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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Zitteraal.
Verbindung stehen. Der Schlag geht nicht durch das Wasser, wenn man auch den Finger bis eine
halbe Linie dem Fische nähert." Frühere Beobachter sagen gerade das Gegentheil. Van der Lot
erzählt, ein Mensch habe nahe an dem Ende eines mit Wasser gefüllten Nachens, in welchem sich ein
Zitteraal befand, seine Finger gesteckt und, als Lot den etwa zwanzig Fuß von Jenem entfernten
Zitteraal berührt, einen Schlag gefühlt. Auch Bancroft versichert, erfahren zu haben, daß der
Schlag auf zehn Fuß weit im Wasser wirke. Humboldt erklärt den scheinbaren Widerspruch durch
die Annahme: Alles hängt vom Belieben des Thieres ab. Einen ihm genäherten Draht fühlt der
Aal nicht, sieht aber wohl die Fische und schickt ihnen durch das Wasser eine Ladung zu, wenn ihm
darnach gelüstet. Mehrere Zitteraale, in einen Raum gesperrt, vertragen sich gut, können einander
auch Nichts anhaben, wie man erfährt, wenn man vermittelst eines Drahtes den Schlag des einen
auf den andern überführt. Steckt man eine Zinkplatte in einen Einschnitt der Brustflosse und
berührt man die Spitze der Platte mit Silber, so geräth das ganze Thier in Krämpfe, ohne daß der
Mensch, durch welchen der Strom geht, selbst Etwas empfindet; mithin muß die Elektricität des
Thieres unendliche Male größer sein als die fremde Elektricität, welche seine Muskeln in Bewegung
setzt. Der Schmerz des Thieres muß dabei groß sein, weil es sich so gewaltig krümmt und selbst den
Kopf zum Wasser herausstreckt etc.

Der Zitteraal ist über einen großen Theil Südamerikas verbreitet, hält sich aber nur in
Gewässern auf, welche eine Wärme von sechsundzwanzig bis siebenundzwanzig Grad haben; in
kälterem Wasser soll seine Kraft bedeutend abnehmen. Bei hohem Wasserstande scheint er umherzu-
schweifen; mit Beginn der Trockenheit wühlt er sich, wie neuerdings auch Bates beobachtete, tiefe,
runde Löcher in den Schlamm, indem er sich beständig im Kreise herumdreht. Seine Nahrung besteht
aus Fischen verschiedener Art und anderen Wasserthieren. Ueber die Fortpflanzung ist Nichts
bekannt. Von den Eingeborenen wird er, wie auch Humboldt mittheilt, gefürchtet und gehaßt.
"Das Muskelfleisch der Zitteraale schmeckt allerdings nicht übel, aber das elektrische Organ ist
schmierig und hat einen unangenehmen Geschmack; man sondert es daher sorgfältig von dem Uebrigen
ab. Gehaßt wird der Fisch, weil man es ihm vorzüglich zuschreibt, daß die Sümpfe und Teiche der
Llanos so fischarm sind. Die Zitteraale tödten ihrer viel mehr, als sie verzehren, und die Jndianer
erzählten uns, wenn man in sehr starken Netzen junge Krokodile und Zitteraale zugleich fange, so sei
an letzteren nie eine Verletzung zu bemerken, weil sie die jungen Krokodile lähmen, ehe sie ihnen
Etwas anhaben können. Alle Bewohner der Gewässer fliehen die Gesellschaft dieser Fische. Eidechsen,
Schildkröten und Frösche suchen Sümpfe auf, in denen sie vor jenen sicher sind. Bei Uritucu mußte
man einer Straße eine andere Richtung geben, weil die Zitteraale in einem Flusse sich so vermehrt
hatten, daß alle Jahre eine Menge Maulthiere, welche mit ihrer Last durch den Fluß waten
mußten, umkamen. Frösche, Schildkröten und andere Lurche oder Kriechthiere, welche man zu
Gefangenen setzt, versuchen so eilig als möglich aus der gefährlichen Nachbarschaft zu entrinnen.

