ei kleben ſehen. Fünf Tage ſpäter kriecht die Larve aus und findet einen Vorrath von Futter. Jch erhielt ein ſehr lehrreiches Stück eines Horniſſenneſtes mit vertrockneten Larven in offenen und verſponnenen Zellen, ſowie in letzteren auch entwickelte Junge. Jm Grunde der erſten lag eine ſchwarze, wurſtförmige Maſſe, welche ſich in Pulver zerreiben ließ, zweifelsohne der ein- getrocknete Futterbrei, welcher aus klar gekauten Jnſektenleibern, Bienen ꝛc. beſteht, auch mit Honig vermiſcht wird, wenn ſolcher zu haben iſt. Von oben fällt die Horniſſe wie die Wespe über die auserſehene Beute her, wirſt ſie zu Boden, bricht ihr Beine und Flügel ab, ſetzt ſich dann mit ihr auf den Zweig eines benachbarten Baumes, kaut den Theil, welchen ſie eintragen will, gründlich durch und trägt ihn nach vollendeter Arbeit zwiſchen den Freßzangen nach Hauſe. Hier angelangt, ſetzt ſie ſich auf die Wabe, nimmt das Futter, wie das Baumaterial zwiſchen die vorderſten Kniee, knetet es nochmals durch, beißt Stückchen los und legt ſie den ſchon größeren Larven auf den Mund, der Reihe nach jeder ein Stückchen, bis ſie Alles vertheilt hat. Dieſe Art, die erwachſenen Larven zu füttern, gibt der Pfarrer Müller an, welcher in ſeinem Bienen- ſtande einſt Gelegenheit hatte, ein ſolches Neſt entſtehen zu ſehen; ſo lange die Larven noch klein waren, konnte er die Art der Verſorgung nicht beobachten; er ſelbſt reichte ihnen auf einem Stäbchen dicken Honig, welchen ſie mit derſelben Gier verzehrten, wie das von der Mutter gereichte Futter. Wenn die Made am neunten Tage ihres Alters erwachſen iſt, füllt ſie nicht nur die Zelle ganz aus, ſondern ragt ſogar ein Stückchen aus ihr hervor, darum hat der Deckel, mit welchem ſie ſelbſt ihre Klauſe zuſpinnt, eine vollkommen halbkugelige Geſtalt. Daß er aus einem Geſpinnſt und nicht aus der Zellenmaſſe beſteht, habe ich an meinem inſtructiven Neſt- ſtückchen ſehr deutlich wahrgenommen. Jetzt erſt, nachdem die Zelle geſchloſſen iſt, darf die Made wagen, hinten von ihr loszulaſſen, jetzt kann ſie nicht mehr herausfallen, und muß loslaſſen, damit ſie ein Cocon um ſich ſpinnen könne. Jſt dieſes auch fertig, ſo ſtreift ſie ihre Haut ab und wird zu einer Puppe, welche ſämmtliche Theile der künftigen Horniſſe deutlich erkennen läßt, wie dies bei allen Aderflüglern der Fall iſt. Nach abermals vierzehn Tagen kommt die junge Horniſſen- arbeiterin zum Vorſchein, welche mithin Alles in Allem vier Wochen zu ihrer Ausbildung bedarf. Sobald ſie den erſten Schreck über das vollkommen Ungewohnte ihrer Lage überwunden, putzt ſie ſich Fühler und Beine, kriecht dann zurück in ihre Wiege, um ſie vollkommen zu ſäubern und zur Aufnahme eines zweiten Eies vorzubereiten. Welch Muſter von Ordnungsſinn und Sauber- keit, nicht angelernt, ſondern angeboren! Findet ſie ſchon Schweſtern vor, ſo nimmt ſie der erſten beſten, welche mit Futter ankommt, ein Stückchen ab, verfüttert es, und nachdem ſie zwei Tage in dieſer Weiſe ſich häuslichen Geſchäften widmete, fliegt ſie, wie die übrigen, aus, geht auf die Jagd, bringt Baumaterial und vergißt nicht, auch für ihre eigene Erhaltung Sorge zu tragen. Bald reicht die erſte Bruttafel nicht mehr aus, man führt ein Säulchen auf, fängt die zweite in einem Zwiſchenraume von etwa einer Zellenlänge an, vermehrt nach Bedürfniß die Pfeiler, welche keine beſtimmte Stelle einnehmen, aber um ſo zahlreicher werden, je größer der Wabenboden wird. Je nach der Witterung, ob dem Bau und dem Jagen auf Futter günſtig oder nicht, wächſt das Neſt ſchnell oder langſam. Jch maß eins, welches in ſeinem untern Theil der Hülle zerbrochen war, fünf Etagen von Waben über einander hatte, und brachte bis zur letzten von oben herab einen, am Grunde von einer Wand der Hülle zur entgegengeſetzten anderthalb Fuß heraus. 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Die Hantflügler. Faltenwespen. Geſellige Wespen.
ſollte, ſie wickele ein Band von einem Knaule ab und lege es zu dem bereits Vorhandenen.
