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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Hering.
ausgefischt worden, daß der Hering, für dessen Schonung und Nachzucht man auch nicht die geringste
Sorge trug, in den engen Gewässern der Gothenburger Schären fast vertilgt oder doch wenigstens sehr
vermindert wurde. Dem norwegischen Hering aber fällt es gar nicht ein, um Kap Lindesnäs herum
in das Becken der Ostsee einzudringen und die entstandene Lücke auszufüllen; wenn also die Schweden
wieder Heringsfang haben wollen, so werden sie besser thun, das Fangen des Fisches für einige Zeit
gänzlich zu verbieten und ihm Zeit zur Wiedererzeugung zu lassen, als im gläubigen Vertrauen auf
das Wohlwollen irgend eines Heringskönigs des Schwarmes zu harren, den dieser wieder an ihre
Küsten schicken soll."

Ungeachtet dieses wichtigsten Fortschrittes ist die Lebenskunde des Herings noch immer in vieler
Hinsicht dunkel und unklar. Sein Erscheinen in den oberen Wasserschichten und an der Küste hat,
wie gesagt, wenig Regelmäßiges, und nicht immer sind es Schaaren fortpflanzungslustiger Fische,
welche sich zeigen, sondern es kommen auch alljährlich große Heere sogenannter Jungfern- oder,
wie die Holländer sagen, Matjes- Heringe aus ihrer heimatlichen Tiefe empor. Ueber das
Leben in den tieferen Gründen wissen wir so gut als Nichts; mit Sicherheit haben wir noch nicht
einmal die Nahrung bestimmen können, welche er hier genießt. Daß er ein Raubfisch ist, wissen wir,
daß er sich von Kerbthieren, Sandaalen, seinen eigenen Jungen und anderen Fischen nährt, auch,
daß er seine Nahrung verändert nach der Oertlichkeit, nicht minder, daß er zu den gefräßigsten Mit-
gliedern seiner Klasse gehört, ebenfalls: wie er es aber treibt in der Tiefe, wissen wir nicht und
ebensowenig, welche Ursachen ihn bewegen, außer der Laichzeit emporzusteigen. Jch sage außer der
Laichzeit, und will mit diesen Worten weniger einen bestimmten Jahresabschnitt gemeint, als an den
einzelnen Fisch gedacht wissen. Eine bestimmte Laichzeit nämlich hat der Hering nicht. Mit Aus-
nahme des Juni und Dezember fängt man in allen übrigen Monaten Stücke mit strotzenden Hoden
und Eierstöcken. Die richtige Erklärung dieser Thatsache kann wohl nur darin gefunden werden,
daß ältere und jüngere Fische nicht zu derselben Zeit laichen; doch können die Untersuchungen hierüber
durchaus nicht als abgeschlossen gelten. Jm Allgemeinen mag richtig sein, daß die Hauptzeit der
Fortpflanzung in die Wintermonate fällt, vom Januar an gerechnet, und bis zum März oder April
fortwährt; eine zweite Laichzeit beginnt dann im Juli und währt bis gegen den Dezember hin. Für
Großbritannien geben die Fischereibeamten die Monate Februar und März als die hauptsächlichste
Laichzeit im Frühlinge und die Monate August und September als die bevorzugte Laichzeit
im Herbste an.

Die Hauptmasse aller Heringe, welche in den oberen Schichten beobachtet und bezüglich
gefangen wird, erscheint hier unzweifelhaft in der Absicht, zu laichen. Jm Allgemeinen walten hier-
bei dieselben Verhältnisse ob, wie bei den Renken und anderen Fischen der tiefen Gründe. Die
fortpflanzungslustigen Thiere erheben sich in ungeheueren Massen, treiben sich zwei oder drei Tage
lang nah der Oberfläche des Meeres umher, drängen sich im bunten Durcheinander zu dichten
Haufen, namentlich wenn stürmische Witterung herrscht, eilen vorwärts und lassen währenddem Eier
und Samen ins Wasser fallen. Zuweilen wird Laich und Milch in solcher Menge ergossen, daß das
Meer sich trübt und die Netze mit einer Kruste oder Rinde sich überziehen, daß ein widriger Geruch
entsteht und auf weithin sich verbreitet, daß buchstäblich die obere Schicht des Wassers so mit Samen
geschwängert ist, um den größten Theil der Eier befruchten zu können.

