nämlich von den bisher gelegten Eiern wesentlich dadurch, daß es nicht befruchtet ist. Am Ausgange des innern Eileiters befinden sich, wie früher erwähnt wurde, beiderseits die Samen- taschen bei allen weiblichen Jnsekten, welche bei der Paarung vom Männchen mit Sperma gefüllt werden. Jedes Ei muß daselbst vorbei, wenn es gelegt wird, und erhält die Befruchtung. Die Bienenkönigin hat es nun in ihrer Gewalt, ein Ei zu befruchten, ein anderes nicht; das letztere thut sie mit allen denen, welche in die geräumigen Drohnenzellen abgesetzt werden. Eine wunder- bare Thatsache, welche Dzierzon zuerst entschieden aussprach und von Siebold wissenschaftlich begründete.
Die Zustände im Stocke werden immer verwickelter. Meist an den Rändern der Waben entsteht, wenn sich die Drohnen zu mehren beginnen, eine dritte Art von Zellen, ihrer zwei bis drei in der Regel, die Zahl kann aber auch das Doppelte und Dreifache dieser überschreiten. Dieselben stehen senkrecht, sind cylindrisch und mit größerem Aufwand von Baumaterial, auch in größeren Dimensionen als die Drohnenzellen angelegt. Jn diese legt die Königin auch ein Ei, die Einen meinen, mit einem gewissen Widerstreben, welches wieder Andere nicht zugeben wollen. Die Zelle wird mit besserem Futter versehen, nach gleicher Frist, wie die übrigen, gedeckelt, aber mit einem gewölbten Deckel, so daß eine geschlossene Zelle Aehnlichkeit mit einem Cocon gewisser Schmetterlingspuppen hat, und mit mehr Energie "bebrütet", als die anderen. Die angeführten Unterschiede: andere Lage und Form der Zelle, besseres Futter, erhöhtere Temperatur bewirken auch einen Unterschied in der Entwickelung der Larve im Jnnern, welche nach siebenzehn Tagen unserer Rechnungsweise ein fruchtbares Weibchen ist. Würde man es frei lassen aus seiner Zelle, und die Königin wäre noch vorhanden, so gäbe es einen Kampf auf Leben und Tod, da zwei fruchtbare Weibchen nun einmal nicht neben einander in derselben Wohnung sein können. Das wissen seine Beschützerinnen, und darum lassen sie es noch nicht heraus; wenigstens können wir diese Voraussetzung machen, wenn sie auch nicht in jedem Falle zutrifft. Es kann seinen Unmuth nicht verbergen und läßt einen tütenden Ton vernehmen. Möglich, daß auch schon von einer zweiten königlichen Zelle her derselbe Ton gehört wird. Die alte Königin, sobald sie dieses Signal hört, weiß, daß ihr eine Nebenbuhlerin erstanden ist. Sie kann ihre Unruhe nicht ver- bergen. Die Arbeiter fühlen gleichfalls, daß ein bedeutendes Ereigniß bevorsteht. Die Unruhe ist gegenseitig und steigert sich gegenseitig. Das wilde Durcheinanderlaufen der vielen Tausende im Stocke -- im Bewußtsein der Dinge, die da kommen werden, flogen nur Wenige aus -- erzeugt in der überfüllten Wohnung eine unerträgliche Hitze. Ein Theil lagert oder hängt in großen Trauben, stark brausend, vor dem Flugloche, was der Bienenwirth "Vorliegen" nennt. Die wenigen Bienen, welche heute beladen zurückkehren, eilen meist nicht, wie gewöhnlich, in das Jnnere, um sich ihrer Bürde zu entladen, sondern gesellen sich zu den vorliegenden Bienen. Jm Jnnern wird es immer unruhiger, ein Sausen und Brausen, ein Krabbeln durch und über einander, jede Ordnung scheint aufgehört zu haben. Jetzt stürzt, kopfüber, kopfunter, wie ein Wasserstrahl, der gewaltsam aus einer engen Oeffnung herausgepreßt wird, ein Schwarm von 10 bis 15 tausend Bienen, die Königin unter ihnen, hervor, erfüllt wie Schneeflocken bei dem dichtesten Falle die Luft, oder gleicht einer die Sonne verfinsternden Wolke. Beim Hin- und Herschwanken gibt er einen eigenthümlichen, weithin hörbaren, frendigen Ton, den Schwarm- gesang, von sich. Wohl zehn Minuten dauert dieses Schauspiel, dann macht es einem andern Platz. Am Aste eines nahen Baumes oder an einem Stück Borke, welches der Vienenwirth zu diesem Zwecke an einer Stange aufftellte, oder sonst wo bildet sich zuerst ein dichter, faustgroßer Haufen von Bienen, denen sich mehr und mehr zugesellen, bis sie sich zuletzt alle in eine schwarze, herabhängende "Traube" zusammengezogen haben, ihre Königin mitten darunter. Dies ist der Haupt- oder Vorschwarm, der, wie alle anderen etwa noch folgenden "Nachschwärme", nur an schönen Tagen, meist um die Mittagsstunden unternommen wird und nicht weit geht, weil die von Eiern erfüllte Königin zu schwerfällig ist. Der Zeidler, schon vorher durch die mancherlei Anzeigen
Honigbiene.
