Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

Bild:
<< vorherige Seite

Blicke. Sichling. Weißfisch.
Fortpflanzung entspricht dem bereits von den Verwandten Gesagten; die Vermehrung aber scheint
trotz der mehr als hunderttausend Eier, welche man, nach Bloch, im Rogen eines Weibchens
findet, nicht besonders stark zu sein, weil der Fisch, wenigstens in unseren Flüssen, verhältnißmäßig
selten ist. Als wahrscheinlichen Grund dieser auffallenden Thatsache nehmen Heckel und Kner
die völlige Wehrlosigkeit und den starken verrätherischen Silberglanz an, welche den Sichling wohl zur
häufigen Beute von Seethieren und Wasservögeln werden lassen. Auch soll sich die Lebensdauer nur
auf vier bis fünf Jahre erstrecken.

Das Fleisch ist gering, weich und grätig, der Fang deshalb nicht lohnend, in manchen Gegenden
Deutschlands, namentlich in Oesterreich, auch nicht einmal erwünscht, weil die Fischer unsern
Sichling mit demselben Aberglauben betrachten, wie die Vogelfänger den Seidenschwanz; auch von
ihm nämlich sagt man, daß er nur alle sieben Jahre erscheine und ein Vorläufer sei von Krieg,
Hunger, Pest und anderen Uebeln, wie solche die sündige Menschheit heimsuchen.



Bei den Lauben (Alburnus) ist die Rückenlinie gebogen, jedoch immer weniger als die
zugekantete des Bauches; die kurze Rückenflosse steht hinter den Bauchflossen, die lange Afterflosse
hinter oder unter der Rückenflosse; die stark silberglänzenden, leicht abfallenden Schuppen zeigen
erhabene, von einem Mittelpunkte ausgehende Strahlen; der Mund richtet sich nach oben, die etwas
vorstehende Spitze des Unterkiefers greift in eine Vertiefung der Zwischenkiefer ein; die Schlundzähne
ordnen sich in zwei Reihen, jederseits zu zwei und fünf; von denen der Jnnenreihen biegen sich die
hinteren hakenförmig um und stellen so gleichsam Fangzähne dar.

Wichtiger als alle übrigen Sippschaftsverwandten ist der Weißfisch, die See-, Spitz-,
Windlaube,
der Postknecht, Seeschied, Lauchel, das Schneiderfischel, der Uckelei,
Silberling
(Alburnus lucidus). Die stahlblaue Färbung der Oberseite geht auf den Seiten und
dem Bauche in eine silberglänzende über; Rücken- und Schwanzflosse sind graulich, die übrigen
Flossen gelblich gefärbt. Genaueres läßt sich aus dem Grunde nicht angeben, weil der Weißfisch
ebensowohl was die äußere Form als was die Färbung anlangt, vielfach abändert, ja fast in
jedem Flusse, in jedem See ein anderes Aussehen hat. Mehrere dieser Spielarten treten so ständig
auf, daß man sich veranlaßt gesehen hat, sie als besondere Arten aufzustellen. Jn der Rückenflosse
finden sich 3 und 8, in der Brustflosse 1 und 15, in der Bauchflosse 2 und 8, in der Afterflosse
3 und 17 bis 20, in der Schwanzflosse 19 Strahlen. Die Länge schwankt zwischen 4 und 7 Zoll.

