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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Die Edelfische. Heringe.
sich andere Beobachter aus; einzelne versichern sogar, die Boote würden durch die wimmelnden Fische,
deren Zug jene kreuzen, mehrere Zoll in die Höhe gehoben. Schilling glaubt annehmen zu dürfen,
daß die Heringe von kleinen Leitzügen geführt und diese von Wind, Strömung und Wetter bestimmt
werden, ihre jedesmalige Richtung zu nehmen. Andere scheinen hieran nicht zu glauben, obwohl sie,
wie Schilling, das unregelmäßige Erscheinen der Heringe betonen.

Wie lange die Eier bis zur Zeitigung brauchen, hat man mit Sicherheit noch nicht feststellen
können. Einige glauben, daß hierzu ein Zeitraum von höchstens vierzehn Tagen erforderlich sei,
während Andere wenigstens sechs Wochen für nöthig erachten. Soviel ist sicher, daß man ungefähr
fünfzig Tage nach dem Abzuge der laichenden Fische Myriaden kleiner Jungen in der Nähe des
Laichplatzes vorfindet. Diese Jungen entfernen sich nur allgemach von der Geburtsstätte; man
beobachtet sie während des ganzen Jahres in der Nähe der Küste, je nach dem Alter in verschiedener
Tiefe, die noch ganz kleinen Fische, laut Schilling, im Brackwasser der in sie ausmündenden Flüsse
oder mit ihr zusammenhängenden Binnengewässer, die größeren im Wasser des äußeren Strandes,
kann also ein bestimmtes Vorrücken nach der Tiefe zu unmittelbar nachweisen.

Unzählbar wie die Heere der Heringe ist auch die Anzahl der Feinde, welche diesen Heeren folgen.
Solange jene in den oberen Wasserschichten sich umhertreiben, nähren sich alle hier lebenden Raub-
fische, alle Meervögel und fast sämmtliche Meersäugethiere ausschließlich von ihnen. Die Norweger
erkennen ihre Ankunft durch die sich sammelnden Wale, und nicht wenige von den dortigen Fischern
glauben, in letzteren die Herbeitreiber der Fische erkennen zu müssen, genau ebenso, wie sie von
Heringskönigen und anderen die Züge begleitenden Raubfischen reden. Wie groß der Verlust ist,
welchen die Räuber der See den Heringszügen beibringen, läßt sich selbstverständlich auch nicht ein-
mal annähernd schätzen; wohl aber dürfen wir dreist behaupten, daß er in gar keinem Verhältniß
steht zu den Verheerungen, welche der Mensch unter jenen anrichtet.

Bis in das frühe Mittelalter zurück reicht die Kunde der Heringsfischerei. Altenglische Urkunden
erwähnen ihrer, alte Gesetze regeln sie. Bis zur Zeit des Holländers Breukel oder Breukel-
sen,
welcher am Ende des vierzehnten Jahrhunderts lebte, befand sich die Fischerei, obschon sie nicht
unbedeutend genannt werden konnte, noch in den Zeiten der Kindheit; von nun an aber, nachdem
man gelernt oder wiederum erlernt hatte, den bisher mehr oder weniger dem Verderben preis-
gegebenen Seefisch zu salzen und dergestalt ins Jnnere der Binnenländer zu versenden, gewann sie
rasch einen außerordentlichen Aufschwung. Zuerst waren es die Holländer, welche sie in großartiger
Weise betrieben; später nahmen die Hanseaten und Norweger an ihr Theil; aber erst seit etwa
zweihundert Jahren begannen die Engländer, welche gegenwärtig alle übrigen Völkerschaften über-
flügelt haben, auch ihrerseits Schiffe auf den Heringsfang zu senden.