nämlich von den bisher gelegten Eiern weſentlich dadurch, daß es nicht befruchtet iſt. Am Ausgange des innern Eileiters befinden ſich, wie früher erwähnt wurde, beiderſeits die Samen- taſchen bei allen weiblichen Jnſekten, welche bei der Paarung vom Männchen mit Sperma gefüllt werden. Jedes Ei muß daſelbſt vorbei, wenn es gelegt wird, und erhält die Befruchtung. Die Bienenkönigin hat es nun in ihrer Gewalt, ein Ei zu befruchten, ein anderes nicht; das letztere thut ſie mit allen denen, welche in die geräumigen Drohnenzellen abgeſetzt werden. Eine wunder- bare Thatſache, welche Dzierzon zuerſt entſchieden ausſprach und von Siebold wiſſenſchaftlich begründete.
Die Zuſtände im Stocke werden immer verwickelter. Meiſt an den Rändern der Waben entſteht, wenn ſich die Drohnen zu mehren beginnen, eine dritte Art von Zellen, ihrer zwei bis drei in der Regel, die Zahl kann aber auch das Doppelte und Dreifache dieſer überſchreiten. Dieſelben ſtehen ſenkrecht, ſind cylindriſch und mit größerem Aufwand von Baumaterial, auch in größeren Dimenſionen als die Drohnenzellen angelegt. Jn dieſe legt die Königin auch ein Ei, die Einen meinen, mit einem gewiſſen Widerſtreben, welches wieder Andere nicht zugeben wollen. Die Zelle wird mit beſſerem Futter verſehen, nach gleicher Friſt, wie die übrigen, gedeckelt, aber mit einem gewölbten Deckel, ſo daß eine geſchloſſene Zelle Aehnlichkeit mit einem Cocon gewiſſer Schmetterlingspuppen hat, und mit mehr Energie „bebrütet“, als die anderen. Die angeführten Unterſchiede: andere Lage und Form der Zelle, beſſeres Futter, erhöhtere Temperatur bewirken auch einen Unterſchied in der Entwickelung der Larve im Jnnern, welche nach ſiebenzehn Tagen unſerer Rechnungsweiſe ein fruchtbares Weibchen iſt. Würde man es frei laſſen aus ſeiner Zelle, und die Königin wäre noch vorhanden, ſo gäbe es einen Kampf auf Leben und Tod, da zwei fruchtbare Weibchen nun einmal nicht neben einander in derſelben Wohnung ſein können. Das wiſſen ſeine Beſchützerinnen, und darum laſſen ſie es noch nicht heraus; wenigſtens können wir dieſe Vorausſetzung machen, wenn ſie auch nicht in jedem Falle zutrifft. Es kann ſeinen Unmuth nicht verbergen und läßt einen tütenden Ton vernehmen. Möglich, daß auch ſchon von einer zweiten königlichen Zelle her derſelbe Ton gehört wird. Die alte Königin, ſobald ſie dieſes Signal hört, weiß, daß ihr eine Nebenbuhlerin erſtanden iſt. Sie kann ihre Unruhe nicht ver- bergen. Die Arbeiter fühlen gleichfalls, daß ein bedeutendes Ereigniß bevorſteht. Die Unruhe iſt gegenſeitig und ſteigert ſich gegenſeitig. Das wilde Durcheinanderlaufen der vielen Tauſende im Stocke — im Bewußtſein der Dinge, die da kommen werden, flogen nur Wenige aus — erzeugt in der überfüllten Wohnung eine unerträgliche Hitze. Ein Theil lagert oder hängt in großen Trauben, ſtark brauſend, vor