Von den ungeheueren Heringszügen macht sich der Binnenländer schwerlich eine Vorstellung,
weil ihnen die Berichte der Augenzeugen übertrieben und unglaublich zu sein scheinen. Aber die
Augenzeugen stimmen so vollständig überein, daß wir nicht wohl zweifeln können. "Sachkundige
Fischer", sagt Schilling, "welche ich zum Fange begleitete, zeigten mir in der starken Dämmerung
Züge von meilenweiter Länge und Breite nicht etwa auf der Meeresfläche, sondern am Widerscheine
der durch sie erhellten Luft. Sie ziehen dann so gedrängt, daß Boote, welche dazwischen kommen, in
Gefahr gerathen; mit Schauseln kann man sie unmittelbar ins Fahrzeug werfen, und ein langes
Ruder, welches in diese lebende Masse gestoßen wird, bleibt aufrecht stehen." Ganz ähnlich sprechen

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Hering.
ausgefiſcht worden, daß der Hering, für deſſen Schonung und Nachzucht man auch nicht die geringſte
Sorge trug, in den engen Gewäſſern der Gothenburger Schären faſt vertilgt oder doch wenigſtens ſehr
vermindert wurde. Dem norwegiſchen Hering aber fällt es gar nicht ein, um Kap Lindesnäs herum
in das Becken der Oſtſee einzudringen und die entſtandene Lücke auszufüllen; wenn alſo die Schweden
wieder Heringsfang haben wollen, ſo werden ſie beſſer thun, das Fangen des Fiſches für einige Zeit
gänzlich zu verbieten und ihm Zeit zur Wiedererzeugung zu laſſen, als im gläubigen Vertrauen auf
das Wohlwollen irgend eines Heringskönigs des Schwarmes zu harren, den dieſer wieder an ihre
Küſten ſchicken ſoll.“

Ungeachtet dieſes wichtigſten Fortſchrittes iſt die Lebenskunde des Herings noch immer in vieler
Hinſicht dunkel und unklar. Sein Erſcheinen in den oberen Waſſerſchichten und an der Küſte hat,
wie geſagt, wenig Regelmäßiges, und nicht immer ſind es Schaaren fortpflanzungsluſtiger Fiſche,
welche ſich zeigen, ſondern es kommen auch alljährlich große Heere ſogenannter Jungfern- oder,
wie die Holländer ſagen, Matjes- Heringe aus ihrer heimatlichen Tiefe empor. Ueber das
Leben in den tieferen Gründen wiſſen wir ſo gut als Nichts; mit Sicherheit haben wir noch nicht
einmal die Nahrung beſtimmen können, welche er hier genießt. Daß er ein Raubfiſch iſt, wiſſen wir,
daß er ſich von Kerbthieren, Sandaalen, ſeinen eigenen Jungen und anderen Fiſchen nährt, auch,
daß er ſeine Nahrung verändert nach der Oertlichkeit, nicht minder, daß er zu den gefräßigſten Mit-
gliedern ſeiner Klaſſe gehört, ebenfalls: wie er es aber treibt in der Tiefe, wiſſen wir nicht und
ebenſowenig, welche Urſachen ihn bewegen, außer der Laichzeit emporzuſteigen. Jch ſage außer der
Laichzeit, und will mit dieſen Worten weniger einen beſtimmten Jahresabſchnitt gemeint, als an den
einzelnen Fiſch gedacht wiſſen. Eine beſtimmte Laichzeit nämlich hat der Hering nicht. Mit Aus-
nahme des Juni und Dezember fängt man in allen übrigen Monaten Stücke mit ſtrotzenden Hoden
und Eierſtöcken. Die richtige Erklärung dieſer Thatſache kann wohl nur darin gefunden werden,
daß ältere und jüngere Fiſche nicht zu derſelben Zeit laichen; doch können die Unterſuchungen hierüber
durchaus nicht als abgeſchloſſen gelten. Jm Allgemeinen mag richtig ſein, daß die Hauptzeit der
Fortpflanzung in die Wintermonate fällt, vom Januar an gerechnet, und bis zum März oder April
fortwährt; eine zweite Laichzeit beginnt dann im Juli und währt bis gegen den Dezember hin. Für
Großbritannien geben die Fiſchereibeamten die Monate Februar und März als die hauptſächlichſte
Laichzeit im Frühlinge und die Monate Auguſt und September als die bevorzugte Laichzeit
im Herbſte an.