Ueber gefangene Zitteraale hat zuerst Bancroft berichtet. Man hält sie in Trögen und
ernährt sie mit kleinen Fischen oder in Ermangelung derselben mit Regenwürmern; ihre angenehmste
Speise aber sollen Küchenschaben sein, welche sie mit großer Begierde nehmen, ja förmlich ein-
schlürfen. Jn sehr kleinen Gefäßen verbrauchen sie bald alle dem Wasser beigemengte Luft und
kommen dann zur Oberfläche empor, um solche zu schöpfen. Fahlberg hielt einen Zitteraal über
vier Monate und hatte ihn schließlich wirklich gezähmt. Der Fisch fraß nur wenig auf einmal, aber
sehr oft Etwas. Lebende Fische betäubte er, indem er ihnen aus der Tiefe einen Schlag beibrachte.
Bei großem Hunger schleuderte er seine Blitze auch gegen den Menschen, welcher ihn fütterte. Ein
anderer, welchen Graf von Görtz beobachtete, erhielt zwei Mal in der Woche frisches Wasser und
dann auch ein Stückchen Fleisch von etwas weniger als Wallnußgröße, lebte aber hauptsächlich von
Kerbthieren, welche in seinen Behälter fielen. Jm Thiergarten zu London hält man beständig
mehrere Stück, und bei der sorgsamen Pflege, welche alle Thiere dort genießen, halten sie mehrere
Jahre bei gutem Wohlsein aus.



Brehm, Thierleben. V. 47

Zitteraal.
Verbindung ſtehen. Der Schlag geht nicht durch das Waſſer, wenn man auch den Finger bis eine
halbe Linie dem Fiſche nähert.“ Frühere Beobachter ſagen gerade das Gegentheil. Van der Lot
erzählt, ein Menſch habe nahe an dem Ende eines mit Waſſer gefüllten Nachens, in welchem ſich ein
Zitteraal befand, ſeine Finger geſteckt und, als Lot den etwa zwanzig Fuß von Jenem entfernten
Zitteraal berührt, einen Schlag gefühlt. Auch Bancroft verſichert, erfahren zu haben, daß der
Schlag auf zehn Fuß weit im Waſſer wirke. Humboldt erklärt den ſcheinbaren Widerſpruch durch
die Annahme: Alles hängt vom Belieben des Thieres ab. Einen ihm genäherten Draht fühlt der
Aal nicht, ſieht aber wohl die Fiſche und ſchickt ihnen durch das Waſſer eine Ladung zu, wenn ihm
darnach gelüſtet. Mehrere Zitteraale, in einen Raum geſperrt, vertragen ſich gut, können einander
auch Nichts anhaben, wie man erfährt, wenn man vermittelſt eines Drahtes den Schlag des einen
auf den andern überführt. Steckt man eine Zinkplatte in einen Einſchnitt der Bruſtfloſſe und
berührt man die Spitze der Platte mit Silber, ſo geräth das ganze Thier in Krämpfe, ohne daß der
Menſch, durch welchen der Strom geht, ſelbſt Etwas empfindet; mithin muß die Elektricität des
Thieres unendliche Male größer ſein als die fremde Elektricität, welche ſeine Muskeln in Bewegung
ſetzt. Der Schmerz des Thieres muß dabei groß ſein, weil es ſich ſo gewaltig krümmt und ſelbſt den
Kopf zum Waſſer herausſtreckt ꝛc.

Der Zitteraal iſt über einen großen Theil Südamerikas verbreitet, hält ſich aber nur in
Gewäſſern auf, welche eine Wärme von ſechsundzwanzig bis ſiebenundzwanzig Grad haben; in
kälterem Waſſer ſoll ſeine Kraft bedeutend abnehmen. Bei hohem Waſſerſtande ſcheint er umherzu-
ſchweifen; mit Beginn der Trockenheit wühlt er ſich, wie neuerdings auch Bates beobachtete, tiefe,
runde Löcher in den Schlamm, indem er ſich beſtändig im Kreiſe herumdreht. Seine Nahrung beſteht
aus Fiſchen verſchiedener Art und anderen Waſſerthieren. Ueber die Fortpflanzung iſt Nichts
bekannt. Von den Eingeborenen wird er, wie auch Humboldt mittheilt, gefürchtet und gehaßt.
„Das Muskelfleiſch der Zitteraale ſchmeckt allerdings nicht übel, aber das elektriſche Organ iſt
ſchmierig und hat einen unangenehmen Geſchmack; man ſondert es daher ſorgfältig von dem Uebrigen
ab. Gehaßt wird der Fiſch, weil man es ihm vorzüglich zuſchreibt, daß die Sümpfe und Teiche der
Llanos ſo fiſcharm ſind. Die Zitteraale tödten ihrer viel mehr, als ſie verzehren, und die Jndianer
erzählten uns, wenn man in ſehr ſtarken Netzen junge Krokodile und Zitteraale zugleich fange, ſo ſei
an letzteren nie eine Verletzung zu bemerken, weil ſie die jungen Krokodile lähmen, ehe ſie ihnen
Etwas anhaben können. Alle Bewohner der Gewäſſer fliehen die Geſellſchaft dieſer Fiſche. Eidechſen,
Schildkröten und Fröſche ſuchen Sümpfe auf, in denen ſie vor jenen ſicher ſind. Bei Uritucu mußte
man einer Straße eine andere Richtung geben, weil die Zitteraale in einem Fluſſe ſich ſo vermehrt
hatten, daß alle Jahre eine Menge Maulthiere, welche mit ihrer Laſt durch den Fluß waten
mußten, umkamen. Fröſche, Schildkröten und andere Lurche oder Kriechthiere, welche man zu
Gefangenen ſetzt, verſuchen ſo eilig als möglich aus der gefährlichen Nachbarſchaft zu entrinnen.