dem Flugloche, was der Bienenwirth „Vorliegen“ nennt. Die wenigen Bienen, welche heute beladen zurückkehren, eilen meiſt nicht, wie gewöhnlich, in das Jnnere, um ſich ihrer Bürde zu entladen, ſondern geſellen ſich zu den vorliegenden Bienen. Jm Jnnern wird es immer unruhiger, ein Sauſen und Brauſen, ein Krabbeln durch und über einander, jede Ordnung ſcheint aufgehört zu haben. Jetzt ſtürzt, kopfüber, kopfunter, wie ein Waſſerſtrahl, der gewaltſam aus einer engen Oeffnung herausgepreßt wird, ein Schwarm von 10 bis 15 tauſend Bienen, die Königin unter ihnen, hervor, erfüllt wie Schneeflocken bei dem dichteſten Falle die Luft, oder gleicht einer die Sonne verfinſternden Wolke. Beim Hin- und Herſchwanken gibt er einen eigenthümlichen, weithin hörbaren, frendigen Ton, den Schwarm- geſang, von ſich. Wohl zehn Minuten dauert dieſes Schauſpiel, dann macht es einem andern Platz. Am Aſte eines nahen Baumes oder an einem Stück Borke, welches der Vienenwirth zu dieſem Zwecke an einer Stange aufftellte, oder ſonſt wo bildet ſich zuerſt ein dichter, fauſtgroßer Haufen von Bienen, denen ſich mehr und mehr zugeſellen, bis ſie ſich zuletzt alle in eine ſchwarze, herabhängende „Traube“ zuſammengezogen haben, ihre Königin mitten darunter. Dies iſt der Haupt- oder Vorſchwarm, der, wie alle anderen etwa noch folgenden „Nachſchwärme“, nur an ſchönen Tagen, meiſt um die Mittagsſtunden unternommen wird und nicht weit geht, weil die von Eiern erfüllte Königin zu ſchwerfällig iſt. Der Zeidler, ſchon vorher durch die mancherlei Anzeigen
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Honigbiene.
nämlich von den bisher gelegten Eiern weſentlich dadurch, daß es nicht befruchtet iſt. Am
Ausgange des innern Eileiters befinden ſich, wie früher erwähnt wurde, beiderſeits die Samen-
taſchen bei allen weiblichen Jnſekten, welche bei der Paarung vom Männchen mit Sperma gefüllt
werden. Jedes Ei muß daſelbſt vorbei, wenn es gelegt wird, und erhält die Befruchtung. Die
Bienenkönigin hat es nun in ihrer Gewalt, ein Ei zu befruchten, ein anderes nicht; das letztere
thut ſie mit allen denen, welche in die geräumigen Drohnenzellen abgeſetzt werden. Eine wunder-
bare Thatſache, welche Dzierzon zuerſt entſchieden ausſprach und von Siebold wiſſenſchaftlich
begründete.
Die Zuſtände im Stocke werden immer verwickelter. Meiſt an den Rändern der Waben
entſteht, wenn ſich die Drohnen zu mehren beginnen, eine dritte Art von Zellen, ihrer zwei bis
drei in der Regel, die Zahl kann aber auch das Doppelte und Dreifache dieſer überſchreiten.
Dieſelben ſtehen ſenkrecht, ſind cylindriſch und mit größerem Aufwand von Baumaterial, auch
in größeren Dimenſionen als die Drohnenzellen angelegt. Jn dieſe legt die Königin auch ein Ei,
die Einen meinen, mit einem gewiſſen Widerſtreben, welches wieder Andere nicht zugeben wollen.
