Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Edelfische. Karpfen. Messerkarpfen. Lanben.
Gewürm, Fischlaich und Pflanzenstoffe und wühlt nach diesen ebenfalls im Schlamme. Jm Früh-
linge, d. h. in den Monaten Mai und Juni nähert sie sich seichten Uferstellen, am liebsten solchen,
welche mit Riedgras bewachsen sind, in der Absicht, zu laichen, und zeigt nunmehr ein in jeder
Hinsicht verändertes Betragen. Während sie sonst schen und vorsichtig ist, bei der geringsten
Störung davon eilt und sich im Grunde verbirgt, benimmt sie sich während des Laichens ebenso
lebhaft als unvorsichtig, läßt sich zuweilen sogar geradezu mit der Hand fangen. Siebold bemerkt,
daß sich die Fortpflanzungsfähigkeit bei den Blicken sehr früh einstellt, da er fünf Zoll lange Rogener
und Milchner, deren Geschlechtsthätigkeit im vollen Gange war, gefunden hat. Bloch zählte den
Rogen eines mäßig großen Weibchens und fand, daß derselbe über hunderttausend Eier enthielt.
Die alten Blicken beginnen mit dem Eierlegen Anfangs Juni und beendigen dieses Geschäft binnen
drei und vier Tagen, falls nicht kalte Witterung eintritt, welche sie zu möglichster Eile veranlaßt.
Etwa eine Woche später erscheinen die mittelgroßen Stücke und wiederum nach acht Tagen die
kleinsten. Alle wählen wo möglich zum Eierlegen die Zeit von Sonnenaufgang bis 10 Uhr Morgens.

Nach Angabe Eckström's ist die Blicke der gefräßigste aller Karpfen, ihr Fang daher auch
ungewöhnlich einfach und leicht, weil jeder Köder seine Dienste thut. Jn großartigem Maßstabe
betreibt man diesen Fang übrigens nirgends; denn als Nahrungsmittel wird unser Fisch von
Niemanden geschätzt, schon weil ihn mehr als andere Riemenwürmer, deren oft sechs bis acht in
seinem Bauche wohnen, plagen; dagegen läßt er sich in Teichen, wo Forellen gehegt werden, mit
Vortheil als Futterfisch verwenden.



Als Verbindungsglieder der Karpfen- und Heringsfamilie darf man die Messerkarpfen
oder Sichlinge (Pelecus) ansehen, zu unserer Familie gehörige, von den übrigen jedoch sehr
abweichende Fische, ausgezeichnet durch geradlinigen Rücken und stark ausgebogenen Bauch, fast
senkrecht stehende Mundspalte mit vortretender Spitze des Unterkiefers, lange, schmale, sichel-
förmige Brustflossen, weit hinten stehende, kurze Rückenflosse, leicht abfallende Schuppen und
in zwei Reihen geordnete, zu zwei und fünf stehende, hakige, an der Krone tief sägenförmig
gekerbte Schlundzähne.

Der Sichling oder die Ziege (Pelecus cultratus), der einzige Vertreter dieser Sippe, hat
einen gestreckten, seitlich zusammengedrückten Leib und ist im Nacken stahlblau oder blaugrün, auf
dem Rücken graubraun, auf den Seiten mit silbernem Glanze, auf Rücken- und Schwanzflosse
graulich, auf den übrigen Flossen röthlich gefärbt. Die Rückenflosse enthält 3 und 7, die Brustflosse
1 und 15, die Bauchflosse 2 und 7, die Afterflosse 3 und 28, die Schwanzflosse 19 Strahlen.
Seine Länge beträgt 11/2 Fuß, das Gewicht bis 2 Pfund.

Die geographische Verbreitung des Sichlings ist in mancher Beziehung eine eigenthümliche.