Den Verbreitungskreis hat man mit Sicherheit noch nicht feststellen können, weil der Weißfisch
oft in Gesellschaft verwandter Arten gefunden und vielfach verwechselt worden ist. Jn den meisten
unserer deutschen Flüsse und Seen tritt er sehr häufig auf, vorausgesetzt, daß das Wasser derselben
klar und nicht zu rauschend ist. Geselliger als viele andere Fische, hält er sich stets in sehr großen
Gesellschaften zusammen und tummelt sich bei warmer, windstiller Witterung nah dem Wasser-
spiegel munter umher, Kerfe fangend und anderweitige Beute solcher Art aufnehmend. Er ist,
wie Heckel und Kner sagen, wenig scheu, aber neugierig und gefräßig, kehrt deshalb, wenn in
seiner Nähe irgend Etwas ins Wasser geworfen wird, nach augenblicklicher Flucht wieder zurück,
um nachzusehen, was es war, schnappt sofort nach dem erspähten Gegenstande und gibt ihn wieder
von sich, wenn ihm derselbe nicht behagt. Jn den Augen des Anglers, welchem es nur darauf
ankommt, viel Beute zu machen, gilt er demgemäß als der dankbarste aller Fische; denn er beißt
unter allen Umständen und nach jedem ihm vorgeworfenen Köder. Seine Fortpflanzungszeit fällt
in die Monate Mai und Juni. Um diese Zeit sammelt er sich zu dichten Schaaren und steigt in
den Flüssen empor, um sich geeignete Stellen zur Ablage der Eier auszuwählen. Hierbei werden

Blicke. Sichling. Weißfiſch.
Fortpflanzung entſpricht dem bereits von den Verwandten Geſagten; die Vermehrung aber ſcheint
trotz der mehr als hunderttauſend Eier, welche man, nach Bloch, im Rogen eines Weibchens
findet, nicht beſonders ſtark zu ſein, weil der Fiſch, wenigſtens in unſeren Flüſſen, verhältnißmäßig
ſelten iſt. Als wahrſcheinlichen Grund dieſer auffallenden Thatſache nehmen Heckel und Kner
die völlige Wehrloſigkeit und den ſtarken verrätheriſchen Silberglanz an, welche den Sichling wohl zur
häufigen Beute von Seethieren und Waſſervögeln werden laſſen. Auch ſoll ſich die Lebensdauer nur
auf vier bis fünf Jahre erſtrecken.

Das Fleiſch iſt gering, weich und grätig, der Fang deshalb nicht lohnend, in manchen Gegenden
Deutſchlands, namentlich in Oeſterreich, auch nicht einmal erwünſcht, weil die Fiſcher unſern
Sichling mit demſelben Aberglauben betrachten, wie die Vogelfänger den Seidenſchwanz; auch von
ihm nämlich ſagt man, daß er nur alle ſieben Jahre erſcheine und ein Vorläufer ſei von Krieg,
Hunger, Peſt und anderen Uebeln, wie ſolche die ſündige Menſchheit heimſuchen.



Bei den Lauben (Alburnus) iſt die Rückenlinie gebogen, jedoch immer weniger als die
zugekantete des Bauches; die kurze Rückenfloſſe ſteht hinter den Bauchfloſſen, die lange Afterfloſſe
hinter oder unter der Rückenfloſſe; die ſtark ſilberglänzenden, leicht abfallenden Schuppen zeigen
erhabene, von einem Mittelpunkte ausgehende Strahlen; der Mund richtet ſich nach oben, die etwas
vorſtehende Spitze des Unterkiefers greift in eine Vertiefung der Zwiſchenkiefer ein; die Schlundzähne
ordnen ſich in zwei Reihen, jederſeits zu zwei und fünf; von denen der Jnnenreihen biegen ſich die
hinteren hakenförmig um und ſtellen ſo gleichſam Fangzähne dar.

Wichtiger als alle übrigen Sippſchaftsverwandten iſt der Weißfiſch, die See-, Spitz-,
Windlaube,
der Poſtknecht, Seeſchied, Lauchel, das Schneiderfiſchel, der Uckelei,
Silberling
(Alburnus lucidus). Die ſtahlblaue Färbung der Oberſeite geht auf den Seiten und
dem Bauche in eine ſilberglänzende über; Rücken- und Schwanzfloſſe ſind graulich, die übrigen
Floſſen gelblich gefärbt. Genaueres läßt ſich aus dem Grunde nicht angeben, weil der Weißfiſch
ebenſowohl was die äußere Form als was die Färbung anlangt, vielfach abändert, ja faſt in
jedem Fluſſe, in jedem See ein anderes Ausſehen hat. Mehrere dieſer Spielarten treten ſo ſtändig
auf, daß man ſich veranlaßt geſehen hat, ſie als beſondere Arten aufzuſtellen. Jn der Rückenfloſſe
finden ſich 3 und 8, in der Bruſtfloſſe 1 und 15, in der Bauchfloſſe 2 und 8, in der Afterfloſſe
3 und 17 bis 20, in der Schwanzfloſſe 19 Strahlen. Die Länge ſchwankt zwiſchen 4 und 7 Zoll.