Ueber gefangene Zitteraale hat zuerſt Bancroft berichtet. Man hält ſie in Trögen und
ernährt ſie mit kleinen Fiſchen oder in Ermangelung derſelben mit Regenwürmern; ihre angenehmſte
Speiſe aber ſollen Küchenſchaben ſein, welche ſie mit großer Begierde nehmen, ja förmlich ein-
ſchlürfen. Jn ſehr kleinen Gefäßen verbrauchen ſie bald alle dem Waſſer beigemengte Luft und
kommen dann zur Oberfläche empor, um ſolche zu ſchöpfen. Fahlberg hielt einen Zitteraal über
vier Monate und hatte ihn ſchließlich wirklich gezähmt. Der Fiſch fraß nur wenig auf einmal, aber
ſehr oft Etwas. Lebende Fiſche betäubte er, indem er ihnen aus der Tiefe einen Schlag beibrachte.
Bei großem Hunger ſchleuderte er ſeine Blitze auch gegen den Menſchen, welcher ihn fütterte. Ein
anderer, welchen Graf von Görtz beobachtete, erhielt zwei Mal in der Woche friſches Waſſer und
dann auch ein Stückchen Fleiſch von etwas weniger als Wallnußgröße, lebte aber hauptſächlich von
Kerbthieren, welche in ſeinen Behälter fielen. Jm Thiergarten zu London hält man beſtändig
mehrere Stück, und bei der ſorgſamen Pflege, welche alle Thiere dort genießen, halten ſie mehrere
Jahre bei gutem Wohlſein aus.