Er bewohnt im Norden Mitteleuropas nur die Ostsee und die mit ihr zusammenhängenden großen
Süßwasserbecken und steigt vonhieraus in den Flüssen empor; er lebt aber auch im schwarzen Meere
und wird demgemäß regelmäßig in allen in dieselbe einmündenden Strömen bemerkt. Nach Pallas
ist er häufig in den Flüssen und Seen des europäischen Rußlands, nach Nordmann in denen der
Krim; nach Heckel und Kner erscheint er im Plattensee während des Sommers in großen Zügen
und bildet dann zu einer Zeit, in welcher andere Fische selten sind, eine Hauptnahrung armer Leute;
nach Siebold verirrt er sich zuweilen bis in die obere Donau, kaum aber auch in deren Zuflüsse.
Einen eigentlichen Meerbewohner kann man ihn nicht nennen, einen Flußwasserfisch ebenso wenig;
es scheint ihm ebenso wohl in salzigem wie in süßem Gewässer zu behagen. Zu seinem Aufenthaltsorte
wählt er reines, bewegtes Wasser und die Nähe der Ufer. Jn seinem Wesen und Gebahren und in
der Nahrung kommt er mit den anderen Karpfen überein. Die Laichzeit fällt in den Mai, und die

Die Edelfiſche. Karpfen. Meſſerkarpfen. Lanben.
Gewürm, Fiſchlaich und Pflanzenſtoffe und wühlt nach dieſen ebenfalls im Schlamme. Jm Früh-
linge, d. h. in den Monaten Mai und Juni nähert ſie ſich ſeichten Uferſtellen, am liebſten ſolchen,
welche mit Riedgras bewachſen ſind, in der Abſicht, zu laichen, und zeigt nunmehr ein in jeder
Hinſicht verändertes Betragen. Während ſie ſonſt ſchen und vorſichtig iſt, bei der geringſten
Störung davon eilt und ſich im Grunde verbirgt, benimmt ſie ſich während des Laichens ebenſo
lebhaft als unvorſichtig, läßt ſich zuweilen ſogar geradezu mit der Hand fangen. Siebold bemerkt,
daß ſich die Fortpflanzungsfähigkeit bei den Blicken ſehr früh einſtellt, da er fünf Zoll lange Rogener
und Milchner, deren Geſchlechtsthätigkeit im vollen Gange war, gefunden hat. Bloch zählte den
Rogen eines mäßig großen Weibchens und fand, daß derſelbe über hunderttauſend Eier enthielt.
Die alten Blicken beginnen mit dem Eierlegen Anfangs Juni und beendigen dieſes Geſchäft binnen
drei und vier Tagen, falls nicht kalte Witterung eintritt, welche ſie zu möglichſter Eile veranlaßt.
Etwa eine Woche ſpäter erſcheinen die mittelgroßen Stücke und wiederum nach acht Tagen die
kleinſten. Alle wählen wo möglich zum Eierlegen die Zeit von Sonnenaufgang bis 10 Uhr Morgens.

Nach Angabe Eckſtröm’s iſt die Blicke der gefräßigſte aller Karpfen, ihr Fang daher auch
ungewöhnlich einfach und leicht, weil jeder Köder ſeine Dienſte thut. Jn großartigem Maßſtabe
betreibt man dieſen Fang übrigens nirgends; denn als Nahrungsmittel wird unſer Fiſch von
Niemanden geſchätzt, ſchon weil ihn mehr als andere Riemenwürmer, deren oft ſechs bis acht in
ſeinem Bauche wohnen, plagen; dagegen läßt er ſich in Teichen, wo Forellen gehegt werden, mit
Vortheil als Futterfiſch verwenden.



Als Verbindungsglieder der Karpfen- und Heringsfamilie darf man die Meſſerkarpfen
oder Sichlinge (Pelecus) anſehen, zu unſerer Familie gehörige, von den übrigen jedoch ſehr
abweichende Fiſche, ausgezeichnet durch geradlinigen Rücken und ſtark ausgebogenen Bauch, faſt
ſenkrecht ſtehende Mundſpalte mit vortretender Spitze des Unterkiefers, lange, ſchmale, ſichel-
förmige Bruſtfloſſen, weit hinten ſtehende, kurze Rückenfloſſe, leicht abfallende Schuppen und
in zwei Reihen geordnete, zu zwei und fünf ſtehende, hakige, an der Krone tief ſägenförmig
gekerbte Schlundzähne.