Den Verbreitungskreis hat man mit Sicherheit noch nicht feſtſtellen können, weil der Weißfiſch
oft in Geſellſchaft verwandter Arten gefunden und vielfach verwechſelt worden iſt. Jn den meiſten
unſerer deutſchen Flüſſe und Seen tritt er ſehr häufig auf, vorausgeſetzt, daß das Waſſer derſelben
klar und nicht zu rauſchend iſt. Geſelliger als viele andere Fiſche, hält er ſich ſtets in ſehr großen
Geſellſchaften zuſammen und tummelt ſich bei warmer, windſtiller Witterung nah dem Waſſer-
ſpiegel munter umher, Kerfe fangend und anderweitige Beute ſolcher Art aufnehmend. Er iſt,
wie Heckel und Kner ſagen, wenig ſcheu, aber neugierig und gefräßig, kehrt deshalb, wenn in
ſeiner Nähe irgend Etwas ins Waſſer geworfen wird, nach augenblicklicher Flucht wieder zurück,
um nachzuſehen, was es war, ſchnappt ſofort nach dem erſpähten Gegenſtande und gibt ihn wieder
von ſich, wenn ihm derſelbe nicht behagt. Jn den Augen des Anglers, welchem es nur darauf
ankommt, viel Beute zu machen, gilt er demgemäß als der dankbarſte aller Fiſche; denn er beißt
unter allen Umſtänden und nach jedem ihm vorgeworfenen Köder. Seine Fortpflanzungszeit fällt
in die Monate Mai und Juni. Um dieſe Zeit ſammelt er ſich zu dichten Schaaren und ſteigt in
den Flüſſen empor, um ſich geeignete Stellen zur Ablage der Eier auszuwählen. Hierbei werden