Brehm, Thierleben. V. 47
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[737/0779] Zitteraal. Verbindung ſtehen. Der Schlag geht nicht durch das Waſſer, wenn man auch den Finger bis eine halbe Linie dem Fiſche nähert.“ Frühere Beobachter ſagen gerade das Gegentheil. Van der Lot erzählt, ein Menſch habe nahe an dem Ende eines mit Waſſer gefüllten Nachens, in welchem ſich ein Zitteraal befand, ſeine Finger geſteckt und, als Lot den etwa zwanzig Fuß von Jenem entfernten Zitteraal berührt, einen Schlag gefühlt. Auch Bancroft verſichert, erfahren zu haben, daß der Schlag auf zehn Fuß weit im Waſſer wirke. Humboldt erklärt den ſcheinbaren Widerſpruch durch die Annahme: Alles hängt vom Belieben des Thieres ab. Einen ihm genäherten Draht fühlt der Aal nicht, ſieht aber wohl die Fiſche und ſchickt ihnen durch das Waſſer eine Ladung zu, wenn ihm darnach gelüſtet. Mehrere Zitteraale, in einen Raum geſperrt, vertragen ſich gut, können einander auch Nichts anhaben, wie man erfährt, wenn man vermittelſt eines Drahtes den Schlag des einen auf den andern überführt. Steckt man eine Zinkplatte in einen Einſchnitt der Bruſtfloſſe und berührt man die Spitze der Platte mit Silber, ſo geräth das ganze Thier in Krämpfe, ohne daß der Menſch, durch welchen der Strom geht, ſelbſt Etwas empfindet; mithin muß die Elektricität des Thieres unendliche Male größer ſein als die fremde Elektricität, welche ſeine Muskeln in Bewegung ſetzt. Der Schmerz des Thieres muß dabei groß ſein, weil es ſich ſo gewaltig krümmt und ſelbſt den Kopf zum Waſſer herausſtreckt ꝛc. Der Zitteraal iſt über einen großen Theil Südamerikas verbreitet, hält ſich aber nur in Gewäſſern auf, welche eine Wärme von ſechsundzwanzig bis ſiebenundzwanzig Grad haben; in kälterem Waſſer ſoll ſeine Kraft bedeutend abnehmen. Bei hohem Waſſerſtande ſcheint er umherzu- ſchweifen; mit Beginn der Trockenheit wühlt er ſich, wie neuerdings auch Bates beobachtete, tiefe, runde Löcher in den Schlamm, indem er ſich beſtändig im Kreiſe herumdreht. Seine Nahrung beſteht aus Fiſchen verſchiedener Art und anderen Waſſerthieren. Ueber die Fortpflanzung iſt Nichts bekannt. Von den Eingeborenen wird er, wie auch Humboldt mittheilt, gefürchtet und gehaßt. „Das Muskelfleiſch der Zitteraale ſchmeckt allerdings nicht übel, aber das elektriſche Organ iſt ſchmierig und hat einen unangenehmen Geſchmack; man ſondert es daher ſorgfältig von dem Uebrigen ab. Gehaßt wird der Fiſch, weil man es ihm vorzüglich zuſchreibt, daß die Sümpfe und Teiche der Llanos ſo fiſcharm ſind. Die Zitteraale tödten ihrer viel mehr, als ſie verzehren, und die Jndianer erzählten uns, wenn man in ſehr ſtarken Netzen junge Krokodile und Zitteraale zugleich fange, ſo ſei an letzteren nie eine Verletzung zu bemerken, weil ſie die jungen Krokodile lähmen, ehe ſie ihnen Etwas anhaben können. Alle Bewohner der Gewäſſer fliehen die Geſellſchaft dieſer Fiſche. Eidechſen, Schildkröten und Fröſche ſuchen Sümpfe auf, in denen ſie vor jenen ſicher ſind. Bei Uritucu mußte man einer Straße eine andere Richtung geben, weil die Zitteraale in einem Fluſſe ſich ſo vermehrt hatten, daß alle Jahre eine Menge Maulthiere, welche mit ihrer Laſt durch den Fluß waten mußten, umkamen. Fröſche, Schildkröten und andere Lurche oder Kriechthiere, welche man zu Gefangenen ſetzt, verſuchen ſo eilig als möglich aus der gefährlichen Nachbarſchaft zu entrinnen. Ueber gefangene Zitteraale hat zuerſt Bancroft berichtet. Man hält ſie in Trögen und ernährt ſie mit kleinen Fiſchen oder in Ermangelung derſelben mit Regenwürmern; ihre angenehmſte Speiſe aber ſollen Küchenſchaben ſein, welche ſie mit großer Begierde nehmen, ja förmlich ein- ſchlürfen. Jn ſehr kleinen Gefäßen verbrauchen ſie bald alle dem Waſſer beigemengte Luft und kommen dann zur Oberfläche empor, um ſolche zu ſchöpfen. Fahlberg hielt einen Zitteraal über vier Monate und hatte ihn ſchließlich wirklich gezähmt. Der Fiſch fraß nur wenig auf einmal, aber ſehr oft Etwas. Lebende Fiſche betäubte er, indem er ihnen aus der Tiefe einen Schlag beibrachte. Bei großem Hunger ſchleuderte er ſeine Blitze auch gegen den Menſchen, welcher ihn fütterte. Ein anderer, welchen Graf von Görtz beobachtete, erhielt zwei Mal in der Woche friſches Waſſer und dann auch ein Stückchen Fleiſch von etwas weniger als Wallnußgröße, lebte aber hauptſächlich von Kerbthieren, welche in ſeinen Behälter fielen. Jm Thiergarten zu London hält man beſtändig mehrere Stück, und bei der ſorgſamen Pflege, welche alle Thiere dort genießen, halten ſie mehrere Jahre bei gutem Wohlſein aus. Brehm, Thierleben. V. 47

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 737. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/779>, abgerufen am 15.06.2024.