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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Die Hautflügler. Blumenwespen.
kammern, gleichfalls gedeckelt, und die leeren Brutzellen. Nicht selten enthalten Zellen zur untern
Hälfte Bienenbrod, zur obern Honig, wie der Zeidler zu seinem Verdrusse bemerkt, wenn er zur
Zeit der Stachelbeerblüthe den "Honig schneidet", d. h. seine Ernte hält. Auf den Brutzellen
sitzen die Bienen so dicht zusammengedrängt, wie es eben gehen will, in ihrer Winterruhe. Wie
warmblütige Thiere sich wärmen durch dichtes Nebeneinanderliegen, so erhöhen auch Jnsekten durch
ihr massenhaftes Aufeinanderhocken die Temperatur, und darum erstarrt die Biene nicht, wie ein
einzeln im Freien überwinterndes Jnsekt. Sie bedarf daher der Nahrung, mit welcher sie sich
versorgte. Der Winter muß schon hart sein und die Kälte dauernd anhalten, wenn im Stocke die
Temperatur auf längere Zeit unter 8° R. herabsinken soll, dieser Wärmegrad in freier Luft
verlockt sie aber noch zum Ausfliegen; ja man sieht an sonnigen Wintertagen, die nicht diesen
Wärmegrad erreichen, einzelne Bienen in eiligem Fluge aus dem Stocke kommen, um Wasser
einzunehmen oder sich zu entleeren. Jn Folge ihrer großen Reinlichkeit gibt die Biene ihren
Unrath niemals im Stocke von sich, sondern im Freien. Sollte sie wegen der Kälte ihn zu lange
bei sich behalten müssen oder verdorbenen Honig, der nicht gedeckelt war, genießen, so wird sie
krank, beschmuzt ihre Wohnung, und der ganze Stock geht in der Regel zu Grunde. Wenn der
Winter einen mäßigen Verlauf nimmt, ruht auch die Arbeit nicht, und sollten nur die Vorräthe
aus den hintersten Räumen nach jenen mehr in der Mitte des Baues liegenden gepackt werden,
wo sie aufgezehrt sind. Uebrigens fängt die Königin meist schon Mitte Februar an, Eier zu
legen und zwar in einem kleinen Zellenkreise inmitten des Winterlagers.

Erst im April (oder März) werden die Bienen allmälig alle durch die wärmenden Sonnen-
strahlen aus dem Winterquartiere gelockt. Durch hochtönendes Freudengesumme und kreisendes
Umherschwärmen geben sie ihr Wohlbefinden zu erkennen, wenn sie zum ersten Male ihrer engen
Haft entlassen sind und im Strahle der jungen Sonne ihre Freiheit genießen können. Das erste
Geschäft ist die Entleerung. Wenn es sich dann zufällig trifft, daß eine Hausfrau weiße
Wäsche in der Nähe zum Trocknen aufhing, so wird diese sehr bald zum Leidwesen der Besitzerin
mit einem braunpunktirten Buntdrucke bemalt sein; denn die Bienen, wie andere umherfliegende
Jnsekten, lieben es, sich an helle Gegenstände anzusetzen. Hierauf geht es an ein Fegen und
Ausputzen im Jnnern der Wohnung, als wenn ein großes Fest in Aussicht stände. Die Leichen
der abgestorbenen Schwestern, deren es immer gibt, werden hinaus geschafft, Beschädigungen an
den Waben, durch das ewige Bekrabbeln nicht immer zu vermeiden, werden ausgebessert; die meiste
Arbeit macht aber das Zusammenlesen und Fortschaffen der Hunderte von Wachsdeckeln, die auf dem
Voden umherliegen, sowie sie beim Oessnen jedes einzelnen Honigtöpschens herabfielen. Die Ausflüge
beginnen, so weit es die Witterung erlaubt; denn die Kätzchen der Haselnüsse, die gelben Blüthen-
knäulchen der Corneliuskirsche, Crocus, Märzblümchen, Kaiserkronen, Schneeglöckchen und immer
mehr und mehr liebliche Töchter Floras fordern heraus zum süßen Kusse. Jn der altgewohnten,
von uns kennen gelernten Weise geht es aber nicht mehr lange fort. Vorausgesetzt, daß das Volk
nicht zu schwach in den Winter kam und durch diesen nicht allzusehr gelitten hat, wird es nun
zu groß, der Raum wird ihm zu eng, es muß Vorbereitungen treffen, um eine Colonie aussenden
zu können.