Zur Fischerei bedient man sich in Norwegen außer den gewöhnlichen, besonderer Netze, Wate
genannt, welche dazu dienen, Fjorde und Buchten abzusperren, nachdem die Heringe in sie ein-
gedrungen sind, und erbeutet dann oft unglaubliche Massen mit einem Male. "Die Ausländer",
sagt Pontoppidan, "werden es kaum glauben können; allein ich, der ich dieses schreibe, habe
ganz Bergen zum Zeugen, daß mit einem einzigen Auswurfnetze im Sundfjord soviele Heringe sind
gefangen worden, daß sie hundert Jachten, Einige sagen hundertfünfzig, aber ich will lieber die
geringste Zahl rechnen, jede Jacht zu hundert Tonnen gerechnet, angefüllt haben. Jn den Buchten
bleiben die Heringe, welche man eingeschlossen hat, so lange stehen, bis man sie nach und nach bergen
und einsalzen kann; worüber der Fisch doch zuletzt ganz ausgezehrt und verdorben wird. Oft bleibt
der Hering wegen seiner Menge zwei bis drei Wochen eingeschlossen, da denn viele sich auszehren und
viele umkommen, wodurch dann die Bucht mit Gestank angefüllt wird, welcher verursacht, daß die
Heringe dieselbige Gegend drei bis vier Jahre scheuen, daß sie sich sonst am liebsten daselbst ein-
gefunden hatten. Jm Jahre 1748 trug es sich im Kirchspiel Svanöe zu, daß die Bauern eine
unzählige Menge von Frühlingsheringen auf obige Art eingeschlossen hatten. Ein Bürger hier aus
Bergen kaufte sie für hundert Reichsthaler und eine Tonne Branntwein, worauf er, wie man sagt,

Die Edelfiſche. Heringe.
ſich andere Beobachter aus; einzelne verſichern ſogar, die Boote würden durch die wimmelnden Fiſche,
deren Zug jene kreuzen, mehrere Zoll in die Höhe gehoben. Schilling glaubt annehmen zu dürfen,
daß die Heringe von kleinen Leitzügen geführt und dieſe von Wind, Strömung und Wetter beſtimmt
werden, ihre jedesmalige Richtung zu nehmen. Andere ſcheinen hieran nicht zu glauben, obwohl ſie,
wie Schilling, das unregelmäßige Erſcheinen der Heringe betonen.

Wie lange die Eier bis zur Zeitigung brauchen, hat man mit Sicherheit noch nicht feſtſtellen
können. Einige glauben, daß hierzu ein Zeitraum von höchſtens vierzehn Tagen erforderlich ſei,
während Andere wenigſtens ſechs Wochen für nöthig erachten. Soviel iſt ſicher, daß man ungefähr
fünfzig Tage nach dem Abzuge der laichenden Fiſche Myriaden kleiner Jungen in der Nähe des
Laichplatzes vorfindet. Dieſe Jungen entfernen ſich nur allgemach von der Geburtsſtätte; man
beobachtet ſie während des ganzen Jahres in der Nähe der Küſte, je nach dem Alter in verſchiedener
Tiefe, die noch ganz kleinen Fiſche, laut Schilling, im Brackwaſſer der in ſie ausmündenden Flüſſe
oder mit ihr zuſammenhängenden Binnengewäſſer, die größeren im Waſſer des äußeren Strandes,
kann alſo ein beſtimmtes Vorrücken nach der Tiefe zu unmittelbar nachweiſen.

Unzählbar wie die Heere der Heringe iſt auch die Anzahl der Feinde, welche dieſen Heeren folgen.
Solange jene in den oberen Waſſerſchichten ſich umhertreiben, nähren ſich alle hier lebenden Raub-
fiſche, alle Meervögel und faſt ſämmtliche Meerſäugethiere ausſchließlich von ihnen. Die Norweger
erkennen ihre Ankunft durch die ſich ſammelnden Wale, und nicht wenige von den dortigen Fiſchern
glauben, in letzteren die Herbeitreiber der Fiſche erkennen zu müſſen, genau ebenſo, wie ſie von
Heringskönigen und anderen die Züge begleitenden Raubfiſchen reden. Wie groß der Verluſt iſt,
welchen die Räuber der See den Heringszügen beibringen, läßt ſich ſelbſtverſtändlich auch nicht ein-
mal annähernd ſchätzen; wohl aber dürfen wir dreiſt behaupten, daß er in gar keinem Verhältniß
ſteht zu den Verheerungen, welche der Menſch unter jenen anrichtet.