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0703" n="665"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Blicke. Sichling. Weißfi&#x017F;ch.</hi></fw><lb/>
Fortpflanzung ent&#x017F;pricht dem bereits von den Verwandten Ge&#x017F;agten; die Vermehrung aber &#x017F;cheint<lb/>
trotz der mehr als hunderttau&#x017F;end Eier, welche man, nach <hi rendition="#g">Bloch,</hi> im Rogen eines Weibchens<lb/>
findet, nicht be&#x017F;onders &#x017F;tark zu &#x017F;ein, weil der Fi&#x017F;ch, wenig&#x017F;tens in un&#x017F;eren Flü&#x017F;&#x017F;en, verhältnißmäßig<lb/>
&#x017F;elten i&#x017F;t. Als wahr&#x017F;cheinlichen Grund die&#x017F;er auffallenden That&#x017F;ache nehmen <hi rendition="#g">Heckel</hi> und <hi rendition="#g">Kner</hi><lb/>
die völlige Wehrlo&#x017F;igkeit und den &#x017F;tarken verrätheri&#x017F;chen Silberglanz an, welche den Sichling wohl zur<lb/>
häufigen Beute von Seethieren und Wa&#x017F;&#x017F;ervögeln werden la&#x017F;&#x017F;en. Auch &#x017F;oll &#x017F;ich die Lebensdauer nur<lb/>
auf vier bis fünf Jahre er&#x017F;trecken.</p><lb/>
            <p>Das Flei&#x017F;ch i&#x017F;t gering, weich und grätig, der Fang deshalb nicht lohnend, in manchen Gegenden<lb/>
Deut&#x017F;chlands, namentlich in Oe&#x017F;terreich, auch nicht einmal erwün&#x017F;cht, weil die Fi&#x017F;cher un&#x017F;ern<lb/>
Sichling mit dem&#x017F;elben Aberglauben betrachten, wie die Vogelfänger den Seiden&#x017F;chwanz; auch von<lb/>
ihm nämlich &#x017F;agt man, daß er nur alle &#x017F;ieben Jahre er&#x017F;cheine und ein Vorläufer &#x017F;ei von Krieg,<lb/>
Hunger, Pe&#x017F;t und anderen Uebeln, wie &#x017F;olche die &#x017F;ündige Men&#x017F;chheit heim&#x017F;uchen.</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
            <p>Bei den <hi rendition="#g">Lauben</hi> <hi rendition="#aq">(Alburnus)</hi> i&#x017F;t die Rückenlinie gebogen, jedoch immer weniger als die<lb/>
zugekantete des Bauches; die kurze Rückenflo&#x017F;&#x017F;e &#x017F;teht hinter den Bauchflo&#x017F;&#x017F;en, die lange Afterflo&#x017F;&#x017F;e<lb/>
hinter oder unter der Rückenflo&#x017F;&#x017F;e; die &#x017F;tark &#x017F;ilberglänzenden, leicht abfallenden Schuppen zeigen<lb/>
erhabene, von einem Mittelpunkte ausgehende Strahlen; der Mund richtet &#x017F;ich nach oben, die etwas<lb/>
vor&#x017F;tehende Spitze des Unterkiefers greift in eine Vertiefung der Zwi&#x017F;chenkiefer ein; die Schlundzähne<lb/>
ordnen &#x017F;ich in zwei Reihen, jeder&#x017F;eits zu zwei und fünf; von denen der Jnnenreihen biegen &#x017F;ich die<lb/>
hinteren hakenförmig um und &#x017F;tellen &#x017F;o gleich&#x017F;am Fangzähne dar.</p><lb/>
            <p>Wichtiger als alle übrigen Sipp&#x017F;chaftsverwandten i&#x017F;t der <hi rendition="#g">Weißfi&#x017F;ch,</hi> die <hi rendition="#g">See-, Spitz-,<lb/>
Windlaube,</hi> der <hi rendition="#g">Po&#x017F;tknecht, See&#x017F;chied, Lauchel,</hi> das <hi rendition="#g">Schneiderfi&#x017F;chel,</hi> der <hi rendition="#g">Uckelei,<lb/>
Silberling</hi> <hi rendition="#aq">(Alburnus lucidus).</hi> Die &#x017F;tahlblaue Färbung der Ober&#x017F;eite geht auf den Seiten und<lb/>
dem Bauche in eine &#x017F;ilberglänzende über; Rücken- und Schwanzflo&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ind graulich, die übrigen<lb/>
Flo&#x017F;&#x017F;en gelblich gefärbt. Genaueres läßt &#x017F;ich aus dem Grunde nicht angeben, weil der Weißfi&#x017F;ch<lb/>