Mit einem Male entsteht eine neue Art von Zellen, den gewöhnlichen gleich an Form und
Lage, aber größer dem Volum nach. Hier hinein legt die Königin genau in der früher angegebenen
Weise je ein Ei. Die Arbeiter versehen die Zelle mit Futterbrei und versorgen die junge Larve
bis zum sechsten oder siebenten Tage ihrer Vollwüchsigkeit, deckeln die Zelle und bebrüten sie.
Alles so, wie wir es bereits kennen lernten. Am vierundzwanzigsten Tage, nachdem das Ei
gelegt wurde, öffnet sich der Deckel, aber dieses Mal geht eine Drohne daraus hervor. Sie ist
größer als eine Arbeitsbiene, darum bereiteten diese ihr auch eine größere Zelle. Die Königin
überzeugt sich bei ihrer Untersuchung derselben und fühlt es beim Einführen des Hinterleibes an
dem weiteren Raume, daß sie hier ein Drohnenei hineinzulegen hat. Dieses unterscheidet sich

Die Hautflügler. Blumenwespen.
kammern, gleichfalls gedeckelt, und die leeren Brutzellen. Nicht ſelten enthalten Zellen zur untern
Hälfte Bienenbrod, zur obern Honig, wie der Zeidler zu ſeinem Verdruſſe bemerkt, wenn er zur
Zeit der Stachelbeerblüthe den „Honig ſchneidet“, d. h. ſeine Ernte hält. Auf den Brutzellen
ſitzen die Bienen ſo dicht zuſammengedrängt, wie es eben gehen will, in ihrer Winterruhe. Wie
warmblütige Thiere ſich wärmen durch dichtes Nebeneinanderliegen, ſo erhöhen auch Jnſekten durch
ihr maſſenhaftes Aufeinanderhocken die Temperatur, und darum erſtarrt die Biene nicht, wie ein
einzeln im Freien überwinterndes Jnſekt. Sie bedarf daher der Nahrung, mit welcher ſie ſich
verſorgte. Der Winter muß ſchon hart ſein und die Kälte dauernd anhalten, wenn im Stocke die
Temperatur auf längere Zeit unter 8° R. herabſinken ſoll, dieſer Wärmegrad in freier Luft
verlockt ſie aber noch zum Ausfliegen; ja man ſieht an ſonnigen Wintertagen, die nicht dieſen
Wärmegrad erreichen, einzelne Bienen in eiligem Fluge aus dem Stocke kommen, um Waſſer
einzunehmen oder ſich zu entleeren. Jn Folge ihrer großen Reinlichkeit gibt die Biene ihren
Unrath niemals im Stocke von ſich, ſondern im Freien. Sollte ſie wegen der Kälte ihn zu lange
bei ſich behalten müſſen oder verdorbenen Honig, der nicht gedeckelt war, genießen, ſo wird ſie
krank, beſchmuzt ihre Wohnung, und der ganze Stock geht in der Regel zu Grunde. Wenn der
Winter einen mäßigen Verlauf nimmt, ruht auch die Arbeit nicht, und ſollten nur die Vorräthe
aus den hinterſten Räumen nach jenen mehr in der Mitte des Baues liegenden gepackt werden,
wo ſie aufgezehrt ſind. Uebrigens fängt die Königin meiſt ſchon Mitte Februar an, Eier zu
legen und zwar in einem kleinen Zellenkreiſe inmitten des Winterlagers.