Gleichmäßig mit Vermehrung der Zellen wächſt die ſie umgebende Hülle durch ſchraubenartig
fortſchreitenden Anſatz, welcher zuletzt eine blättrige, von flachen Blaſenräumen durchſetzte,
ziemlich bröckliche Schale bildet. Jſt eine kleine Anzahl von Zellen fertig, ſo beginnt das Eier-
legen. Wie die königliche Honigbiene, ſo ſteckt die beſorgte Horniſſenmutter erſt den Kopf in jede
Zelle, betaſtet ſie inwendig mit ihren Fühlern, dreht ſich um, ſchiebt den Hinterleib hinein, und
wenn ſie nach acht bis zehn Minuten wieder herausgekommen iſt, kann man hinten am Boden
das Ei kleben ſehen. Fünf Tage ſpäter kriecht die Larve aus und findet einen Vorrath von Futter.
Jch erhielt ein ſehr lehrreiches Stück eines Horniſſenneſtes mit vertrockneten Larven in offenen
und verſponnenen Zellen, ſowie in letzteren auch entwickelte Junge. Jm Grunde der erſten lag
eine ſchwarze, wurſtförmige Maſſe, welche ſich in Pulver zerreiben ließ, zweifelsohne der ein-
getrocknete Futterbrei, welcher aus klar gekauten Jnſektenleibern, Bienen ꝛc. beſteht, auch mit
Honig vermiſcht wird, wenn ſolcher zu haben iſt. Von oben fällt die Horniſſe wie die Wespe
über die auserſehene Beute her, wirſt ſie zu Boden, bricht ihr Beine und Flügel ab, ſetzt ſich
dann mit ihr auf den Zweig eines benachbarten Baumes, kaut den Theil, welchen ſie eintragen
will, gründlich durch und trägt ihn nach vollendeter Arbeit zwiſchen den Freßzangen nach Hauſe.
Hier angelangt, ſetzt ſie ſich auf die Wabe, nimmt das Futter, wie das Baumaterial zwiſchen
die vorderſten Kniee, knetet es nochmals durch, beißt Stückchen los und legt ſie den ſchon größeren
Larven auf den Mund, der Reihe nach jeder ein Stückchen, bis ſie Alles vertheilt hat. Dieſe
Art, die erwachſenen Larven zu füttern, gibt der Pfarrer Müller an, welcher in ſeinem Bienen-
ſtande einſt Gelegenheit hatte, ein ſolches Neſt entſtehen zu ſehen; ſo lange die Larven noch klein
waren, konnte er die Art der Verſorgung nicht beobachten; er ſelbſt reichte ihnen auf einem
Stäbchen dicken Honig, welchen ſie mit derſelben Gier verzehrten, wie das von der Mutter
gereichte Futter. Wenn die Made am neunten Tage ihres Alters erwachſen iſt, füllt ſie nicht
nur die Zelle ganz aus, ſondern ragt ſogar ein Stückchen aus ihr hervor, darum hat der Deckel,
mit welchem ſie ſelbſt ihre Klauſe zuſpinnt, eine vollkommen halbkugelige Geſtalt. Daß er aus
einem Geſpinnſt und nicht aus der Zellenmaſſe beſteht, habe ich an meinem inſtructiven Neſt-
ſtückchen ſehr deutlich wahrgenommen. Jetzt erſt, nachdem die Zelle geſchloſſen iſt, darf die Made
wagen, hinten von ihr loszulaſſen, jetzt kann ſie nicht mehr herausfallen, und muß loslaſſen,
damit ſie ein Cocon um ſich ſpinnen könne. Jſt dieſes auch fertig, ſo ſtreift ſie ihre Haut ab und
wird zu einer Puppe, welche ſämmtliche Theile der künftigen Horniſſe deutlich erkennen läßt, wie
dies bei allen Aderflüglern der Fall iſt. Nach abermals vierzehn Tagen kommt die junge Horniſſen-
arbeiterin zum Vorſchein, welche mithin Alles in Allem vier Wochen zu ihrer Ausbildung bedarf.
Sobald ſie den erſten Schreck über das vollkommen Ungewohnte ihrer Lage überwunden, putzt ſie
ſich Fühler und Beine, kriecht dann zurück in ihre Wiege, um ſie vollkommen zu ſäubern und
zur Aufnahme eines zweiten Eies vorzubereiten. Welch Muſter von Ordnungsſinn und Sauber-
keit, nicht angelernt, ſondern angeboren! Findet ſie ſchon Schweſtern vor, ſo nimmt ſie der erſten
beſten, welche mit Futter ankommt, ein Stückchen ab, verfüttert es, und nachdem ſie zwei Tage
in dieſer Weiſe ſich häuslichen Geſchäften widmete, fliegt ſie, wie die übrigen, aus, geht auf die
Jagd, bringt Baumaterial und vergißt nicht, auch für ihre eigene Erhaltung Sorge zu tragen.
Bald reicht die erſte Bruttafel nicht mehr aus, man führt ein Säulchen auf, fängt die zweite
in einem Zwiſchenraume von etwa einer Zellenlänge an, vermehrt nach Bedürfniß die Pfeiler, welche
keine beſtimmte Stelle einnehmen, aber um ſo zahlreicher werden, je größer der Wabenboden wird.
Je nach der Witterung, ob dem Bau und dem Jagen auf Futter günſtig oder nicht, wächſt das Neſt
ſchnell oder langſam. Jch maß eins, welches in ſeinem untern Theil der Hülle zerbrochen war,
fünf Etagen von Waben über einander hatte, und brachte bis zur letzten von oben herab einen,
am Grunde von einer Wand der Hülle zur entgegengeſetzten anderthalb Fuß heraus. Jm Herbſt,
von der zweiten Hälfte des September, beſonders aber im Anfange des Oktober, werden nun
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