eben&#x017F;owohl was die äußere Form als was die Färbung anlangt, vielfach abändert, ja fa&#x017F;t in<lb/>
jedem Flu&#x017F;&#x017F;e, in jedem See ein anderes Aus&#x017F;ehen hat. Mehrere die&#x017F;er Spielarten treten &#x017F;o &#x017F;tändig<lb/>
auf, daß man &#x017F;ich veranlaßt ge&#x017F;ehen hat, &#x017F;ie als be&#x017F;ondere Arten aufzu&#x017F;tellen. Jn der Rückenflo&#x017F;&#x017F;e<lb/>
finden &#x017F;ich 3 und 8, in der Bru&#x017F;tflo&#x017F;&#x017F;e 1 und 15, in der Bauchflo&#x017F;&#x017F;e 2 und 8, in der Afterflo&#x017F;&#x017F;e<lb/>
3 und 17 bis 20, in der Schwanzflo&#x017F;&#x017F;e 19 Strahlen. Die Länge &#x017F;chwankt zwi&#x017F;chen 4 und 7 Zoll.</p><lb/>
            <p>Den Verbreitungskreis hat man mit Sicherheit noch nicht fe&#x017F;t&#x017F;tellen können, weil der Weißfi&#x017F;ch<lb/>
oft in Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft verwandter Arten gefunden und vielfach verwech&#x017F;elt worden i&#x017F;t. Jn den mei&#x017F;ten<lb/>
un&#x017F;erer deut&#x017F;chen Flü&#x017F;&#x017F;e und Seen tritt er &#x017F;ehr häufig auf, vorausge&#x017F;etzt, daß das Wa&#x017F;&#x017F;er der&#x017F;elben<lb/>
klar und nicht zu rau&#x017F;chend i&#x017F;t. Ge&#x017F;elliger als viele andere Fi&#x017F;che, hält er &#x017F;ich &#x017F;tets in &#x017F;ehr großen<lb/>
Ge&#x017F;ell&#x017F;chaften zu&#x017F;ammen und tummelt &#x017F;ich bei warmer, wind&#x017F;tiller Witterung nah dem Wa&#x017F;&#x017F;er-<lb/>
&#x017F;piegel munter umher, Kerfe fangend und anderweitige Beute &#x017F;olcher Art aufnehmend. Er i&#x017F;t,<lb/>
wie <hi rendition="#g">Heckel</hi> und <hi rendition="#g">Kner</hi> &#x017F;agen, wenig &#x017F;cheu, aber neugierig und gefräßig, kehrt deshalb, wenn in<lb/>
&#x017F;einer Nähe irgend Etwas ins Wa&#x017F;&#x017F;er geworfen wird, nach augenblicklicher Flucht wieder zurück,<lb/>
um nachzu&#x017F;ehen, was es war, &#x017F;chnappt &#x017F;ofort nach dem er&#x017F;pähten Gegen&#x017F;tande und gibt ihn wieder<lb/>
von &#x017F;ich, wenn ihm der&#x017F;elbe nicht behagt. Jn den Augen des Anglers, welchem es nur darauf<lb/>
ankommt, viel Beute zu machen, gilt er demgemäß als der dankbar&#x017F;te aller Fi&#x017F;che; denn er beißt<lb/>
unter allen Um&#x017F;tänden und nach jedem ihm vorgeworfenen Köder. Seine Fortpflanzungszeit fällt<lb/>
in die Monate Mai und Juni. Um die&#x017F;e Zeit &#x017F;ammelt er &#x017F;ich zu dichten Schaaren und &#x017F;teigt in<lb/>
den Flü&#x017F;&#x017F;en empor, um &#x017F;ich geeignete Stellen zur Ablage der Eier auszuwählen. Hierbei werden<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[665/0703] Blicke. Sichling. Weißfiſch. Fortpflanzung entſpricht dem bereits von den Verwandten Geſagten; die Vermehrung aber ſcheint trotz der mehr als hunderttauſend Eier, welche man, nach Bloch, im Rogen eines Weibchens findet, nicht beſonders ſtark zu ſein, weil der Fiſch, wenigſtens in unſeren Flüſſen, verhältnißmäßig ſelten iſt. Als wahrſcheinlichen Grund dieſer auffallenden Thatſache nehmen Heckel und Kner die völlige Wehrloſigkeit und den ſtarken verrätheriſchen Silberglanz an, welche den Sichling wohl zur häufigen Beute von Seethieren und Waſſervögeln werden laſſen. Auch ſoll ſich die Lebensdauer nur auf vier bis fünf Jahre erſtrecken. Das Fleiſch iſt gering, weich und grätig, der Fang deshalb nicht lohnend, in manchen Gegenden Deutſchlands, namentlich in Oeſterreich, auch