Erſt im April (oder März) werden die Bienen allmälig alle durch die wärmenden Sonnen-
ſtrahlen aus dem Winterquartiere gelockt. Durch hochtönendes Freudengeſumme und kreiſendes
Umherſchwärmen geben ſie ihr Wohlbefinden zu erkennen, wenn ſie zum erſten Male ihrer engen
Haft entlaſſen ſind und im Strahle der jungen Sonne ihre Freiheit genießen können. Das erſte
Geſchäft iſt die Entleerung. Wenn es ſich dann zufällig trifft, daß eine Hausfrau weiße
Wäſche in der Nähe zum Trocknen aufhing, ſo wird dieſe ſehr bald zum Leidweſen der Beſitzerin
mit einem braunpunktirten Buntdrucke bemalt ſein; denn die Bienen, wie andere umherfliegende
Jnſekten, lieben es, ſich an helle Gegenſtände anzuſetzen. Hierauf geht es an ein Fegen und
Ausputzen im Jnnern der Wohnung, als wenn ein großes Feſt in Ausſicht ſtände. Die Leichen
der abgeſtorbenen Schweſtern, deren es immer gibt, werden hinaus geſchafft, Beſchädigungen an
den Waben, durch das ewige Bekrabbeln nicht immer zu vermeiden, werden ausgebeſſert; die meiſte
Arbeit macht aber das Zuſammenleſen und Fortſchaffen der Hunderte von Wachsdeckeln, die auf dem
Voden umherliegen, ſowie ſie beim Oeſſnen jedes einzelnen Honigtöpſchens herabfielen. Die Ausflüge
beginnen, ſo weit es die Witterung erlaubt; denn die Kätzchen der Haſelnüſſe, die gelben Blüthen-
knäulchen der Corneliuskirſche, Crocus, Märzblümchen, Kaiſerkronen, Schneeglöckchen und immer
mehr und mehr liebliche Töchter Floras fordern heraus zum ſüßen Kuſſe. Jn der altgewohnten,
von uns kennen gelernten Weiſe geht es aber nicht mehr lange fort. Vorausgeſetzt, daß das Volk
nicht zu ſchwach in den Winter kam und durch dieſen nicht allzuſehr gelitten hat, wird es nun
zu groß, der Raum wird ihm zu eng, es muß Vorbereitungen treffen, um eine Colonie ausſenden
zu können.

Mit einem Male entſteht eine neue Art von Zellen, den gewöhnlichen gleich an Form und
Lage, aber größer dem Volum nach. Hier hinein legt die Königin genau in der früher angegebenen
Weiſe je ein Ei. Die Arbeiter verſehen die Zelle mit Futterbrei und verſorgen die junge Larve
bis zum ſechſten oder ſiebenten Tage ihrer Vollwüchſigkeit, deckeln die Zelle und bebrüten ſie.
Alles ſo, wie wir es bereits kennen lernten. Am vierundzwanzigſten Tage, nachdem das Ei
gelegt wurde, öffnet ſich der Deckel, aber dieſes Mal geht eine Drohne daraus hervor. Sie iſt
größer als eine Arbeitsbiene, darum bereiteten dieſe ihr auch eine größere Zelle. Die Königin
überzeugt ſich bei ihrer Unterſuchung derſelben und fühlt es beim Einführen des Hinterleibes an
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[174/0194] Die Hautflügler. Blumenwespen. kammern, gleichfalls gedeckelt, und die leeren Brutzellen. Nicht ſelten enthalten Zellen zur untern Hälfte Bienenbrod, zur obern Honig, wie der Zeidler zu ſeinem Verdruſſe bemerkt, wenn er zur Zeit der Stachelbeerblüthe den „Honig ſchneidet“, d. h. ſeine Ernte hält. Auf den Brutzellen ſitzen die Bienen ſo dicht zuſammengedrängt, wie es eben gehen will, in ihrer Winterruhe. Wie warmblütige Thiere ſich wärmen durch dichtes Nebeneinanderliegen, ſo erhöhen auch Jnſekten durch ihr maſſenhaftes Aufeinanderhocken die Temperatur, und darum erſtarrt die Biene nicht, wie ein einzeln im Freien überwinterndes Jnſekt. Sie bedarf daher der Nahrung, mit welcher ſie ſich verſorgte. Der Winter muß ſchon hart ſein und die Kälte dauernd anhalten, wenn im Stocke die Temperatur auf längere Zeit unter 8° R. herabſinken ſoll, dieſer Wärmegrad in freier Luft verlockt ſie aber noch zum Ausfliegen; ja man ſieht an ſonnigen