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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Honigbiene.
die Wiesen. Jn dieser Weise wird es nun getrieben den ganzen Sommer hindurch, und nur an
unfreundlichen, regnerischen Tagen bleibt man zu Hause. Je honigreicher und günstiger ein Jahr
ist, desto fleißiger trägt das Volk ein. Es ist aber einig mit seiner Königin, liebkost sie, reicht
ihr reichlich Nahrung dar, wofür diese in Anerkennung des allgemeinen Wohlstandes, will sagen
bei gutem Futter, wohlthuender Wärme, auch ihrerseits fleißig Eier legt. Das Volk mehrt sich
von Tag zu Tag und mit ihm die Segen bringenden Arbeitskräfte.

Man möchte beinahe glauben, es ließe diese rege, beide Theile in so hohem Maße anspannende
Thätigkeit die Trägheit der Männchen in um so grellerem Lichte erscheinen und mehr und mehr
einen geheimen Groll gegen dieselben aufkommen. Jn Wirklichkeit aber ist es das Bewußtsein,
daß dieselben nun überflüssig seien, welches Ende Juli, Anfangs August die Drohnenschlachten
in Scene setzt. Zu dieser Zeit fallen die Bienen über die Männchen her, jagen sie im Stocke
herum, treiben sie in eine Ecke, in welcher sie dieselben vom Futter absperren, daß sie elendiglich
verhungern müssen; oder beißen sie, zerren sie an den Flügeln oder sonst wo zum Flugloche hinaus,
oder stechen sie in noch kürzerem Verfahren nieder. Eine eigenthümliche Erscheinung ist dabei die,
daß der Gebrauch der Waffe für den, welcher sie führt, nicht verderblich wird. Wir wissen, daß
jede Biene, die uns in das Fleisch sticht, in Folge der Widerhäkchen an ihrem Stachel denselben
ganz oder theilweise zurücklassen und sterben muß. Warum nicht auch, wenn sie ihn der Drohne
zwischen die Leibesringe einbohrt? Weil die Chitinmasse nicht die Wunde schließt, wie das elastische
Fleisch, sondern das verursachte Loch ein Loch bleibt, aus welchem die Widerhaken den Rückweg
finden. Ein Stock, welcher in der angegebenen Zeit seine Drohnen nicht abschlachtet, ist weisellos,
wie die Bienenväter sehr wohl in Erfahrung gebracht haben.

Nachdem die Leichen aus dem Baue entfernt sind, kehrt die alle Ordnung wieder zurück und
die friedliche Thätigkeit nimmt ihren Fortgang. Die beste Zeit, die "Trachtzeit", ist allerdings
vorüber, wenigstens für Gegenden, wo Haidekraut fehlt, die Ouellen fangen an sparsamer zu
fließen, und theilweise müssen schon die Vorräthe aus besseren Tagen in Anspruch genommen werden,
oder es regt sich Lust zu Räubereien. Wenn nämlich vor und nach der Trachtzeit die Ernte knapp
wird, so entwickeln manche Bienen eine besondere Anlage zum Stehlen. Sie suchen trotz der am
Eingange eines jeden Stockes aufgestellten Wachen in denselben einzudringen und die vollen
Waben, als wenn es Blumen wären, zu plündern. Gelingt es einer, zweien irgendwo einzu-
dringen, so bringt sie das nächste Mal mehr Kameraden mit, und die Räuberbande scheint organisirt
zu sein. Der schon erwähnte Besuch in den Zuckerfabriken ist im Grunde nichts Anderes, als ein
allgemeiner Raubzug. -- Auch die Brutzellen fangen an sich zu mindern, obschon bei günstigem
Wetter noch bis in den Oktober hinein Arbeiter geboren werden. Man darf nicht glauben, daß
jetzt am Ende der für das Ausfliegen geeigneten Zeit unser Volk viel stärker sein müsse, als
bei seiner Gründung am Johannistage, im Gegentheile, es kann bei ungünstigen Witterungsver-
hältnissen sogar zurückgegangen sein. Der Abgang an Drohnen kommt nicht in Betracht, wohl
aber die Menge der Arbeiter, die nach und nach umkommen, oder eines natürlichen Todes starben.
Das Leben einer Biene währt in der Haupttrachtzeit nur sechs Wochen. Man war
in dieser Hinsicht lange Zeit getheilter Ansicht und machte wohl von der längern Lebensfähigkeit
der weiblichen Biene einen Trugschluß auf die der Arbeiterin, bis die Einführung der italie-
nischen
Bienen in Deutschland jeden Zweifel beseitigte. Gibt man nämlich zu Anfang der
Trachtzeit, in welcher die Biene ihre größte Thätigkeit entwickelt und sich am stärksten abnutzt,
einem deutschen Volke eine befruchtete italienische Königin, so ist nach sechs Wochen bis auf
vereinzelte Jndividuen jenes verschwunden und durch ein Volk italienischer Bienen ersetzt, die man
an der rothen Hinterleibswurzel ohne Mühe von unserer nordischen Biene unterscheidet.