nicht einmal erwünſcht, weil die Fiſcher unſern Sichling mit demſelben Aberglauben betrachten, wie die Vogelfänger den Seidenſchwanz; auch von ihm nämlich ſagt man, daß er nur alle ſieben Jahre erſcheine und ein Vorläufer ſei von Krieg, Hunger, Peſt und anderen Uebeln, wie ſolche die ſündige Menſchheit heimſuchen. Bei den Lauben (Alburnus) iſt die Rückenlinie gebogen, jedoch immer weniger als die zugekantete des Bauches; die kurze Rückenfloſſe ſteht hinter den Bauchfloſſen, die lange Afterfloſſe hinter oder unter der Rückenfloſſe; die ſtark ſilberglänzenden, leicht abfallenden Schuppen zeigen erhabene, von einem Mittelpunkte ausgehende Strahlen; der Mund richtet ſich nach oben, die etwas vorſtehende Spitze des Unterkiefers greift in eine Vertiefung der Zwiſchenkiefer ein; die Schlundzähne ordnen ſich in zwei Reihen, jederſeits zu zwei und fünf; von denen der Jnnenreihen biegen ſich die hinteren hakenförmig um und ſtellen ſo gleichſam Fangzähne dar. Wichtiger als alle übrigen Sippſchaftsverwandten iſt der Weißfiſch, die See-, Spitz-, Windlaube, der Poſtknecht, Seeſchied, Lauchel, das Schneiderfiſchel, der Uckelei, Silberling (Alburnus lucidus). Die ſtahlblaue Färbung der Oberſeite geht auf den Seiten und dem Bauche in eine ſilberglänzende über; Rücken- und Schwanzfloſſe ſind graulich, die übrigen Floſſen gelblich gefärbt. Genaueres läßt ſich aus dem Grunde nicht angeben, weil der Weißfiſch ebenſowohl was die äußere Form als was die Färbung anlangt, vielfach abändert, ja faſt in jedem Fluſſe, in jedem See ein anderes Ausſehen hat. Mehrere dieſer Spielarten treten ſo ſtändig auf, daß man ſich veranlaßt geſehen hat, ſie als beſondere Arten aufzuſtellen. Jn der Rückenfloſſe finden ſich 3 und 8, in der Bruſtfloſſe 1 und 15, in der Bauchfloſſe 2 und 8, in der Afterfloſſe 3 und 17 bis 20, in der Schwanzfloſſe 19 Strahlen. Die Länge ſchwankt zwiſchen 4 und 7 Zoll. Den Verbreitungskreis hat man mit Sicherheit noch nicht feſtſtellen können, weil der Weißfiſch oft in Geſellſchaft verwandter Arten gefunden und vielfach verwechſelt worden iſt. Jn den meiſten unſerer deutſchen Flüſſe und Seen tritt er ſehr häufig auf, vorausgeſetzt, daß das Waſſer derſelben klar und nicht zu rauſchend iſt. Geſelliger als viele andere Fiſche, hält er ſich ſtets in ſehr großen Geſellſchaften zuſammen und tummelt ſich bei warmer, windſtiller Witterung nah dem Waſſer- ſpiegel munter umher, Kerfe fangend und anderweitige Beute ſolcher Art aufnehmend. Er iſt, wie Heckel und Kner ſagen, wenig ſcheu, aber neugierig und gefräßig, kehrt deshalb, wenn in ſeiner Nähe irgend Etwas ins Waſſer geworfen wird, nach augenblicklicher Flucht wieder zurück, um nachzuſehen, was es war, ſchnappt ſofort nach dem erſpähten Gegenſtande und gibt ihn wieder von ſich, wenn ihm derſelbe nicht behagt. Jn den Augen des Anglers, welchem es nur darauf ankommt, viel Beute zu machen, gilt er demgemäß als der dankbarſte aller Fiſche; denn er beißt unter allen Umſtänden und nach jedem ihm vorgeworfenen Köder. Seine Fortpflanzungszeit fällt in die Monate Mai und Juni. Um dieſe Zeit ſammelt er ſich zu dichten Schaaren und ſteigt in den Flüſſen empor, um ſich geeignete Stellen zur Ablage der Eier auszuwählen. Hierbei werden

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/703
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 665. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/703>, abgerufen am 15.06.2024.