Der Sichling oder die Ziege (Pelecus cultratus), der einzige Vertreter dieſer Sippe, hat
einen geſtreckten, ſeitlich zuſammengedrückten Leib und iſt im Nacken ſtahlblau oder blaugrün, auf
dem Rücken graubraun, auf den Seiten mit ſilbernem Glanze, auf Rücken- und Schwanzfloſſe
graulich, auf den übrigen Floſſen röthlich gefärbt. Die Rückenfloſſe enthält 3 und 7, die Bruſtfloſſe
1 und 15, die Bauchfloſſe 2 und 7, die Afterfloſſe 3 und 28, die Schwanzfloſſe 19 Strahlen.
Seine Länge beträgt 1½ Fuß, das Gewicht bis 2 Pfund.

Die geographiſche Verbreitung des Sichlings iſt in mancher Beziehung eine eigenthümliche.
Er bewohnt im Norden Mitteleuropas nur die Oſtſee und die mit ihr zuſammenhängenden großen
Süßwaſſerbecken und ſteigt vonhieraus in den Flüſſen empor; er lebt aber auch im ſchwarzen Meere
und wird demgemäß regelmäßig in allen in dieſelbe einmündenden Strömen bemerkt. Nach Pallas
iſt er häufig in den Flüſſen und Seen des europäiſchen Rußlands, nach Nordmann in denen der
Krim; nach Heckel und Kner erſcheint er im Plattenſee während des Sommers in großen Zügen
und bildet dann zu einer Zeit, in welcher andere Fiſche ſelten ſind, eine Hauptnahrung armer Leute;
nach Siebold verirrt er ſich zuweilen bis in die obere Donau, kaum aber auch in deren Zuflüſſe.
Einen eigentlichen Meerbewohner kann man ihn nicht nennen, einen Flußwaſſerfiſch ebenſo wenig;
es ſcheint ihm ebenſo wohl in ſalzigem wie in ſüßem Gewäſſer zu behagen. Zu ſeinem Aufenthaltsorte
wählt er reines, bewegtes Waſſer und die Nähe der Ufer. Jn ſeinem Weſen und Gebahren und in
der Nahrung kommt er mit den anderen Karpfen überein. Die Laichzeit fällt in den Mai, und die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0702" n="664"/><fw place="top" type="header">Die Edelfi&#x017F;che. Karpfen. Me&#x017F;&#x017F;erkarpfen. Lanben.</fw><lb/>
Gewürm, Fi&#x017F;chlaich und Pflanzen&#x017F;toffe und wühlt nach die&#x017F;en ebenfalls im Schlamme. Jm Früh-<lb/>
linge, d. h. in den Monaten Mai und Juni nähert &#x017F;ie &#x017F;ich &#x017F;eichten Ufer&#x017F;tellen, am lieb&#x017F;ten &#x017F;olchen,<lb/>
welche mit Riedgras bewach&#x017F;en &#x017F;ind, in der Ab&#x017F;icht, zu laichen, und zeigt nunmehr ein in jeder<lb/>
Hin&#x017F;icht verändertes Betragen. Während &#x017F;ie &#x017F;on&#x017F;t &#x017F;chen und vor&#x017F;ichtig i&#x017F;t, bei der gering&#x017F;ten<lb/>
Störung davon eilt und &#x017F;ich im Grunde verbirgt, benimmt &#x017F;ie &#x017F;ich während des Laichens eben&#x017F;o<lb/>
lebhaft als unvor&#x017F;ichtig, läßt &#x017F;ich zuweilen &#x017F;ogar geradezu mit der Hand fangen. <hi rendition="#g">Siebold</hi> bemerkt,<lb/>
daß &#x017F;ich die Fortpflanzungsfähigkeit bei den Blicken &#x017F;ehr früh ein&#x017F;tellt, da er fünf Zoll lange Rogener<lb/>
und Milchner, deren Ge&#x017F;chlechtsthätigkeit im vollen Gange war, gefunden hat. <hi rendition="#g">Bloch</hi> zählte den<lb/>