Während des Winters finden wir nun im Baue die vorderste Wabe durchaus mit Honig
gefüllt und gedeckelt, die folgende mindestens an der Giebelseite und alle übrigen mehr oder weniger
an ihrem obern Theile, weiter nach unten befinden sich die mit Bienenbrod angefüllten Vorraths-

Honigbiene.
die Wieſen. Jn dieſer Weiſe wird es nun getrieben den ganzen Sommer hindurch, und nur an
unfreundlichen, regneriſchen Tagen bleibt man zu Hauſe. Je honigreicher und günſtiger ein Jahr
iſt, deſto fleißiger trägt das Volk ein. Es iſt aber einig mit ſeiner Königin, liebkoſt ſie, reicht
ihr reichlich Nahrung dar, wofür dieſe in Anerkennung des allgemeinen Wohlſtandes, will ſagen
bei gutem Futter, wohlthuender Wärme, auch ihrerſeits fleißig Eier legt. Das Volk mehrt ſich
von Tag zu Tag und mit ihm die Segen bringenden Arbeitskräfte.

Man möchte beinahe glauben, es ließe dieſe rege, beide Theile in ſo hohem Maße anſpannende
Thätigkeit die Trägheit der Männchen in um ſo grellerem Lichte erſcheinen und mehr und mehr
einen geheimen Groll gegen dieſelben aufkommen. Jn Wirklichkeit aber iſt es das Bewußtſein,
daß dieſelben nun überflüſſig ſeien, welches Ende Juli, Anfangs Auguſt die Drohnenſchlachten
in Scene ſetzt. Zu dieſer Zeit fallen die Bienen über die Männchen her, jagen ſie im Stocke
herum, treiben ſie in eine Ecke, in welcher ſie dieſelben vom Futter abſperren, daß ſie elendiglich
verhungern müſſen; oder beißen ſie, zerren ſie an den Flügeln oder ſonſt wo zum Flugloche hinaus,
oder ſtechen ſie in noch kürzerem Verfahren nieder. Eine eigenthümliche Erſcheinung iſt dabei die,
daß der Gebrauch der Waffe für den, welcher ſie führt, nicht verderblich wird. Wir wiſſen, daß
jede Biene, die uns in das Fleiſch ſticht, in Folge der Widerhäkchen an ihrem Stachel denſelben
ganz oder theilweiſe zurücklaſſen und ſterben muß. Warum nicht auch, wenn ſie ihn der Drohne
zwiſchen die Leibesringe einbohrt? Weil die Chitinmaſſe nicht die Wunde ſchließt, wie das elaſtiſche
Fleiſch, ſondern das verurſachte Loch ein Loch bleibt, aus welchem die Widerhaken den Rückweg
finden. Ein Stock, welcher in der angegebenen Zeit ſeine Drohnen nicht abſchlachtet, iſt weiſellos,
wie die Bienenväter ſehr wohl in Erfahrung gebracht haben.