Wintertagen, die nicht dieſen Wärmegrad erreichen, einzelne Bienen in eiligem Fluge aus dem Stocke kommen, um Waſſer einzunehmen oder ſich zu entleeren. Jn Folge ihrer großen Reinlichkeit gibt die Biene ihren Unrath niemals im Stocke von ſich, ſondern im Freien. Sollte ſie wegen der Kälte ihn zu lange bei ſich behalten müſſen oder verdorbenen Honig, der nicht gedeckelt war, genießen, ſo wird ſie krank, beſchmuzt ihre Wohnung, und der ganze Stock geht in der Regel zu Grunde. Wenn der Winter einen mäßigen Verlauf nimmt, ruht auch die Arbeit nicht, und ſollten nur die Vorräthe aus den hinterſten Räumen nach jenen mehr in der Mitte des Baues liegenden gepackt werden, wo ſie aufgezehrt ſind. Uebrigens fängt die Königin meiſt ſchon Mitte Februar an, Eier zu legen und zwar in einem kleinen Zellenkreiſe inmitten des Winterlagers. Erſt im April (oder März) werden die Bienen allmälig alle durch die wärmenden Sonnen- ſtrahlen aus dem Winterquartiere gelockt. Durch hochtönendes Freudengeſumme und kreiſendes Umherſchwärmen geben ſie ihr Wohlbefinden zu erkennen, wenn ſie zum erſten Male ihrer engen Haft entlaſſen ſind und im Strahle der jungen Sonne ihre Freiheit genießen können. Das erſte Geſchäft iſt die Entleerung. Wenn es ſich dann zufällig trifft, daß eine Hausfrau weiße Wäſche in der Nähe zum Trocknen aufhing, ſo wird dieſe ſehr bald zum Leidweſen der Beſitzerin mit einem braunpunktirten Buntdrucke bemalt ſein; denn die Bienen, wie andere umherfliegende Jnſekten, lieben es, ſich an helle Gegenſtände anzuſetzen. Hierauf geht es an ein Fegen und Ausputzen im Jnnern der Wohnung, als wenn ein großes Feſt in Ausſicht ſtände. Die Leichen der abgeſtorbenen Schweſtern, deren es immer gibt, werden hinaus geſchafft, Beſchädigungen an den Waben, durch das ewige Bekrabbeln nicht immer zu vermeiden, werden ausgebeſſert; die meiſte Arbeit macht aber das Zuſammenleſen und Fortſchaffen der Hunderte von Wachsdeckeln, die auf dem Voden umherliegen, ſowie ſie beim Oeſſnen jedes einzelnen Honigtöpſchens herabfielen. Die Ausflüge beginnen, ſo weit es die Witterung erlaubt; denn die Kätzchen der Haſelnüſſe, die gelben Blüthen- knäulchen der Corneliuskirſche, Crocus, Märzblümchen, Kaiſerkronen, Schneeglöckchen und immer mehr und mehr liebliche Töchter Floras fordern heraus zum ſüßen Kuſſe. Jn der altgewohnten, von uns kennen gelernten Weiſe geht es aber nicht mehr lange fort. Vorausgeſetzt, daß das Volk nicht zu ſchwach in den Winter kam und durch dieſen nicht allzuſehr gelitten hat, wird es nun zu groß, der Raum wird ihm zu eng, es muß Vorbereitungen treffen, um eine Colonie ausſenden zu können. Mit einem Male entſteht eine neue Art von Zellen, den gewöhnlichen gleich an Form und Lage, aber größer dem Volum nach. Hier hinein legt die Königin genau in der früher angegebenen Weiſe je ein Ei. Die Arbeiter verſehen die Zelle mit Futterbrei und verſorgen die junge Larve bis zum ſechſten oder ſiebenten Tage ihrer Vollwüchſigkeit, deckeln die Zelle und bebrüten ſie. Alles ſo, wie wir es bereits kennen lernten. Am vierundzwanzigſten Tage, nachdem das Ei gelegt wurde, öffnet ſich der Deckel, aber dieſes Mal geht eine Drohne daraus hervor. Sie iſt größer als eine Arbeitsbiene, darum bereiteten dieſe ihr auch eine größere Zelle. Die Königin überzeugt ſich bei ihrer Unterſuchung derſelben und fühlt es beim Einführen des Hinterleibes an dem weiteren Raume, daß ſie hier ein Drohnenei hineinzulegen hat. Dieſes unterſcheidet ſich

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/194>, abgerufen am 23.11.2024.