Rogen eines mäßig großen Weibchens und fand, daß der&#x017F;elbe über hunderttau&#x017F;end Eier enthielt.<lb/>
Die alten Blicken beginnen mit dem Eierlegen Anfangs Juni und beendigen die&#x017F;es Ge&#x017F;chäft binnen<lb/>
drei und vier Tagen, falls nicht kalte Witterung eintritt, welche &#x017F;ie zu möglich&#x017F;ter Eile veranlaßt.<lb/>
Etwa eine Woche &#x017F;päter er&#x017F;cheinen die mittelgroßen Stücke und wiederum nach acht Tagen die<lb/>
klein&#x017F;ten. Alle wählen wo möglich zum Eierlegen die Zeit von Sonnenaufgang bis 10 Uhr Morgens.</p><lb/>
            <p>Nach Angabe <hi rendition="#g">Eck&#x017F;tröm&#x2019;s</hi> i&#x017F;t die Blicke der gefräßig&#x017F;te aller Karpfen, ihr Fang daher auch<lb/>
ungewöhnlich einfach und leicht, weil jeder Köder &#x017F;eine Dien&#x017F;te thut. Jn großartigem Maß&#x017F;tabe<lb/>
betreibt man die&#x017F;en Fang übrigens nirgends; denn als Nahrungsmittel wird un&#x017F;er Fi&#x017F;ch von<lb/>
Niemanden ge&#x017F;chätzt, &#x017F;chon weil ihn mehr als andere Riemenwürmer, deren oft &#x017F;echs bis acht in<lb/>
&#x017F;einem Bauche wohnen, plagen; dagegen läßt er &#x017F;ich in Teichen, wo Forellen gehegt werden, mit<lb/>
Vortheil als Futterfi&#x017F;ch verwenden.</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
            <p>Als Verbindungsglieder der Karpfen- und Heringsfamilie darf man die <hi rendition="#g">Me&#x017F;&#x017F;erkarpfen</hi><lb/>
oder <hi rendition="#g">Sichlinge</hi> <hi rendition="#aq">(Pelecus)</hi> an&#x017F;ehen, zu un&#x017F;erer Familie gehörige, von den übrigen jedoch &#x017F;ehr<lb/>
abweichende Fi&#x017F;che, ausgezeichnet durch geradlinigen Rücken und &#x017F;tark ausgebogenen Bauch, fa&#x017F;t<lb/>
&#x017F;enkrecht &#x017F;tehende Mund&#x017F;palte mit vortretender Spitze des Unterkiefers, lange, &#x017F;chmale, &#x017F;ichel-<lb/>
förmige Bru&#x017F;tflo&#x017F;&#x017F;en, weit hinten &#x017F;tehende, kurze Rückenflo&#x017F;&#x017F;e, leicht abfallende Schuppen und<lb/>
in zwei Reihen geordnete, zu zwei und fünf &#x017F;tehende, hakige, an der Krone tief &#x017F;ägenförmig<lb/>
gekerbte Schlundzähne.</p><lb/>
            <p>Der <hi rendition="#g">Sichling</hi> oder die <hi rendition="#g">Ziege</hi> <hi rendition="#aq">(Pelecus cultratus),</hi> der einzige Vertreter die&#x017F;er Sippe, hat<lb/>
einen ge&#x017F;treckten, &#x017F;eitlich zu&#x017F;ammengedrückten Leib und i&#x017F;t im Nacken &#x017F;tahlblau oder blaugrün, auf<lb/>
dem Rücken graubraun, auf den Seiten mit &#x017F;ilbernem Glanze, auf Rücken- und Schwanzflo&#x017F;&#x017F;e<lb/>
graulich, auf den übrigen Flo&#x017F;&#x017F;en röthlich gefärbt. Die Rückenflo&#x017F;&#x017F;e enthält 3 und 7, die Bru&#x017F;tflo&#x017F;&#x017F;e<lb/>
1 und 15, die Bauchflo&#x017F;&#x017F;e 2 und 7, die Afterflo&#x017F;&#x017F;e 3 und 28, die Schwanzflo&#x017F;&#x017F;e 19 Strahlen.<lb/>
Seine Länge beträgt 1½ Fuß, das Gewicht bis 2 Pfund.</p><lb/>