Nachdem die Leichen aus dem Baue entfernt ſind, kehrt die alle Ordnung wieder zurück und
die friedliche Thätigkeit nimmt ihren Fortgang. Die beſte Zeit, die „Trachtzeit“, iſt allerdings
vorüber, wenigſtens für Gegenden, wo Haidekraut fehlt, die Ouellen fangen an ſparſamer zu
fließen, und theilweiſe müſſen ſchon die Vorräthe aus beſſeren Tagen in Anſpruch genommen werden,
oder es regt ſich Luſt zu Räubereien. Wenn nämlich vor und nach der Trachtzeit die Ernte knapp
wird, ſo entwickeln manche Bienen eine beſondere Anlage zum Stehlen. Sie ſuchen trotz der am
Eingange eines jeden Stockes aufgeſtellten Wachen in denſelben einzudringen und die vollen
Waben, als wenn es Blumen wären, zu plündern. Gelingt es einer, zweien irgendwo einzu-
dringen, ſo bringt ſie das nächſte Mal mehr Kameraden mit, und die Räuberbande ſcheint organiſirt
zu ſein. Der ſchon erwähnte Beſuch in den Zuckerfabriken iſt im Grunde nichts Anderes, als ein
allgemeiner Raubzug. — Auch die Brutzellen fangen an ſich zu mindern, obſchon bei günſtigem
Wetter noch bis in den Oktober hinein Arbeiter geboren werden. Man darf nicht glauben, daß
jetzt am Ende der für das Ausfliegen geeigneten Zeit unſer Volk viel ſtärker ſein müſſe, als
bei ſeiner Gründung am Johannistage, im Gegentheile, es kann bei ungünſtigen Witterungsver-
hältniſſen ſogar zurückgegangen ſein. Der Abgang an Drohnen kommt nicht in Betracht, wohl
aber die Menge der Arbeiter, die nach und nach umkommen, oder eines natürlichen Todes ſtarben.
Das Leben einer Biene währt in der Haupttrachtzeit nur ſechs Wochen. Man war
in dieſer Hinſicht lange Zeit getheilter Anſicht und machte wohl von der längern Lebensfähigkeit
der weiblichen Biene einen Trugſchluß auf die der Arbeiterin, bis die Einführung der italie-
niſchen
Bienen in Deutſchland jeden Zweifel beſeitigte. Gibt man nämlich zu Anfang der
Trachtzeit, in welcher die Biene ihre größte Thätigkeit entwickelt und ſich am ſtärkſten abnutzt,
einem deutſchen Volke eine befruchtete italieniſche Königin, ſo iſt nach ſechs Wochen bis auf
vereinzelte Jndividuen jenes verſchwunden und durch ein Volk italieniſcher Bienen erſetzt, die man
an der rothen Hinterleibswurzel ohne Mühe von unſerer nordiſchen Biene unterſcheidet.

Während des Winters finden wir nun im Baue die vorderſte Wabe durchaus mit Honig
gefüllt und gedeckelt, die folgende mindeſtens an der Giebelſeite und alle übrigen mehr oder weniger
an ihrem obern Theile, weiter nach unten befinden ſich die mit Bienenbrod angefüllten Vorraths-