Die Zelle wird mit beſſerem Futter verſehen, nach gleicher Friſt, wie die übrigen, gedeckelt, aber
mit einem gewölbten Deckel, ſo daß eine geſchloſſene Zelle Aehnlichkeit mit einem Cocon gewiſſer
Schmetterlingspuppen hat, und mit mehr Energie „bebrütet“, als die anderen. Die angeführten
Unterſchiede: andere Lage und Form der Zelle, beſſeres Futter, erhöhtere Temperatur bewirken
auch einen Unterſchied in der Entwickelung der Larve im Jnnern, welche nach ſiebenzehn
Tagen unſerer Rechnungsweiſe ein fruchtbares Weibchen iſt. Würde man es frei laſſen aus
ſeiner Zelle, und die Königin wäre noch vorhanden, ſo gäbe es einen Kampf auf Leben und Tod,
da zwei fruchtbare Weibchen nun einmal nicht neben einander in derſelben Wohnung ſein können.
Das wiſſen ſeine Beſchützerinnen, und darum laſſen ſie es noch nicht heraus; wenigſtens können
wir dieſe Vorausſetzung machen, wenn ſie auch nicht in jedem Falle zutrifft. Es kann ſeinen
Unmuth nicht verbergen und läßt einen tütenden Ton vernehmen. Möglich, daß auch ſchon von
einer zweiten königlichen Zelle her derſelbe Ton gehört wird. Die alte Königin, ſobald ſie dieſes
Signal hört, weiß, daß ihr eine Nebenbuhlerin erſtanden iſt. Sie kann ihre Unruhe nicht ver-
bergen. Die Arbeiter fühlen gleichfalls, daß ein bedeutendes Ereigniß bevorſteht. Die Unruhe
iſt gegenſeitig und ſteigert ſich gegenſeitig. Das wilde Durcheinanderlaufen der vielen Tauſende
im Stocke — im Bewußtſein der Dinge, die da kommen werden, flogen nur Wenige aus —
erzeugt in der überfüllten Wohnung eine unerträgliche Hitze. Ein Theil lagert oder hängt in
großen Trauben, ſtark brauſend, vor dem Flugloche, was der Bienenwirth „Vorliegen“ nennt.
Die wenigen Bienen, welche heute beladen zurückkehren, eilen meiſt nicht, wie gewöhnlich, in das
Jnnere, um ſich ihrer Bürde zu entladen, ſondern geſellen ſich zu den vorliegenden Bienen. Jm
Jnnern wird es immer unruhiger, ein Sauſen und Brauſen, ein Krabbeln durch und über
einander, jede Ordnung ſcheint aufgehört zu haben. Jetzt ſtürzt, kopfüber, kopfunter, wie ein
Waſſerſtrahl, der gewaltſam aus einer engen Oeffnung herausgepreßt wird, ein Schwarm von
10 bis 15 tauſend Bienen, die Königin unter ihnen, hervor, erfüllt wie Schneeflocken
bei dem dichteſten Falle die Luft, oder gleicht einer die Sonne verfinſternden Wolke. Beim Hin-
und Herſchwanken gibt er einen eigenthümlichen, weithin hörbaren, frendigen Ton, den Schwarm-
geſang, von ſich. Wohl zehn Minuten dauert dieſes Schauſpiel, dann macht es einem andern
Platz. Am Aſte eines nahen Baumes oder an einem Stück Borke, welches der Vienenwirth zu
dieſem Zwecke an einer Stange aufftellte, oder ſonſt wo bildet ſich zuerſt ein dichter, fauſtgroßer
Haufen von Bienen, denen ſich mehr und mehr zugeſellen, bis ſie ſich zuletzt alle in eine ſchwarze,
herabhängende „Traube“ zuſammengezogen haben, ihre Königin mitten darunter. Dies iſt der
Haupt- oder Vorſchwarm, der, wie alle anderen etwa noch folgenden „Nachſchwärme“, nur an
ſchönen Tagen, meiſt um die Mittagsſtunden unternommen wird und nicht weit geht, weil die von
Eiern erfüllte Königin zu ſchwerfällig iſt. Der Zeidler, ſchon vorher durch die mancherlei Anzeigen
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/195>, abgerufen am 23.11.2024.
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