            <p>Die geographi&#x017F;che Verbreitung des Sichlings i&#x017F;t in mancher Beziehung eine eigenthümliche.<lb/>
Er bewohnt im Norden Mitteleuropas nur die O&#x017F;t&#x017F;ee und die mit ihr zu&#x017F;ammenhängenden großen<lb/>
Süßwa&#x017F;&#x017F;erbecken und &#x017F;teigt vonhieraus in den Flü&#x017F;&#x017F;en empor; er lebt aber auch im &#x017F;chwarzen Meere<lb/>
und wird demgemäß regelmäßig in allen in die&#x017F;elbe einmündenden Strömen bemerkt. Nach <hi rendition="#g">Pallas</hi><lb/>
i&#x017F;t er häufig in den Flü&#x017F;&#x017F;en und Seen des europäi&#x017F;chen Rußlands, nach <hi rendition="#g">Nordmann</hi> in denen der<lb/>
Krim; nach <hi rendition="#g">Heckel</hi> und <hi rendition="#g">Kner</hi> er&#x017F;cheint er im Platten&#x017F;ee während des Sommers in großen Zügen<lb/>
und bildet dann zu einer Zeit, in welcher andere Fi&#x017F;che &#x017F;elten &#x017F;ind, eine Hauptnahrung armer Leute;<lb/>
nach <hi rendition="#g">Siebold</hi> verirrt er &#x017F;ich zuweilen bis in die obere Donau, kaum aber auch in deren Zuflü&#x017F;&#x017F;e.<lb/>
Einen eigentlichen Meerbewohner kann man ihn nicht nennen, einen Flußwa&#x017F;&#x017F;erfi&#x017F;ch eben&#x017F;o wenig;<lb/>
es &#x017F;cheint ihm eben&#x017F;o wohl in &#x017F;alzigem wie in &#x017F;üßem Gewä&#x017F;&#x017F;er zu behagen. Zu &#x017F;einem Aufenthaltsorte<lb/>
wählt er reines, bewegtes Wa&#x017F;&#x017F;er und die Nähe der Ufer. Jn &#x017F;einem We&#x017F;en und Gebahren und in<lb/>
der Nahrung kommt er mit den anderen Karpfen überein. Die Laichzeit fällt in den Mai, und die<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[664/0702] Die Edelfiſche. Karpfen. Meſſerkarpfen. Lanben. Gewürm, Fiſchlaich und Pflanzenſtoffe und wühlt nach dieſen ebenfalls im Schlamme. Jm Früh- linge, d. h. in den Monaten Mai und Juni nähert ſie ſich ſeichten Uferſtellen, am liebſten ſolchen, welche mit Riedgras bewachſen ſind, in der Abſicht, zu laichen, und zeigt nunmehr ein in jeder Hinſicht verändertes Betragen. Während ſie ſonſt ſchen und vorſichtig iſt, bei der geringſten Störung davon eilt und ſich im Grunde verbirgt, benimmt ſie ſich während des Laichens ebenſo lebhaft als unvorſichtig, läßt ſich zuweilen ſogar geradezu mit der Hand fangen. Siebold bemerkt, daß ſich die Fortpflanzungsfähigkeit bei den Blicken ſehr früh einſtellt, da er fünf Zoll lange Rogener und Milchner, deren Geſchlechtsthätigkeit im vollen Gange war, gefunden hat. Bloch zählte den Rogen eines mäßig großen Weibchens und fand, daß derſelbe über hunderttauſend Eier enthielt. Die alten Blicken beginnen mit dem Eierlegen Anfangs Juni und beendigen dieſes Geſchäft binnen drei und vier Tagen, falls nicht kalte Witterung eintritt, welche ſie zu möglichſter Eile veranlaßt. Etwa eine Woche ſpäter erſcheinen die mittelgroßen Stücke und wiederum nach acht Tagen die kleinſten. Alle wählen wo möglich zum Eierlegen die Zeit von Sonnenaufgang bis 10 Uhr