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[173/0193] Honigbiene. die Wieſen. Jn dieſer Weiſe wird es nun getrieben den ganzen Sommer hindurch, und nur an unfreundlichen, regneriſchen Tagen bleibt man zu Hauſe. Je honigreicher und günſtiger ein Jahr iſt, deſto fleißiger trägt das Volk ein. Es iſt aber einig mit ſeiner Königin, liebkoſt ſie, reicht ihr reichlich Nahrung dar, wofür dieſe in Anerkennung des allgemeinen Wohlſtandes, will ſagen bei gutem Futter, wohlthuender Wärme, auch ihrerſeits fleißig Eier legt. Das Volk mehrt ſich von Tag zu Tag und mit ihm die Segen bringenden Arbeitskräfte. Man möchte beinahe glauben, es ließe dieſe rege, beide Theile in ſo hohem Maße anſpannende Thätigkeit die Trägheit der Männchen in um ſo grellerem Lichte erſcheinen und mehr und mehr einen geheimen Groll gegen dieſelben aufkommen. Jn Wirklichkeit aber iſt es das Bewußtſein, daß dieſelben nun überflüſſig ſeien, welches Ende Juli, Anfangs Auguſt die Drohnenſchlachten in Scene ſetzt. Zu dieſer Zeit fallen die Bienen über die Männchen her, jagen ſie im Stocke herum, treiben ſie in eine Ecke, in welcher ſie dieſelben vom Futter abſperren, daß ſie elendiglich verhungern müſſen; oder beißen ſie, zerren ſie an den Flügeln oder ſonſt wo zum Flugloche hinaus, oder ſtechen ſie in noch kürzerem Verfahren nieder. Eine eigenthümliche Erſcheinung iſt dabei die, daß der Gebrauch der Waffe für den, welcher ſie führt, nicht verderblich wird. Wir wiſſen, daß jede Biene, die uns in das Fleiſch ſticht, in Folge der Widerhäkchen an ihrem Stachel denſelben ganz oder theilweiſe zurücklaſſen und ſterben muß. Warum nicht auch, wenn ſie ihn der Drohne zwiſchen die Leibesringe einbohrt? Weil die Chitinmaſſe nicht die Wunde ſchließt, wie das elaſtiſche Fleiſch, ſondern das verurſachte Loch ein Loch bleibt, aus welchem die Widerhaken den Rückweg finden. Ein Stock, welcher in der angegebenen Zeit ſeine Drohnen nicht abſchlachtet, iſt weiſellos, wie die Bienenväter ſehr wohl in Erfahrung gebracht haben. Nachdem die Leichen aus dem Baue entfernt ſind, kehrt die alle Ordnung wieder zurück und die friedliche Thätigkeit nimmt ihren Fortgang. Die beſte Zeit, die „Trachtzeit“, iſt allerdings vorüber, wenigſtens für Gegenden, wo Haidekraut fehlt, die Ouellen fangen an ſparſamer zu fließen, und theilweiſe müſſen ſchon die Vorräthe aus beſſeren Tagen in Anſpruch genommen werden, oder es regt ſich Luſt zu Räubereien. Wenn nämlich vor und nach der Trachtzeit die Ernte knapp wird, ſo entwickeln manche Bienen eine beſondere Anlage zum Stehlen. Sie ſuchen trotz der am Eingange eines jeden Stockes aufgeſtellten Wachen in denſelben einzudringen und die vollen Waben, als wenn es Blumen wären, zu plündern. Gelingt es einer, zweien irgendwo einzu- dringen, ſo bringt ſie das nächſte Mal mehr Kameraden mit, und die Räuberbande ſcheint organiſirt zu ſein. Der ſchon erwähnte Beſuch in den Zuckerfabriken iſt im Grunde nichts Anderes, als ein allgemeiner Raubzug. — Auch die Brutzellen fangen an ſich zu mindern, obſchon bei günſtigem Wetter noch bis in den Oktober hinein Arbeiter geboren werden. Man darf nicht glauben, daß jetzt am Ende der für das Ausfliegen geeigneten Zeit unſer Volk viel ſtärker ſein müſſe, als bei ſeiner Gründung am Johannistage, im Gegentheile, es kann bei ungünſtigen Witterungsver- hältniſſen ſogar zurückgegangen ſein. Der Abgang an Drohnen kommt nicht in Betracht, wohl aber die Menge der Arbeiter, die nach und nach umkommen, oder eines natürlichen Todes ſtarben. Das Leben einer Biene währt in der Haupttrachtzeit nur ſechs Wochen. Man war in dieſer Hinſicht lange Zeit getheilter Anſicht und machte wohl von der längern Lebensfähigkeit der weiblichen Biene einen Trugſchluß auf die der Arbeiterin, bis die Einführung der italie- niſchen Bienen in Deutſchland jeden Zweifel beſeitigte. Gibt man nämlich zu Anfang der Trachtzeit, in welcher die Biene ihre größte Thätigkeit entwickelt und ſich am ſtärkſten abnutzt, einem deutſchen Volke eine befruchtete italieniſche Königin, ſo iſt nach ſechs Wochen bis auf vereinzelte Jndividuen jenes verſchwunden und durch ein Volk italieniſcher Bienen erſetzt, die man an der rothen Hinterleibswurzel ohne Mühe von unſerer nordiſchen Biene unterſcheidet. Während des Winters finden wir nun im Baue die vorderſte Wabe durchaus mit Honig gefüllt und gedeckelt, die folgende mindeſtens an der Giebelſeite und alle übrigen mehr oder weniger an ihrem obern Theile, weiter nach unten befinden ſich die mit Bienenbrod angefüllten Vorraths-

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/193>, abgerufen am 07.05.2024.