Die Hauptmaſſe aller Heringe, welche in den oberen Schichten beobachtet und bezüglich
gefangen wird, erſcheint hier unzweifelhaft in der Abſicht, zu laichen. Jm Allgemeinen walten hier-
bei dieſelben Verhältniſſe ob, wie bei den Renken und anderen Fiſchen der tiefen Gründe. Die
fortpflanzungsluſtigen Thiere erheben ſich in ungeheueren Maſſen, treiben ſich zwei oder drei Tage
lang nah der Oberfläche des Meeres umher, drängen ſich im bunten Durcheinander zu dichten
Haufen, namentlich wenn ſtürmiſche Witterung herrſcht, eilen vorwärts und laſſen währenddem Eier
und Samen ins Waſſer fallen. Zuweilen wird Laich und Milch in ſolcher Menge ergoſſen, daß das
Meer ſich trübt und die Netze mit einer Kruſte oder Rinde ſich überziehen, daß ein widriger Geruch
entſteht und auf weithin ſich verbreitet, daß buchſtäblich die obere Schicht des Waſſers ſo mit Samen
geſchwängert iſt, um den größten Theil der Eier befruchten zu können.

Von den ungeheueren Heringszügen macht ſich der Binnenländer ſchwerlich eine Vorſtellung,
weil ihnen die Berichte der Augenzeugen übertrieben und unglaublich zu ſein ſcheinen. Aber die
Augenzeugen ſtimmen ſo vollſtändig überein, daß wir nicht wohl zweifeln können. „Sachkundige
Fiſcher“, ſagt Schilling, „welche ich zum Fange begleitete, zeigten mir in der ſtarken Dämmerung
Züge von meilenweiter Länge und Breite nicht etwa auf der Meeresfläche, ſondern am Widerſcheine
der durch ſie erhellten Luft. Sie ziehen dann ſo gedrängt, daß Boote, welche dazwiſchen kommen, in
Gefahr gerathen; mit Schauſeln kann man ſie unmittelbar ins Fahrzeug werfen, und ein langes
Ruder, welches in dieſe lebende Maſſe geſtoßen wird, bleibt aufrecht ſtehen.“ Ganz ähnlich ſprechen