Bis in das frühe Mittelalter zurück reicht die Kunde der Heringsfiſcherei. Altengliſche Urkunden
erwähnen ihrer, alte Geſetze regeln ſie. Bis zur Zeit des Holländers Breukel oder Breukel-
ſen,
welcher am Ende des vierzehnten Jahrhunderts lebte, befand ſich die Fiſcherei, obſchon ſie nicht
unbedeutend genannt werden konnte, noch in den Zeiten der Kindheit; von nun an aber, nachdem
man gelernt oder wiederum erlernt hatte, den bisher mehr oder weniger dem Verderben preis-
gegebenen Seefiſch zu ſalzen und dergeſtalt ins Jnnere der Binnenländer zu verſenden, gewann ſie
raſch einen außerordentlichen Aufſchwung. Zuerſt waren es die Holländer, welche ſie in großartiger
Weiſe betrieben; ſpäter nahmen die Hanſeaten und Norweger an ihr Theil; aber erſt ſeit etwa
zweihundert Jahren begannen die Engländer, welche gegenwärtig alle übrigen Völkerſchaften über-
flügelt haben, auch ihrerſeits Schiffe auf den Heringsfang zu ſenden.

Zur Fiſcherei bedient man ſich in Norwegen außer den gewöhnlichen, beſonderer Netze, Wate
genannt, welche dazu dienen, Fjorde und Buchten abzuſperren, nachdem die Heringe in ſie ein-
gedrungen ſind, und erbeutet dann oft unglaubliche Maſſen mit einem Male. „Die Ausländer“,
ſagt Pontoppidan, „werden es kaum glauben können; allein ich, der ich dieſes ſchreibe, habe
ganz Bergen zum Zeugen, daß mit einem einzigen Auswurfnetze im Sundfjord ſoviele Heringe ſind
gefangen worden, daß ſie hundert Jachten, Einige ſagen hundertfünfzig, aber ich will lieber die
geringſte Zahl rechnen, jede Jacht zu hundert Tonnen gerechnet, angefüllt haben. Jn den Buchten
bleiben die Heringe, welche man eingeſchloſſen hat, ſo lange ſtehen, bis man ſie nach und nach bergen
und einſalzen kann; worüber der Fiſch doch zuletzt ganz ausgezehrt und verdorben wird. Oft bleibt
der Hering wegen ſeiner Menge zwei bis drei Wochen eingeſchloſſen, da denn viele ſich auszehren und
viele umkommen, wodurch dann die Bucht mit Geſtank angefüllt wird, welcher verurſacht, daß die
Heringe dieſelbige Gegend drei bis vier Jahre ſcheuen, daß ſie ſich ſonſt am liebſten daſelbſt ein-
gefunden hatten. Jm Jahre 1748 trug es ſich im Kirchſpiel Svanöe zu, daß die Bauern eine
unzählige Menge von Frühlingsheringen auf obige Art eingeſchloſſen hatten. Ein Bürger hier aus
Bergen kaufte ſie für hundert Reichsthaler und eine Tonne Branntwein, worauf er, wie man ſagt,