Morgens. Nach Angabe Eckſtröm’s iſt die Blicke der gefräßigſte aller Karpfen, ihr Fang daher auch ungewöhnlich einfach und leicht, weil jeder Köder ſeine Dienſte thut. Jn großartigem Maßſtabe betreibt man dieſen Fang übrigens nirgends; denn als Nahrungsmittel wird unſer Fiſch von Niemanden geſchätzt, ſchon weil ihn mehr als andere Riemenwürmer, deren oft ſechs bis acht in ſeinem Bauche wohnen, plagen; dagegen läßt er ſich in Teichen, wo Forellen gehegt werden, mit Vortheil als Futterfiſch verwenden. Als Verbindungsglieder der Karpfen- und Heringsfamilie darf man die Meſſerkarpfen oder Sichlinge (Pelecus) anſehen, zu unſerer Familie gehörige, von den übrigen jedoch ſehr abweichende Fiſche, ausgezeichnet durch geradlinigen Rücken und ſtark ausgebogenen Bauch, faſt ſenkrecht ſtehende Mundſpalte mit vortretender Spitze des Unterkiefers, lange, ſchmale, ſichel- förmige Bruſtfloſſen, weit hinten ſtehende, kurze Rückenfloſſe, leicht abfallende Schuppen und in zwei Reihen geordnete, zu zwei und fünf ſtehende, hakige, an der Krone tief ſägenförmig gekerbte Schlundzähne. Der Sichling oder die Ziege (Pelecus cultratus), der einzige Vertreter dieſer Sippe, hat einen geſtreckten, ſeitlich zuſammengedrückten Leib und iſt im Nacken ſtahlblau oder blaugrün, auf dem Rücken graubraun, auf den Seiten mit ſilbernem Glanze, auf Rücken- und Schwanzfloſſe graulich, auf den übrigen Floſſen röthlich gefärbt. Die Rückenfloſſe enthält 3 und 7, die Bruſtfloſſe 1 und 15, die Bauchfloſſe 2 und 7, die Afterfloſſe 3 und 28, die Schwanzfloſſe 19 Strahlen. Seine Länge beträgt 1½ Fuß, das Gewicht bis 2 Pfund. Die geographiſche Verbreitung des Sichlings iſt in mancher Beziehung eine eigenthümliche. Er bewohnt im Norden Mitteleuropas nur die Oſtſee und die mit ihr zuſammenhängenden großen Süßwaſſerbecken und ſteigt vonhieraus in den Flüſſen empor; er lebt aber auch im ſchwarzen Meere und wird demgemäß regelmäßig in allen in dieſelbe einmündenden Strömen bemerkt. Nach Pallas iſt er häufig in den Flüſſen und Seen des europäiſchen Rußlands, nach Nordmann in denen der Krim; nach Heckel und Kner erſcheint er im Plattenſee während des Sommers in großen Zügen und bildet dann zu einer Zeit, in welcher andere Fiſche ſelten ſind, eine Hauptnahrung armer Leute; nach Siebold verirrt er ſich zuweilen bis in die obere Donau, kaum aber auch in deren Zuflüſſe. Einen eigentlichen Meerbewohner kann man ihn nicht nennen, einen Flußwaſſerfiſch ebenſo wenig; es ſcheint ihm ebenſo wohl in ſalzigem wie in ſüßem Gewäſſer zu behagen. Zu ſeinem Aufenthaltsorte wählt er reines, bewegtes Waſſer und die Nähe der Ufer. Jn ſeinem Weſen und Gebahren und in der Nahrung kommt er mit den anderen Karpfen überein. Die Laichzeit fällt in den Mai, und die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/702
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 664. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/702>, abgerufen am 16.06.2024.