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[723/0763] Hering. ausgefiſcht worden, daß der Hering, für deſſen Schonung und Nachzucht man auch nicht die geringſte Sorge trug, in den engen Gewäſſern der Gothenburger Schären faſt vertilgt oder doch wenigſtens ſehr vermindert wurde. Dem norwegiſchen Hering aber fällt es gar nicht ein, um Kap Lindesnäs herum in das Becken der Oſtſee einzudringen und die entſtandene Lücke auszufüllen; wenn alſo die Schweden wieder Heringsfang haben wollen, ſo werden ſie beſſer thun, das Fangen des Fiſches für einige Zeit gänzlich zu verbieten und ihm Zeit zur Wiedererzeugung zu laſſen, als im gläubigen Vertrauen auf das Wohlwollen irgend eines Heringskönigs des Schwarmes zu harren, den dieſer wieder an ihre Küſten ſchicken ſoll.“ Ungeachtet dieſes wichtigſten Fortſchrittes iſt die Lebenskunde des Herings noch immer in vieler Hinſicht dunkel und unklar. Sein Erſcheinen in den oberen Waſſerſchichten und an der Küſte hat, wie geſagt, wenig Regelmäßiges, und nicht immer ſind es Schaaren fortpflanzungsluſtiger Fiſche, welche ſich zeigen, ſondern es kommen auch alljährlich große Heere ſogenannter Jungfern- oder, wie die Holländer ſagen, Matjes- Heringe aus ihrer heimatlichen Tiefe empor. Ueber das Leben in den tieferen Gründen wiſſen wir ſo gut als Nichts; mit Sicherheit haben wir noch nicht einmal die Nahrung beſtimmen können, welche er hier genießt. Daß er ein Raubfiſch iſt, wiſſen wir, daß er ſich von Kerbthieren, Sandaalen, ſeinen eigenen Jungen und anderen Fiſchen nährt, auch, daß er ſeine Nahrung verändert nach der Oertlichkeit, nicht minder, daß er zu den gefräßigſten Mit- gliedern ſeiner Klaſſe gehört, ebenfalls: wie er es aber treibt in der Tiefe, wiſſen wir nicht und ebenſowenig, welche Urſachen ihn bewegen, außer der Laichzeit emporzuſteigen. Jch ſage außer der Laichzeit, und will mit dieſen Worten weniger einen beſtimmten Jahresabſchnitt gemeint, als an den einzelnen Fiſch gedacht wiſſen. Eine beſtimmte Laichzeit nämlich hat der Hering nicht. Mit Aus- nahme des Juni und Dezember fängt man in allen übrigen Monaten Stücke mit ſtrotzenden Hoden und Eierſtöcken. Die richtige Erklärung dieſer Thatſache kann wohl nur darin gefunden werden, daß ältere und jüngere Fiſche nicht zu derſelben Zeit laichen; doch können die Unterſuchungen hierüber durchaus nicht als abgeſchloſſen gelten. Jm Allgemeinen mag richtig ſein, daß die Hauptzeit der Fortpflanzung in die Wintermonate fällt, vom Januar an gerechnet, und bis zum März oder April fortwährt; eine zweite Laichzeit beginnt dann im Juli und währt bis gegen den Dezember hin. Für Großbritannien geben die Fiſchereibeamten die Monate Februar und März als die hauptſächlichſte Laichzeit im Frühlinge und die Monate Auguſt und September als die bevorzugte Laichzeit im Herbſte an. Die Hauptmaſſe aller Heringe, welche in den oberen Schichten beobachtet und bezüglich gefangen wird, erſcheint hier unzweifelhaft in der Abſicht, zu laichen. Jm Allgemeinen walten hier- bei dieſelben Verhältniſſe ob, wie bei den Renken und anderen Fiſchen der tiefen Gründe. Die fortpflanzungsluſtigen Thiere erheben ſich in ungeheueren Maſſen, treiben ſich zwei oder drei Tage lang nah der Oberfläche des Meeres umher, drängen ſich im bunten Durcheinander zu dichten Haufen, namentlich wenn ſtürmiſche Witterung herrſcht, eilen vorwärts und laſſen währenddem Eier und Samen ins Waſſer fallen. Zuweilen wird Laich und Milch in ſolcher Menge ergoſſen, daß das Meer ſich trübt und die Netze mit einer Kruſte oder Rinde ſich überziehen, daß ein widriger Geruch entſteht und auf weithin ſich verbreitet, daß buchſtäblich die obere Schicht des Waſſers ſo mit Samen geſchwängert iſt, um den größten Theil der Eier befruchten zu können. Von den ungeheueren Heringszügen macht ſich der Binnenländer ſchwerlich eine Vorſtellung, weil ihnen die Berichte der Augenzeugen übertrieben und unglaublich zu ſein ſcheinen. Aber die Augenzeugen ſtimmen ſo vollſtändig überein, daß wir nicht wohl zweifeln können. „Sachkundige Fiſcher“, ſagt Schilling, „welche ich zum Fange begleitete, zeigten mir in der ſtarken Dämmerung Züge von meilenweiter Länge und Breite nicht etwa auf der Meeresfläche, ſondern am Widerſcheine der durch ſie erhellten Luft. Sie ziehen dann ſo gedrängt, daß Boote, welche dazwiſchen kommen, in Gefahr gerathen; mit Schauſeln kann man ſie unmittelbar ins Fahrzeug werfen, und ein langes Ruder, welches in dieſe lebende Maſſe geſtoßen wird, bleibt aufrecht ſtehen.“ Ganz ähnlich ſprechen 46*

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 723. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/763>, abgerufen am 21.12.2024.