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[724/0764] Die Edelfiſche. Heringe. ſich andere Beobachter aus; einzelne verſichern ſogar, die Boote würden durch die wimmelnden Fiſche, deren Zug jene kreuzen, mehrere Zoll in die Höhe gehoben. Schilling glaubt annehmen zu dürfen, daß die Heringe von kleinen Leitzügen geführt und dieſe von Wind, Strömung und Wetter beſtimmt werden, ihre jedesmalige Richtung zu nehmen. Andere ſcheinen hieran nicht zu glauben, obwohl ſie, wie Schilling, das unregelmäßige Erſcheinen der Heringe betonen. Wie lange die Eier bis zur Zeitigung brauchen, hat man mit Sicherheit noch nicht feſtſtellen können. Einige glauben, daß hierzu ein Zeitraum von höchſtens vierzehn Tagen erforderlich ſei, während Andere wenigſtens ſechs Wochen für nöthig erachten. Soviel iſt ſicher, daß man ungefähr fünfzig Tage nach dem Abzuge der laichenden Fiſche Myriaden kleiner Jungen in der Nähe des Laichplatzes vorfindet. Dieſe Jungen entfernen ſich nur allgemach von der Geburtsſtätte; man beobachtet ſie während des ganzen Jahres in der Nähe der Küſte, je nach dem Alter in verſchiedener Tiefe, die noch ganz kleinen Fiſche, laut Schilling, im Brackwaſſer der in ſie ausmündenden Flüſſe oder mit ihr zuſammenhängenden Binnengewäſſer, die größeren im Waſſer des äußeren Strandes, kann alſo ein beſtimmtes Vorrücken nach der Tiefe zu unmittelbar nachweiſen. Unzählbar wie die Heere der Heringe iſt auch die Anzahl der Feinde, welche dieſen Heeren folgen. Solange jene in den oberen Waſſerſchichten ſich umhertreiben, nähren ſich alle hier lebenden Raub- fiſche, alle Meervögel und faſt ſämmtliche Meerſäugethiere ausſchließlich von ihnen. Die Norweger erkennen ihre Ankunft durch die ſich ſammelnden Wale, und nicht wenige von den dortigen Fiſchern glauben, in letzteren die Herbeitreiber der Fiſche erkennen zu müſſen, genau ebenſo, wie ſie von Heringskönigen und anderen die Züge begleitenden Raubfiſchen reden. Wie groß der Verluſt iſt, welchen die Räuber der See den Heringszügen beibringen, läßt ſich ſelbſtverſtändlich auch nicht ein- mal annähernd ſchätzen; wohl aber dürfen wir dreiſt behaupten, daß er in gar keinem Verhältniß ſteht zu den Verheerungen, welche der Menſch unter jenen anrichtet. Bis in das frühe Mittelalter zurück reicht die Kunde der Heringsfiſcherei. Altengliſche Urkunden erwähnen ihrer, alte Geſetze regeln ſie. Bis zur Zeit des Holländers Breukel oder Breukel- ſen, welcher am Ende des vierzehnten Jahrhunderts lebte, befand ſich die Fiſcherei, obſchon ſie nicht unbedeutend genannt werden konnte, noch in den Zeiten der Kindheit; von nun an aber, nachdem man gelernt oder wiederum erlernt hatte, den bisher mehr oder weniger dem Verderben preis- gegebenen Seefiſch zu ſalzen und dergeſtalt ins Jnnere der Binnenländer zu verſenden, gewann ſie raſch einen außerordentlichen Aufſchwung. Zuerſt waren es die Holländer, welche ſie in großartiger Weiſe betrieben; ſpäter nahmen die Hanſeaten und Norweger an ihr Theil; aber erſt ſeit etwa zweihundert Jahren begannen die Engländer, welche gegenwärtig alle übrigen Völkerſchaften über- flügelt haben, auch ihrerſeits Schiffe auf den Heringsfang zu ſenden. Zur Fiſcherei bedient man ſich in Norwegen außer den gewöhnlichen, beſonderer Netze, Wate genannt, welche dazu dienen, Fjorde und Buchten abzuſperren, nachdem die Heringe in ſie ein- gedrungen ſind, und erbeutet dann oft unglaubliche Maſſen mit einem Male. „Die Ausländer“, ſagt Pontoppidan, „werden es kaum glauben können; allein ich, der ich dieſes ſchreibe, habe ganz Bergen zum Zeugen, daß mit einem einzigen Auswurfnetze im Sundfjord ſoviele Heringe ſind gefangen worden, daß ſie hundert Jachten, Einige ſagen hundertfünfzig, aber ich will lieber die geringſte Zahl rechnen, jede Jacht zu hundert Tonnen gerechnet, angefüllt haben. Jn den Buchten bleiben die Heringe, welche man eingeſchloſſen hat, ſo lange ſtehen, bis man ſie nach und nach bergen und einſalzen kann; worüber der Fiſch doch zuletzt ganz ausgezehrt und verdorben wird. Oft bleibt der Hering wegen ſeiner Menge zwei bis drei Wochen eingeſchloſſen, da denn viele ſich auszehren und viele umkommen, wodurch dann die Bucht mit Geſtank angefüllt wird, welcher verurſacht, daß die Heringe dieſelbige Gegend drei bis vier Jahre ſcheuen, daß ſie ſich ſonſt am liebſten daſelbſt ein- gefunden hatten. Jm Jahre 1748 trug es ſich im Kirchſpiel Svanöe zu, daß die Bauern eine unzählige Menge von Frühlingsheringen auf obige Art eingeſchloſſen hatten. Ein Bürger hier aus Bergen kaufte ſie für hundert Reichsthaler und eine Tonne Branntwein, worauf er, wie man ſagt,

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 724. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/764>, abgerufen am 01.06.2024.